Ein E-Antrieb für Rennräder? Das ist eine Glaubensfrage. Doch immer mehr Hersteller nehmen es ins Angebot auf. So auch Focus mit dem Paralane2.
Eines steht schon nach wenigen Kilometern mit dem Focus Paralane2 fest. Für wirklich sportlich ambitionierte Rennradfahrer lohnt sich die Anschaffung der in diesem Fall 6000 Euro teuren Maschine nicht.
Wer generell so kräftig aufs Pedal drückt, dass das Tempo im Durchschnitt kaum unter 30 Kilometer pro Stunde liegt, der schleppt bei diesem Rad nur unnötig Gewicht mit. Auf die Vorteile, die es aufgrund der elektrischen Unterstützung an extrem steilen Rampen fraglos gibt, können und vermutlich auch wollen diese Sportler verzichten.
Akku und Motor wiegen 3,3 Kilo
Dessen ungeachtet zeigen die Ausfahrten mit dem Focus Paralane2 aber auch, dass die Focus-Entwickler hier einen extrem guten Job gemacht haben. Denn sie haben ein Rennrad konzipiert, dem der E-Antrieb eigentlich nicht anzumerken ist. Wie das? Zum einen bringt das Sportgerät trotz der um die 3,3 Kilogramm wiegenden Einheit aus Akku und Motor lediglich 13 Kilogramm auf die Waage. Focus greift bei dem System wie schon im MTB-Bereich auf die bewährte Technik des Münchner Herstellers Fazua zurück.
Der hatte sich bei der Entwicklung zum Ziel gesetzt, das natürliche Fahrgefühl eines Rads ohne E-Antrieb beizubehalten. Das ist ohne jeden Zweifel gelungen. Das Paralane2 fährt sich mindestens so gut, wie viele andere Rennmaschinen mit ähnlicher Rahmen-Geometrie. Die nämlich erinnert ebenso wie der relativ große Durchlauf in der Gabel oder im Hinterbau ein klein wenig an ein Gravel-Bike. Mit entsprechender Bereifung sind Ausritte über Wald- oder Feldwege kein Problem.
Tiefer Schwerpunkt
Das Handling des Paralane2 ist schön direkt, da der Schwerpunkt sehr tief liegt. Grund dafür ist die im Unterrohr installierte Antriebseinheit mit dem darunter liegenden Tretlagergetriebe, das die elektrische Unterstützung direkt auf die Kette bringt. Um das System vor der Fahrt zu aktivieren, muss die Einheit aber erst einmal aus dem Unterrohr entnommen werden. Den Startknopf haben die Konstrukteure am Akku und nicht an der Bedieneinheit am Lenker angebracht.
Das Aus- und Einklicken der Antriebseinheit ist zwar nicht schwierig, aber doch umständlich. Das Vorderrad muss eingeschlagen sein, ehe mit einem Knopf auf der Oberseite des Unterrohrs die Verriegelung gelöst wird und das System herausfällt. Ja, es fällt tatsächlich. Es sind schon einige Übungseinheiten notwendig, um Aus- und Wiedereinbau reibungslos hinzubekommen. Gesteuert wird die Unterstützung dann in drei Stufen mit 125, 250 oder 400 Watt über ein Modul am Lenker. Hier ist auch der Ladestand der Batterie abzulesen, eine Restreichweite allerdings wird nicht angezeigt.
Unterstützung bis Tempo 25 km/h
Die elektrische Unterstützung wirkt, wie bereits beschrieben, bis Tempo 25. Dann aber doch deutlich spürbar. Absolut übergangslos koppeln sich Motor und Tretlagergetriebe ab, wenn es schneller wird. Anders als bei einigen anderen Pedelecs muss bei flotterer Fahrt auch nicht gegen einen Widerstand angetreten werden. Der Focus-Renner rollt weiter geschmeidig dahin, saugt in diesen Phasen auch keinen Strom aus dem Akku.
Das macht sich bezahlt, wenn es bei Anstiegen hochprozentig wird. Passagen, die sonst nur strapaziös im Wiegetritt zu meistern sind, können je nach Wahl der Stärke der elektrischen Unterstützung entweder ein wenig leichter oder gar im Sitzen überwunden werden. Dass der Puls dennoch hoch geht und der Schweiß rinnt, dürfte klar sein. Ohne Druck aufs Pedal geht es halt auch mit E-Antrieb nicht.
Batterie muss herausgenommen werden
Das Antriebssystem lässt sich übrigens vor der Ausfahrt bei Bedarf auch demontieren. Ohne entsprechende Schutzabdeckung ist das allerdings nicht zu empfehlen, da die Steckverbindungen verdrecken können. Das Laden der Batterie direkt am Rad ist nicht möglich. Die Einheit muss zur Energieversorgung grundsätzlich ausgebaut werden.
Das Testrad mit Carbon-Rahmen und -Gabel – vier Rahmengrößen stehen zur Wahl – war mit der Shimano Ultegra-Serie (Kassette 11-34), FSA Alukurbeln (Kettenblätter 50/34), DT Swiss-Laufrädern und erstaunlich gut rollenden 28 Millimeter breiten Continental Grand Prix 4Season-Reifen bestückt. In der Spitzenversion bietet Focus das Paralane2 mit Dura Ace und elektrischer Schaltung an. Laufräder, Lenker und Tretkurbeln sind in dieser Version ebenfalls aus Carbon gefertigt. Dann kostet der Renner mit E-Antrieb 10.500 Euro. (SP-X)