Nissan: Mit e-4orce sicher über Eis und Schnee

Nissan: Mit e-4orce sicher über Eis und Schnee
Der Nissan Ariya im einsatz auf einer zugeschneiten Fläche. © Nissan

Nissan setzt auch in seinem Elektroauto Ariya auf die Kraft der vier Räder. Was der e-4orce-Antrieb kann, haben wir in Finnland zusammen mit dem X-Trail getestet.

Die Situation wirkt ganz schön schwierig: Der immerhin rund 2000 Kilo schwere Nissan Ariya steht an einem steilen Straßenabschnitt. Die linken Räder auf blankem Eis, die rechten auf festgefahrenem Schnee und ein bisschen Splitt.

Wie kommt man von hier weg, ohne zuerst einmal rückwärts zu rollen und Schwung zu holen? Ganz einfach: Man überlässt die Arbeit dem Allradantrieb. Denn der versorgt vollautomatisch nicht nur die vorderen und die hinteren Räder mit der jeweils nötigen Antriebskraft, sondern fein dosiert und gezielt auch die linken und die rechten. Bremspedal loslassen, ein Zeichen im Zentralinstrument zeigt, dass die Stopper bis zu fünf Sekunden von alleine zupacken. Dann hauchzart das Fahrpedal tätscheln. Nach einer winzigen Rutsch-Einlage des linken Vorderrads setzt sich das Elektro-SUV in Bewegung – und zieht locker den Berg rauf. Prüfung bestanden.

Der ultimative Begleiter

Nissan rühmt die Hard- und Softwareleistung des Systems in Ariya und X-Trail vollmundig als „ultimativen Begleiter für die Eroberung vereister Straßen und verschneiter Landschaften“. Jenseits dieser Marketing-Prosa zeigten ausführliche On- und Offroad-Testfahrten mit dem Voll- und dem Teilzeitstromer in Finnland deutlich, dass man mit eher schweren und ziemlich kräftigen E-Fahrzeugen auch unter verschärften und unfreundlichen Bedingungen so einiges anstellen kann. Wobei sich Ariya und X-Trail trotz weitgehend identischer Technik letztlich doch deutlich unterscheiden.

Nissan Ariya (l.) und X-Trail schlagen sich auch unter verschärften Bedingungen im finnischen Winter wacker. Foto: Nissan

Die insgesamt solidere und überzeugendere Gesamtleistung auf Eis und Schnee lieferte der X-Trail mit seinem E-Power genannten Antrieb ab. Bei dieser Kombination aus Elektromotor und Verbrenner dient der 1,5-Liter-Turbobenziner ausschließlich zur Stromerzeugung für die zwei E-Motoren der Allradversion.

213 PS Systemleistung

Die Systemleistung liegt bei 213 PS. Die feine Sensorik und die ultraschnellen Rechenprozesse des e-4orce-genannten Systems registrieren im 10.000stel-Sekundentakt Schlupf oder Antriebsbedarf an jedem einzelnen Rad und reduzieren oder erhöhen blitzartig die Unterstützung.

Besonders gut ist dieses „Mitdenken“ im Snow-Modus zu spüren, der die Reifen fast wie ein virtueller Klebstoff auf dem rutschigen Untergrund festzuhalten scheint. Auch wer mutwillig vor sich immer enger zuziehenden Kurven zu viel Gas gibt, wird nicht mit einem Abflug bestraft, sondern mit automatisch aufs rechte Maß reduziertem Drehmoment und gezielten Bremseingriffen auf Kurs gehalten.

Eine längere Leine lässt der X-Trail dem Menschen am Lenkrad im Standard- oder im Sportmodus. Allerdings sind die Drifteinlagen bei aktiviertem ESP auch hier weiter gut im Griff zu behalten. Erst wenn die Stabilitätskontrolle komplett ausgeschaltet ist, wird die Arbeit am Lenkrad richtig anspruchsvoll. Dann hat man tatsächlich alle Hände voll zu tun, um das SUV auf der freigeräumten Eisbahn zu halten.

Mehr Aufmerksamkeit im Stromer nötig

All das kann auch der mit einer Gesamtleistung von 306 PS aus zwei E-Motoren aufwartende Ariya, allerdings konzeptbedingt einen Tick weniger souverän. Wer hier das Fahrpedal nur kurz etwas mehr als nötig drückt, wird auch wegen des deutlich höheren und unmittelbar einsetzenden maximalen Drehmoments von 600 Nm (X-Trail: 300 und 157 Nm) mit intensiveren Drift- und Rutschaktionen überrascht als beim Hybrid-Bruder.

Beim direkten Vergleich auf Eis und Schnee hat der Nissan X-Trail (l.) leicht die Nase vor dem Ariya vorn. Foto: Nissan

Der Stromer erfordert mehr Aufmerksamkeit, er will etwas nachdrücklicher durch die Kurven gelotst und auf Kurs gehalten werden. Unterm Strich ist er aber immer noch ein vergleichsweise braver Begleiter. Denn Nissan hat bei der Abstimmung auf den extremen Beschleunigungs-Punch im Tesla-Stil verzichtet. Ein Trödler ist der Ariya natürlich dennoch ganz und gar nicht, aber im Vergleich mit anderen etwa gleich starken E-Mobilen gut im Griff zu behalten.

Spurhalteassistent meldet sich

Eine Eigenschaft, die sich speziell bei Fahrten auf Eis und Schnee als sehr positiv erweist. Wäre nicht der direkte Vergleich mit dem X-Trail, würde der Ariya dabei gute bis sehr gute Noten einfahren. Allerdings machen sich beim regelmäßigen Fahrzeugwechsel seine etwas indifferentere Lenkung und die Bremsen ohne richtig knackigen Druckpunkt bemerkbar.

Zudem zickte bei Fahrten auf vereisten Straßen mit unregelmäßig ausgefahrenen Rillen zwischendurch immer wieder mal der Spurhalteassistent. Der X-Trail wirkt in diesen Disziplinen einen Hauch überzeugender und ist etwas einfacher zu handhaben. Zumindest aktuell. Denn die Entwicklung schlauer und hilfreicher Software geht ja weiter. (SP-X)

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Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

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