Togg T10F: Schnittiges Elektroauto vom Bosporus

Prototyp auf CES enthüllt

Togg T10F: Schnittiges Elektroauto vom Bosporus
Ein seriennaher Prototyp des Togg T10F wurde auf der CES in Las Vegas präsentiert. © Wolfgang Plank

Mit dem T10F stellt das türkische Unternehmen Togg sein zweites Elektro-Auto vor. Der Deutschland-Start ist noch für dieses Jahr geplant.

Von einem simplen Auto spricht Gürcan Karakas nicht gerne. Der Chef des türkischen Herstellers Togg sieht im neuen T10F eher ein „intelligentes Gerät“ und also keineswegs etwas, um nur von A nach B zu kommen. Soll heißen: eine Art Computer mit Rädern. Ab Ende des Jahres soll das Elektroauto in Europa und vor allem in Deutschland verkauft werden, bei der CES in Las Vegas haben sie jetzt schon mal das Tuch von einem seriennahen Prototypen gezogen.

Nach dem Kompakt-SUV T10X, für das binnen zwei Wochen 177.000 Vorbestellungen eingingen, ist der 4,60 Meter lange Fastback das zweite Modell des gerade mal sechs Jahre alten Unternehmens. Mit selbstbewusstem Bug, langgezogenem Dach, kräftigen Schultern und einem fast schon minimalistischen Cockpit, bei dem eine 12-Zoll-Anzeige mit einem 29-Zoll-Multimedia-Display zu einem Bildschirm im Breitwandformat verschmelzen.

Silhouette von Pininfarina

Der Innenraum im Togg T10F wird von einem großer Display domoiniert. Foto. Wolfgang Plank

Der T10F basiert auf derselben Plattform wie das SUV und bringt es auf 1,56 Meter Höhe und einen Radstand von 2,89 Metern. Je nach Version und Ausstattung lieg das Gewicht zwischen 1,94 und 2,21 Tonnen. Die Silhouette entstand in Zusammenarbeit mit dem legendären italienischen Designstudio Pininfarina. Gedacht ist die mit einem cw-Wert von knapp unter 0,23 überaus schnittige Linienführung als Verbindung des emotionalen Ostens mit dem rationalen Westen.

Garniert ist das Ganze mit Leuchten in Form eines Bumerangs, einem Grill mit der Tulpe als Symbol der Türkei und diversen aerodynamischen Spielereien. Davon abgesehen ist der T10F ein rollender Hotspot, über den seine Insassen ständig connected sind. Selbstverständlich sind auch technische Updates „Over the Air“ möglich. Vom Band rollen die Togg-Modelle in der Hafenstadt Gemlik.

Platz hat’s vorne reichlich. Nicht ganz so bequem geht es trotz einer sensationellen Überkopfverglasung in zweiter Reihe zu – aber ohne ein bisschen Demut vor dem Design sitzt sich’s halt nicht. Hinter dem ordentlich konturierten Gestühl packt der T10F 500 Liter weg, mit umgeklappten Rücklehnen wächst das Gepäckabteil auf 1,35 Kubikmeter.

Reichlich Assistenzsysteme

Rund um das Lenkrad sieht alles höchst aufgeräumt aus, ja geradezu minimalistisch. Beim Interieur macht sich der Viertürer schön angreifbar. Statt Hartplastik findet sich jede Menge Umschäumtes, Bespanntes und Gestepptes. Auch nach unsauberen Spaltmaßen sucht man vergebens. Sehr viel einladender kriegt man es auch bei Deutschlands Produzenten nicht. Sicherer übrigens ebenso wenig. Schon in der Basisversion wahrt der T10F Tempo, Spur und Abstand, erkennt Verkehrszeichen, späht in Querverkehr und tote Winkel, assistiert im Stau und wirft im Notfall selbstverständlich den Anker.

Angeboten wird der T10F mit zwei Batteriegrößen. Ein 52,4-kWh-Akku verspricht maximal 350 Kilometer, die Long-Range-Variante speist sich aus einem Stromspeicher mit 88,5 kWh und soll es auf 600 offizielle Kilometer bringen. In Schwung gebracht wird der zwischen 1,95 und 2,16 Tonnen schwere Wagen mit 160 kW (218 PS) an der Hinterachse. Den Standard-Spurt erledigt das Basismodell in 7,2 Sekunden, die LR-Version braucht aber auch bloß zwei Zehntel länger. Bei 175 Sachen ist Schluss. Auch in der Türkei weiß man: Dynamik kostet Distanz.

Top-Modell mit Allradantrieb

Togg-Chef Gürcan Karakas. Foto: Wolfgang Plank

Allerdings gilt auch im Elektro-Zeitalter der Satz von Rallye-Ikone Walter Röhrl, wonach ein Auto mit zwei getriebenen Rädern eben bloß eine Notlösung ist. Dieses Prinzip haben sie bei Togg beherzigt und beim stets mit der großen Batterie ausgestatteten Top-Modell an die Vorderachse noch einen weiteren Motor mit 160 kW (218 PS) gepackt. Die Tacho-Anzeige ist dort schon nach 4,6 Sekunden dreistellig, der maximale Radius liegt immerhin noch bei 530 Kilometern.

Doch egal, wie sportlich oder sparsam man fährt: Irgendwann muss das rettende Kabel her. Wie es bei Togg heißt, vergehen von 20 auf 80 Prozent an einer 180-kW-Gleichstrom-Säule 28 Minuten. Für die Ladung an der Wallbox stehen neben den serienmäßigen 11 kW Ladeleistung optional auch 22 kW zur Verfügung. Besonders praktisch: Über die „Vehicle-to-Load“-Funktion lässt sich aus dem Akku Saft für die Versorgung externer Geräte zapfen. Bis zur Selbstaufgabe allerdings geht die Stromspende nicht. Sie endet, sobald die eigene Ladung unter 20 Prozent sinkt.

Verkauf per Internet

Trotz des schicken Modells ist das ganze Togg-Projekt nicht ohne Risiko. Immerhin will der türkische Autobauer einen Deutschland-Start gleichsam aus dem Nichts hinlegen – noch gibt es keine Niederlassungen und kein Werkstattnetz. Verkauft wird direkt über das Internet, Anlaufstellen für Probefahrten sind nach und nach in großen Städten geplant. Den Kundendienst sollen Partner übernehmen, im Gespräch sind dabei unter anderem Bosch-Servicestationen. Bei tiefgreifenderen Reparaturen soll der Wagen aber auch abgeholt und gebracht werden.

Schnittig gezeichnet: der Togg T10F. Er soll noch 2024 in Deutschland auf den Markt kommen. Foto: Wolfgang Plank

Allerdings besteht zu echter Sorge wenig Anlass. Schließlich steht das 2018 gegründete Unternehmen mit Sitz in Gebze unter dem ausdrücklichen Segen des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan. Dieser hatte schon in den 2010er-Jahren eine Initiative zur Produktion eines Autos aus türkischer Produktion gefordert. Es war auch Erdogan persönlich, der 2019 die ersten beiden Togg-Modelle vorstellte – und er gab das Versprechen, der türkische Staat werde 30.000 Fahrzeuge der Marke abnehmen.

Wie viele Togg-Modelle in Deutschland Abnehmer finden, dürfte sicherlich auch eine Frage des Preises sein. Offiziell hält sich das Unternehmen dazu noch bedeckt, kolportiert werden Summen knapp unter 50.000 Euro. Durchaus möglich, dass die Konkurrenz aus dem Osten bald sehr viel näher liegen könnte als China.

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