Fiat 500X: Erinnerungen an den Thermomix

Fiat 500X: Erinnerungen an den Thermomix
Der Fiat 500X ist ein ideales Stadtauto. © Fiat

War das nun mein Handy oder deins? Oder hat da nur der Thermomix zum Essen geklingelt? Heutzutage heischen derart viele digitale Tonfolgen um unsere Aufmerksamkeit, dass sie kaum mehr wirklich den Weg vom Ohr ins Bewusstsein schaffen. Beim Fiat 500X ist das anders.

Das Mini-SUV warnt so eindringlich vor Hindernissen vor oder neben dem Fahrzeug, dass man gar nicht weghören kann. Das ist nicht unbedingt schön – aber sicherlich sicher.
Die akustische Alarmstimmung passt eigentlich gar nicht zu Fiats vor drei Jahren aufgelegtem Mini-SUV. Der große Adoptiv-Bruder des Fiat 500 ist eigentlich ein eher entspannter Vertreter seiner Art.

Das von dem erfolgreichen Kleinstwagen entlehnte Retro-Design verzichtet auf jede modische Aggressivität und macht den Fiat zum wohl sympathischsten Crossover auf deutschen Straßen. Dazu kommen ein kultivierter Turbobenziner und ein von Hektik freies Fahrverhalten. Aber der Reihe nach.

Keine Gemeinsamkeit mit Fiat 500

Das Cockpit des Fiat 500X. Foto: Fiat

Auch wenn es der Name andeutet: Der ab 16.500 Euro angebotene Fiat 500X hat bis auf den Retro-Stil nichts mit dem Fiat 500 zu tun. Unter dem rundlichen, aber – im Vergleich mit dem aufgeblasenen Mini-Van 500L – durchaus straffen Blechkleid steckt der Mini-Geländewagen Renegade von Konzernschwester Jeep. Zu sehen ist die Verwandtschaft aber selbst innen nicht.

Dort überzeugt der Fiat mit liebevollem Design im klassischen Cinquecento-Stil, angenehmen Materialien und größtenteils ordentlicher Verarbeitung. Das Platzangebot vorne ist gut, im Fond geht es hingegen wie bei kleinen Crossovern üblich recht eng zu. Und auch der Kofferraum erfüllt das SUV-Versprechen des großen Raumvorteils nur bedingt. Nicht besonders praktisch sind zudem die die hohe Ladekante und die weit in den Innenraum ragenden Radkastenverkleidungen, die die Nutzbarkeit des Gepäckabteils einschränken. Allesamt keine ungewöhnlichen Schwachstellen für ein kleines SUV. Dem Charme, den der Italo-Amerikaner auf die geneigte Kundschaft ausübt, wird das daher wohl kaum schaden.

Fiat 500X gefällt in der Stadt

Ebenso wenig das etwas undefinierte Fahrverhalten. Das Fahrwerk fällt zwar generell straff aus, eine flottere Fahrweise aber wird direkt von der sehr indirekten Lenkung ausgebremst. In der Stadt überzeugt zumindest deren Leichtgängigkeit. Und auch wenn der große Wendekreis dem kleinen Auto dort etwas von seiner Handlichkeit nimmt, ist das urbane Umfeld perfekt für den recht übersichtlichen und kurzen Hochbeiner. Auf Überlandstrecken hingegen neigt die Karosserie bei welliger Straße und hohen Geschwindigkeiten zu einem Nachschwingen, das auch beim Bremsen und Beschleunigen als unangenehm empfunden werden kann. Durchwegs überzeugend agiert hingegen der 103 kW/140 PS starke 1,4-Liter-Turbobenziner des Testwagens.

Die Urvariante des Vierzylinders zählte im vergangenen Jahrzehnt zu den ersten Downsizing-Motoren, hat über die Zeit aber nichts von seiner guten Laufkultur, dem kräftigen Durchzug und der hohen Elastizität eingebüßt. Nur der Verbrauch könnte deutlich niedriger ausfallen: Die Normangabe von 6,0 Litern bei der frontgetriebenen Variante übertrifft der 500X in der Praxis um gut zwei Liter. In der Stadt tendiert der Wert sogar in Richtung Zweistelligkeit.

Ein echter Warnton

Fiat 500X.
Das Heck des Fiat 500X. Foto: Fiat

Die Rechnung an der Tankstellenkasse dürfte einen am Ende aber kaum schocken. Denn schon vor dem ersten Kraftstoff-Fassen ist der Fahrer genau wie seine Mitinsassen nervlich durchgestählt. Und das liegt am erwähnten Warnton der eigentlich kritiklos guten Assistenzsysteme. Das Geräusch ist derart durchdringend und drängend, dass man sich bei seinem ersten Erklingen schon mitten im Voll-Crash wähnt. Der Warnton ist hier eben noch ein echter Warn-Ton – und kein halbgares Tüdelidü oder Pulsieren wie bei anderen Herstellern.

Am Anfang möchte man wutentbrannt alle Helferlein abschalten. Fährt man sich aber auf den 500X ein, entfaltet der nervenzerrende Ton seine erzieherische Wirkung. Ist man vorher beim Überholen noch knapp (wenn auch weit entfernt vor zu knapp) vor dem Nebenmann eingeschert, lässt man nun ein paar Buslängen Platz, weil sonst der Totwinkelassistent anschlagen würde. Und auch an der Ampel bremst man deutlich früher als sonst. Aus Sorge, den stimmstarken Abstandswächter nochmals aufzuwecken. Am Ende passt der unpassend schrille Warnton dann eben doch zum entspannten Charakter des Fiat 500X – indem er den Fahrer von allzu großer Hektik abhält. (SP-X)

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Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

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