ZF Heatbelt: Klick – erst gurten, dann wärmen

ZF Heatbelt: Klick – erst gurten, dann wärmen
Hinten die Sitzheizung, vorne der Gurt. So lassen sich im E-Auto bis zu 15 Prozent Reichweite gewinnen. © ZF

Heizen im E-Auto kostet Strom und damit Reichweite. Mit einem wärmenden Gurt will ZF Passive Safety Systems die Energie effizienter nutzen.

Natürlich hat der Winter seine schönen Seiten. Funkelnde Eiszapfen, glitzernder Raureif, knirschender Schnee. Sogar am Volant kann Freude aufkommen. Wann, wenn nicht jetzt, hätten Freunde der gepflegten Querfahrt bessere Bedingungen?

Wäre da nicht der Klassiker: Nach klirrend kalter Nacht ein Dreh am Schlüssel – und nichts funktioniert. Ein Viertel aller Pannen geht noch immer auf das Konto schlapper Batterien. Nicht, weil es beim Auto keinen Fortschritt gäbe – sondern genau deswegen. All die großen und kleinen Annehmlichkeiten verschlingen immer mehr Strom. Scheibenheizung, Sound-System, Infotainment, Gebläse und, und, und… Mit dem wachsenden Ampere-Hunger hat so ein Akku seine liebe Not.

E-Auto liefert keine Abwärme

Der im Elektroauto ganz besonders. Denn während der Verbrenner wenigstens noch Abwärme im Überfluss liefert, kommt beim Akku-Auto jegliche Energie aus der Batterie. Und die arbeitet nun mal bei Kälte nicht so gut. Jedes Grad Außentemperatur weniger bedeutet also ein Minus an Reichweite. Und wenn dann noch die verdammte Heizung so viel Strom zieht… Wer es also ein ganz klein wenig kuschelig haben möchte, begibt sich auf eine Gratfahrt zwischen Komfort und Radius.

Dem Geschäftsbereich für passive Fahrzeugsicherheitssysteme im ZF-Konzern ist da eine pfiffige Idee gekommen. Warum eigentlich unnötig den gesamten Innenraum wohltemperieren, wenn direkter Kontakt doch viel effizienter wärmt? Weiß man längst von der Sitzheizung, die aber ist nun mal dummerweise bloß für hinten. Vorne hingegen ist leider rein gar nichts bis auf – genau: den Gurt. Geboren war der „Heatbelt“.

In zwei Minuten bei 40 Grad

Durch den speziell gewebten Gurt ziehen sich zweimal zwei dünne Heizleiter. Foto: ZF

Dass ausgerechnet zwei Frauen ihn maßgeblich entwickelt haben, klingt furchtbar nach Frostbeulen-Klischee. Es sei aber reiner Zufall, sagt Martina Rausch, bei ZF verantwortlich für Neuerungen im Bereich Gurtband. Für die Idee hätten sich auch die Männer im Team sehr schnell begeistert. Ihr Chef, Lars Kübler, ist schon jetzt ein Fan der Technologie. „Es ist wie bei der Lenkradheizung, sagt der leitende Produktentwickler. „Wer sie erst einmal hat, will sie nicht mehr missen.“

Das System ist im Grunde ziemlich einfach. Nur draufkommen muss man halt. Vier Heizleiter mit 0,4 Millimeter Stärke durchziehen das speziell gewebte Gurtband auf 1,4 Meter Länge und gut drei Zentimeter Breite. Binnen zwei Minuten nach dem Start des Wagens geben sie – elektronisch gesteuert – um die 36 bis 40 Grad an den Oberkörper ab. Je weniger eingemummt der ist, umso besser. Kollateralnutzen ist die Sicherheit. Ohne dicke Jacke liegt der Gurt enger an und kann im Falle eines Unfalls seinen Job besser erledigen.

Kontaktwärme statt Raumklima

In der „Kabine der Zukunft“ werde es eher kein Raumklima mehr geben, sagt Rausch. Stattdessen mehr Kontakt. „Der Heatbelt war für diese Idee genau das Missing Element“. Schließlich verbraucht die direkte Wärmezufuhr im Sitz nur rund 100 Watt, die im Volant rund 50, der Gurt 68. Insgesamt, so Rausch, könnten durch konsequente Kontaktheizung in der kalten Jahreszeit um die 15 Prozent an Reichweite gewonnen werden.

Dank des direkten Körperkontakt besteht ein schnelles Wäremegefühl. Foto: ZF

Sämtliche Sicherheitsnormen werden selbstverständlich erfüllt, verspricht Kübler. Auch sonst verhält sich der Heatbelt wie jeder andere Gurt – und er soll wie gewohnt ein Autoleben lang halten. Einen zusätzlichen Vorteil habe das System obendrein, sagt Rausch. Da es mit Ausnahme der Stromzuführung über den Endbeschlag und ein bisschen Elektronik keine besonderen Bauteile benötigt, könne es – etwa beim Facelift eines Modells – problemlos vom Hersteller nachgerüstet werden.

Zu den Kosten hält sich ZF Passive Safety Systems noch bedeckt. Der Mehrpreis stehe aber in einem guten Verhältnis zum Wohlbefinden, verspricht Kübler. Und: Der erste Serienauftrag ist auch schon unter Dach und Fach. Für 2025 steht die Einführung an. Bis dahin gilt: Wer wirklich weit kommen will im E-Auto, muss notgedrungen verzichten. Im Grunde auf alles, was irgendwie Strom zieht. Bevorzugt auf die Beheizung der Heckscheibe. Kleiner Nebeneffekt. Beim Kratzen wird einem auch gleich ein bisschen warm.

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