Der Mercedes Vision EQXX ist in Sachen Reichweite die ganz große Nummer. Nicht ausgeschlossen, dass das schon der laufenden Serie nutzt.
Wenn man so will, ist der Vision EQXX so ein bisschen wie ein Mercedes 200 D – nur in die Neuzeit übertragen. Das Label „200 D“ stand seit der Mercedes Flossenära Ende der 1950er-Jahre für extreme Sparsamkeit, aber auch für Langsamkeit. Erinnerungen daran kommen auf, wenn man im Datenblatt liest, dass der Vision EQXX in der Spitze nur Tempo 140 erreicht. Doch das ist nur die halbe Wahrheit, denn man lässt ihn nicht. Er könnte über 300 km/h, und das mit der für heutige Verhältnisse recht bescheidenen Leistung von gerade mal 245 PS. Man muss kein Physik-Genie sein, um zu erahnen, wie aerodynamisch der Versuchs-EQ sein muss: cw 0,17! Aber die außergewöhnliche Limousine glänzt noch mit anderen Eigenschaften. So wiegt der Versuchsträger lediglich 1.755 Kilogramm und ist unter den E-Autos ein veritables Leichtgewicht. Schließlich schlummern 100 kWh Batteriekapazität unter der silbern schimmernden Außenhaut.
Dass der Konzern dem EQXX so manche Strecke zutraut, hat er schon bewiesen. Für eine Versuchsfahrt hat man die verantwortlichen Entwickler bereits von Sindelfingen aus nach Südfrankreich fahren lassen. Dabei musste der EQXX nicht nur einfach Strecke machen, sondern auch durchaus anspruchsvolle Passagen wie die Alpen überwinden. Nicht, dass das ein Problem wäre, aber die Fahrzeugtechniker haben den Roadtripp mit 8,7 kWh Durchschnittsverbrauch absolviert. Eine zweite Fahrt von Stuttgart ins britische Silverstone konnte sogar mit 8,3 kWh pro 100 Kilometer bewältigt werden – somit reichte der Akku für atemberaubende 1.200 Kilometer.
Solardach gut für 25 Kilometer pro Sonnentag
Dass der rollende Blickfänger keineswegs mit Fahrspaß geizt, hat man schon nach wenigen Kilometern herausgefahren. Allerdings: Dass der EQXX so nicht in die Serie könnte, merkt man sofort. Einfache Sitze und ein recht ruppiges Fahrwerk rauben dem Prototypen jeglichen Restkomfort. Manche Dinge müssen eben sein – für den minimalen Verbrauch. Reifen im so genannten Narrow-Format der Dimension 185/65 R20 in Kombination mit extrem glatten Felgenoberflächen sollen dem Wind möglichst wenig Angriffsfläche bieten. Stolz sind die Ingenieure vor allem darauf, dass sie ohne optisch störende Radabdeckungen auskommen konnten. Dafür geben sie dem Wagen ein Solardach mit auf den Weg, das im Idealfall über den sonnigen Tag verteilt noch einmal Strom für 25 Kilometer Strecke produziert.
Aber welche Erkenntnisse und womöglich sogar Komponenten lassen sich kurz oder zumindest mittelfristig in der Serie umsetzen? Als Antwort auf diese Frage haben die Mercedes-Techniker einen handelsüblichen GLC gestrippt und ihm den Antriebsstrang des EQXX verpasst. Der Akku enthält keine Zaubertechnologie, aber eine drastisch erhöhte Energiedichte. Mit 400 Wattstunden je Liter Volumen speichert das Hightech-Paket doppelt so viel Strom wie aktuelle Batterien – und beim Gewicht erreicht Mercedes durchaus eine Ersparnis von 30 Prozent.
Warum nicht gute Aerodynamik plus kleinerer Akku?
Der umgebaute GLC bringt natürlich trotzdem noch weit über zwei Tonnen auf die Waage. Doch in der späteren Serie muss ein Auto auch nicht zwingend mit einem 100 kWh-Pack herumfahren. In der Ladetechnologie treibt es Mercedes übrigens nicht gerade auf die Spitze, belässt es bei moderaten 100 kW. Das Argument der Ingenieure: Man müsse mit dem EQXX nicht so hastig laden, denn er schafft mit einer Akkuladung immerhin deutlich mehr als tausend Kilometer je nach Fahrweise.
Ein Serienauto mit relativ guter Aerodynamik und einem recht leichten 60-kWh-Akku wäre ein großer Schritt. So unrealistisch sind die Ziele gar nicht. Bei der Rückfahrt im EQE AMG weist das Display knapp 500 Kilometer Reichweite aus – bei einem Ladefüllstand von weniger als 90 Prozent. (SP-X)