Kia hat mit dem Niro dem Thema Hybrid eine neue Note verteilt. Sicher spart der Crossover dank der elektrischen Unterstützung, doch nabelt sich der Kompakte von den hybriden Vorgängern ab.
Viele Jahre galt: Wer Hybrid sagt, denkt Toyota Prius fast automatisch mit, denn das Kompaktmodell der Japaner war lange das einzige Angebot mit dem umweltfreundlicheren Doppelantrieb aus Benzin- und Elektromotor. Mittlerweile bestimmen die reinen Elektroautos die Diskussion und bei Hybriden wird oft „Plug-in“ mitgedacht, weil die größeren und an der Steckdose nachladbaren Batterien dieser Modelle rein elektrische Fahrten von bis zu 50 Kilometern ermöglichen. Aber der klassische, preisgünstigere Hybridantrieb, bei dem ein relativ kleiner E-Motor vor allem der Unterstützung des Verbrenners beim Anfahren und Beschleunigen dient, ist noch nicht tot. Und unser Testwagen ist dafür ein sehr gutes Beispiel.
Im Kia Niro arbeitet neben dem 1,6-Liter-Benziner mit 77 kW/105 PS ein gar nicht mal so leistungsschwacher E-Motor mit 32 kW/44 PS. Man kann diese Werte nicht einfach addieren, aber die Systemleistung beider Antriebe liegt zusammen immerhin bei 103 kW/140 PS. Entsprechend flott fährt sich der Koreaner. Natürlich merkt man den Elektroantrieb vor allem beim Anfahren. Entweder unterstützt er wirkungsvoll den Verbrenner und gibt dem eigentlich eher schwächlichen Ottomotor das entscheidende Quäntchen Agilität oder man kann sogar bei sehr sensiblen Gasfuß die ersten Meter rein elektrisch rollen, etwa um die Nachbarschaft am frühen Morgen nicht aus dem Bett zu schmeißen. Das zweite Haupteinsatzgebiet des E-Motors: Er unterstützt beim verbrauchsintensiven Beschleunigen.
Kia Niro mit Doppelkupplung statt CVT-Getriebe
Im Vergleich zu dem seit diesem Jahr schon in vierter Generation angebotenen Toyota Prius, sozusagen dem Mutterschiff aller Hybride, hat der Kia Niro zwei Vorteile. Erstens: Während beim Prius die Kraft der Motoren vollkommen flexibel über ein Planetengetriebe verteilt wird, setzten die Ingenieure des Hyundai-Konzerns auf ein Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebe. Das erlaubt einen „europäischeren“ Fahrstil als das wie ein CVT-Getriebe arbeitende Gegenstück beim Prius.
Und Zweitens: Während das Design des Prius polarisiert und letztlich wenig auf den hiesigen Geschmack Rücksicht nimmt, ist der Niro optisch wesentlich gefälliger. Wir erhielten während unserer zwei Testwochen sogar manches Lob von Passanten und Autofahrern für die Arbeit der Gestalter aus dem Hyundai-Konzern unter Leitung von Peter Schreyer. Ja, beides muss noch einmal erwähnt werden: Die Koreaner setzen auf den deutschen Designer und lassen zumindest optisch damit so manche japanische Marke alt aussehen. Und ja, Kia gehört zum Hyundai-Konzern und soll dort eher die sportliche und jüngere Ecke besetzen. Bei Hyundai heißt der Niro übrigens Ioniq, den es aber nicht nur in einer Hybrid-, sondern ab kommendem Jahr auch in einer reinen Elektro-Auto-Variante und später sogar als Plug-in geben wird.
Viel Platz im Kia Niro
Und wie ist der Niro nun so im Alltag? Dafür, dass die Koreaner im Vergleich etwa zu Toyota ja recht spät der Hybrid-Technik loslegen, ist der Fünfsitzer ein sehr routiniert gemachtes Auto. Alles funktioniert einwandfrei und dank des Doppelkupplungsgetriebes kommt sogar so etwas wie Fahrspaß auf. Da lässt sich die relativ gefühllose Lenkung und das nicht wahnsinnig komfortable Fahrerhalten sogar verschmerzen.
Außerdem bietet der Niro dank seines glasklaren Designs auf seinen 4,26 Metern Gesamtlänge überraschend viel Platz – auch hinten. Der Kofferraum fällt mit 427 Litern dagegen leicht unterdurchschnittlich aus, dafür kann man nach Umlegen der Rücksitze bis zu 1425 Liter Gepäck einladen, fast schon ein Kombi-Wert.
Kia Niro überrascht positiv
Einen grundsätzlichen Nachteil der Hybrid-Technik kann natürlich auch der Kia nicht ausgleichen: Man fährt wegen der gleich zwei Motoren ein relativ schweres Auto, was sich spätestens bei flotterer Fahrt bemerkbar macht. Solche Fahrzeuge sind halt für den Stadtverkehr oder zum Cruisen gemacht, geht es auf die Landstraße oder gar die Autobahn, steigt der Verbrauch mit dem angesichts des Gewichts von je nach Ausstattung bis zu knapp 1,6 Tonnen dann doch überforderten Benziners deutlich an. Trotzdem: Wer sich den typischen vorausschauenden Hybridstil mit leichtem Gasfuß zu eigen macht, wird beim Niro mit Verbräuchen von rund fünf Litern auf 100 Kilometern belohnt.
Ein guter Wert, der zum Gesamteindruck von diesem Fahrzeug passt. Der ab rund 25.000 Euro erhältliche Niro ist in Sachen Optik und Antrieb eine echte (positive) Überraschung, so als hätte Kia schon lange Jahre Erfahrung mit der Hybrid-Technologie. Gut also, dass es für Freunde dieses Antriebs nun ein weiteres vielversprechendes Angebot gibt. (SP-X)