«Lasst uns die Transformation als etwas Positives sehen»

ZF-Managerin Dhanashree Kad

«Lasst uns die Transformation als etwas Positives sehen»
Dhanashree Kad ist in der ZF-Division Elektrifizierte Antriebstechnologien Leiterin des Bereichs Sustainabilty und Diversity. © Privat/ZF

Dhanashree Kad ist bei ZF in der Division E Leiterin des Bereichs Sustainabilty. Im Interview spricht die Managerin u.a. über Herausforderungen auf dem Weg zur Klimaneutralität und soziale Aspekte der Transformation.

Der Technologiekonzern ZF hat sich ambitionierte Klimaziele gesetzt. Bis 2040 will das Unternehmen zur Klimaneutralität kommen. Eine der Mitarbeiterinnen, die zur Erreichung dieses Ziel beitragen soll, ist Dhanashree Kad (33). Sie ist in der ZF-Division Elektrifizierte Antriebstechnologien Leiterin des Bereichs Sustainability & Diversity. Zusammen mit ihrem 30-köpfigen Team (darunter 18 Frauen) setzt Kad alles daran, dass ZF sich dem Ziel der Klimaneutralität Schritt für Schritt annähert.

Bei dem vom einstigen ZF-Vorstand Wolf-Henning Scheider auf den Weg gebrachten Projekt der Klimaneutralität 2040 war sie von Tag eins mit dabei – und hat ihre Erfahrungen einfließen lassen. Sie bezeichnet es als ihre Leidenschaft, „Produkte für eine nachhaltige Zukunft zu entwickeln und das Unternehmen zur Klimaneutralität zu bringen – und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf dem Weg dorthin mitzunehmen“.

Schon als Kind für Umweltfragen interessiert

Kad arbeitet bei dem Technologiekonzern bereits seit zehn Jahren, hat gleich nach Ihrem Ingenieursstudium an der University Pune in West-Indien bei ZF als Trainee angefangen. „Mein Vater hat mir geraten, mich bei ZF zu bewerben.“ Ihre Eltern, so berichtet Kad, seien selbst sehr umweltbewusst, entsprechend hätte sie sich schon als Kind für die Belange der Umwelt interessiert.“ Europa sei für sie zudem immer ein Kontinent gewesen, „in dem ich arbeiten wollte. Hier ist man im internationalen Vergleich doch sehr progressiv unterwegs“.

In den zurückliegenden Jahren hat Kad bei dem Technologiekonzern verschiedene Stationen durchlaufen: in der Forschung & Entwicklung, der Materialwirtschaft und im Programm-Management. „Doch in allen meinen Tätigkeitsbereichen habe ich den Fokus auf die Nachhaltigkeit gelegt.“ Ihr Engagement für das Thema Nachhaltigkeit wurde von ZF früh erkannt – und gefördert.

ZF-Vorstand Stephan von Schuckmann. Foto: Michael Schulz/ZF

Im Dezember 2020 wurde sie von ZF-Vorstand Stephan von Schuckmann gefragt, ob sie das Thema für die ganze Division mit aufbauen wolle – sie wollte. „Es war die beste Entscheidung meiner bisherigen Laufbahn.“ In den Jahren zuvor hat die gebürtige Inderin viele internationale Erfahrungen gesammelt, hat in Deutschland und China gearbeitet. Derzeit leitet sie ihr in acht Ländern sitzendes Team von Detroit aus. Diese internationale Perspektive sei „superwichtig für die Entwicklung einer fundierten Nachhaltigkeitsstrategie. „Wenn wir nur von Europa aus Entscheidungen treffen würden, wüssten wir nicht, ob die auch in anderen Ländern umsetzbar sind.“

Weibliche Perspektive enorm wichtig

Neben der internationalen sei auch eine weibliche Perspektive wichtig. „In Mexiko habe ich ein Team von vier Personen – und es sind alles Frauen. Sie haben Leidenschaft, sie wollen etwas bewegen. Nachhaltigkeit ist ein Bereich, in dem Frauen verstärkt in den Vordergrund rücken.“

Durch diese internationale Perspektive in ihrem Team wisse man, dass die diskutierten und dann gefundenen Lösungen auch weltweit passen. Das müssen sie auch – denn ZF ist weltweit tätig. „Deswegen müssen wir die Herausforderungen berücksichtigen, die es in Ländern außerhalb Europas gibt.“ Entsprechend habe man ein großes Netzwerk in Südamerika, Indien oder China. Es seien Länder, wo man die für Europa passenden Überlegungen nicht eins zu eins umsetzen könne. Das trifft auch auf die Zulieferer in diesen Ländern zu. „Sie müssen beispielsweise rechtzeitig erfahren, was die Anforderungen an die EU-Taxonomie sind.“

Noch anspruchsvolle Ziele wünschenswert

Für die Klimaschutzziele braucht es eine CO2-Reduzierung. Foto: dpa
Für die Erreichung der Klimaschutzziele braucht es eine deutluche Reduzierung der Treibhausgasemissionen. Foto: dpa

So ambitioniert die Klimaziele von ZF im Wettbewerbsvergleich auch sind, Kad gehen sie angesichts der dramatischen Folgen des Klimawandels nicht weit genug. „Als Privatperson würde ich mir noch ambitioniertere Ziele wünschen“, sagt Kad, „denn derzeit ist es unklar, ob wir das 1,5 Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens überhaupt noch erreichen können“.

Der aktuelle Bericht des Weltklimarats zeichnete zuletzt ein dramatisches Bild der Klimafolgeschäden. ZF jedenfalls tue alles, um die Zielerreichung zu unterstützen. „Wir allein aber können es nicht stemmen, es ist eine Gemeinschaftsaufgabe. Es ist auch davon abhängig, wie sich das Thema der Elektromobilität bei den Autobauern weiterentwickelt.“
Und, wie schätzt Kad den Transformationswillen der Autobranche hin zu einer nachhaltigen Mobilität ein? Zu Beginn, so sagt sie, sei dieser bei vielen Herstellern nicht sehr ausgeprägt, sicherlich auch nicht intrinsisch geprägt gewesen. Vielmehr habe die Regulatorik in der EU mit ihren immer strenger werdenden CO2-Grenzwerten den Wandel hin zur E-Mobilität mitbestimmt.

IRA wichtiger Schritt für nachhaltige Wirtschaft

„Auch das Engagement von Fridays for Future hat das Thema Nachhaltigkeit stärker ins Bewusstsein der Endkunden gerückt.“ Das trifft auch auf die Wirtschaft zu, wie der Inflation Reduction Act der US-Regierung zeige. Dieser sei ein wichtiger Schritt für eine nachhaltigere Wirtschaft. Auch in Europa gehe es längst nicht mehr allein um Nachhaltigkeit, sondern um nachhaltige Innovationen. Das sei für sie enorm wichtig, so Kad. „Wie Tesla den Weg für die E-Mobilität geebnet hat, haben wir als ZF die Chance, die E-Mobilität nachhaltig in den Markt zu bringen.“

Die E-Mobilität in ihrer ganzen Wertschöpfungskette nachhaltiger zu machen, steht für Kad an erster Stelle ihrer Arbeit. „Es geht beispielsweise darum, wie wir den Einsatz Seltener Erden reduzieren, im Idealfall ganz auf sie verzichten können.“ Zudem sei es wichtig, dass man zu kleineren Produkten bei gleicher Performance komme. „Wir betrachten nicht nur die Climate-Impact-Kategorien, sondern die gesamte Ökobilanz.“

Transparenz in Lieferketten enorm wichtig

Dazu gehöre auch eine Transparenz in den Lieferketten. „Ohne die wird es schwer, unser Ziel der Klimaneutralität bis 2040 zu erreichen.“ Es ist ein Aspekt, der Kad und ihrem Team besondere Anstrengungen abverlangt. Denn viele der globalen Lieferanten seien teils Familienunternehmen, die nicht über die nötigen Ressourcen verfügen, den CO2-Fußabdruck ihrer Produkte zu bemessen. Dennoch müssten auch diese Lieferanten bei der Abgabe eines Angebots darlegen, wie nachhaltig sie produzieren. Wer dies nicht kann, der läuft Gefahr, ZF als Kunden zu verlieren. So wird ZF in Zukunft nicht mehr mit solchen Lieferanten zusammenarbeiten, die „unseren Anforderungen nicht gerecht werden“, sagt Kad. Nur so könne man garantieren, dass man seine Klimaziele erreiche. „Die gesamte Lieferkette muss zu unseren Klimazielen passen.“

Für Kad müsste bei der Diskussion um mehr Klimaschutz der soziale Aspekt viel stärker berücksichtigt werden. „Für mich gehört das zusammen. Durch den Klimawandel sehen wir eine Flüchtlingskrise, wir erleben eine Migrationsbewegung.“ Deshalb müsse das Thema Nachhaltigkeit ganzheitlich betrachtet werden, nicht allein unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten.

Doch führt die Transformation nicht auch zu Arbeitsplatzverlusten? Auch bei ZF ist das ein viel diskutiertes Thema. Die Diskussion um Arbeitsplatzverluste durch die Transformation habe es im Laufe der Geschichte immer wieder gegeben, sagt sie. „Sei es in der Landwirtschaft oder zu dem Zeitpunkt, als Autos die Pferdekutsche als Transportmittel ablösten. Jeder hat gedacht, dass Jobs verloren gehen, doch am Ende sind Arbeitsplätze hinzugekommen“, sagt Kad. Natürlich werde der ein oder andere Job nicht mehr gebraucht, doch es werden neue Berufe hinzukommen. „Deshalb: Lasst uns die Transformation als etwas Positives sehen.“

Nicht in einer Technologiediskussion verlieren

ZF will in seinem belgischen Werk Lommel auf Strom aus Windenergie setzen. Foto: ZF

Kad rät zudem dazu, sich nicht in einer Technologiediskussion zu verlieren, wie es zuletzt bei der Entscheidung um das Verbrenner-Aus 2035 in Europa der Fall war oder aktuell beim Heizungsgesetz, wo erneut von der FDP Technologieoffenheit eingefordert wird. „Es gibt viele Wege, die zur Klimaneutralität führen, deshalb sollte man auch Technologien nutzen, die uns schneller dorthin führen“, sagt die Managerin.

Und, wie schaut der bisherige Fortschritt von ZF auf dem Weg zur Klimaneutralität bis 2040 aus? Liegt man im Plan? „Ja, liegen wir.“ So lägen beispielsweise für alle 25 weltweiten Standorte der Division E von ZF detaillierte Pläne vor, wie dort bis zum nächsten Zwischenziel im Jahr 2030 die CO2-Minderungsziele hinzubekommen sind.“ Hilfreich sei dabei, dass ZF auch selbst im Geschäft mit Windrädern tätig sei. „Das hilft uns bei der Produktion von grünem Strom.“

Dort, wo möglich, setzt ZF auch auf die eigene Stromproduktion wie beispielsweise Solarenergie in einigen seiner Werke. Aber natürlich gäbe es nach wie vor Regionen, wo man nicht genau weiß, wie der Energiemix ist. Das sei auch in China anfänglich eine ziemliche Herausforderung gewesen. Doch selbst dort findet man Alternativen zur Kohleverstromung. „Sie sehen, die Richtung stimmt.“

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