The Next Ora: Der Schritt zur großen Limousine

The Next Ora: Der Schritt zur großen Limousine
Auf 4,87 Meter streckt sich das zweite Modell des chinesischen E-Auto-Herstellers Ora © Ora

Der chinesische Hersteller Ora präsentiert sein zweites E-Modell. Noch ohne Namen, aber mit viel Technik und hohem Selbstbewusstsein.

Mut haben sie bei Ora. Da stellt die junge chinesische Elektromarke ihr zweites Modell für Anfang kommenden Jahres vor – und hat dafür noch nicht mal einen Namen. „The Next Ora“ lautet die vorläufige Bezeichnung. Nach dem Premierenauto „Funky Cat“, was übersetzt „Verrückte Katze“ bedeutet. „Lightning Cat“ wie in China soll der Namenlose hier zu Lande jedenfalls nicht heißen. So viel steht zumindest fest.

Und auch, dass Ora nach dem eher kompakten Erstling nun mal zeigen will, was am anderen Ende so möglich ist. Auf stolze 4,87 – und damit das Maß eines VW Multivan – streckt sich der glatte Viertürer, der vorne seinem Markenbrüderchen ähnelt, am Heck indes eher einem frühen Porsche Panamera. So oder so: In sich stimmig ist das Ganze. Optischer Gag: Beim Druck auf die Sport-Taste hebt sich ein Heckspoiler, der eingefahren so aussieht, als sei er die logische Verlängerung eines ohnehin schon sehr langen Glasdachs.

Allrad-Version mit 408 PS

Das Heck erinnert ein wenig an den frühen Porsche Panamera. Foto: Ora

Abseits des Namens darf auch über den Vortrieb noch ein wenig gerätselt werden. Fix ist eine 300 kW (408 PS) starke Allrad-Version, die sich aus einer 86-kWh-Batterie speist und 430 Kilometer Radius schaffen soll. Allerdings nur dann, wenn man nicht dem Standardspurt in 4,3 Sekunden und dem Maximaltempo von 180 frönt. Ohne Motor im Heck und daher vermutlich mit der halben Leistung auskommen müssen wird wohl das Basismodell. Dort wird dann alternativ auch ein 67-kWh-Akku angeboten. Genaue Reichweiten sind noch Geraune. Nicht hingegen, dass man sich mit 8,7 Sekunden und Tempo 170 begnügen muss.

So oder so ist der Saft irgendwann alle. An der heimischen Wallbox dauert die volle Ladung 11,5 Stunden, für den großen Akku zwei Stunden mehr. Mit Gleichstrom (maximal 85 kW) geht’s in 36 Minuten auf 80 Prozent, bei der 87-kWh-Batterie dauert die Prozedur sieben Minuten länger.

Sehr konkret ist Ora auch in Sachen Qualität. Wenig Hartplastik, stattdessen jede Menge Umschäumtes, Bespanntes und Gestepptes. Selbstverständlich tierfrei. Auch nach unsauberen Spaltmaßen sucht man vergebens, obwohl da beinahe noch ein Prototyp auf dem Drehteller steht. Immerhin will man unter anderen Hyundais Ioniq 6 herausfordern.

Vorne sitzt man überaus kommod, aber dennoch schön eingefasst – den Blick auf digitale Rundinstrumente und einen querformatigen Touchscreen. Besonders erfreulich: Es gibt noch Drehregler und Schalter auf der zu schweben scheinenden Mittelkonsole. Platz in zweiter Reihe hat’s dank 2,87 Meter Radstand ebenfalls sehr auskömmlich – trotz fallender Dachlinie. Für Fracht bleiben indes gerade mal kolportierte 330 Liter. Trösten kann man sich mit einer einstellbaren Licht-Animation der Scheinwerfer – und das Einparken wird auf Wunsch ebenfalls erledigt.

Kein „Lady-Mode“ in Deutschland

Erfreulich: Auf der zu schweben scheinenden Mittelkonsole gibt es noch Schalter und Drehregler. Foto: Ora

Auch über eine Sport-Einstellung verfügt der nächste Ora. Für kurzzeitig mehr Power samt verhärtetem Fahrwerk und gestraffter Lenkung. Nicht in Deutschland kommen wird hingegen der in China beliebte „Lady-Mode“. Mit reduzierter Motorleistung, Assistenten-Alarm und Bedienung sämtlicher Frauen-Klischees. In den hiesigen Gleichstellungsstellen würden sie vermutlich Schreikrämpfe bekommen.

Und Next Ora könnte es sogar hören, weil er auf Sprache reagiert. Die sicherste Art, mit einem Auto Kontakt aufzunehmen. Reden lenkt den Blick nicht ab, erfordert keine Gesten – und wer Alexa oder Siri von zuhause kennt, dem ist diese Art der Kommunikation durchaus geläufig. Per Zuruf kann auch das neue Modell Schiebedach, Kofferraum und die rahmenlosen Fenster öffnen, die Sitzheizung starten oder den Weg zur nächsten Cafeteria weisen.

Wer die kleine Kamera an der A-Säule nicht scheut, erfährt weitere Annehmlichkeiten. Dank Gesichtserkennung stellt Ora II automatisch Sitz und Spiegel ein, startet Heizung, Massage und Ventilatoren – und wechselt auf den bevorzugten Radiosender. Die erforderlichen Daten werden laut Ora nach deutscher Rechtslage auf deutschen Servern gespeichert. Wer da mit Blick auf China dennoch zweifelt – der Zugriff lässt sich einschränken oder ganz verweigern. Wer aber alle Vorzüge genießen will, muss auch preisgeben.

Keine Diskussion gibt es beim Thema Sicherheit. Die Assistenzsysteme inklusive autonomer Fahrt auf Level 2+ sind absolut auf der Höhe der Zeit – das Chassis vermutlich auch. Vorbei die 2000er-Jahre, in denen sich dreiste Nachbauten aus Fernost bei ADAC-Crashtests förmlich um die Barrieren wickelten. Es sollte zwei Jahrzehnte dauern, bis dieser Makel aus dem Gedächtnis geraten würde. Ganz besonders in Deutschland. Dort schätzt man Insassenschutz seit jeher ganz besonders.

Einstiegsmodell wohl über 50.000 Euro

Im Sport-Modus fährt ein Heckspoiler aus, der eingeklappt aussieht wie eine Verlängerung des Glasdachs. Foto: Ora

Mittlerweile haben sich die Verhältnisse umgekehrt. Autos aus dem Reich der Mitte tragen fünf Sterne nicht mehr nur auf der Nationalflagge, sondern reihenweise in Zertifikaten renommierter Tests. In den fünf Fahrzeugklassen von EuroNCAP kamen 2022 keine Sieger mehr aus Europa – dafür aber gleich zwei aus China. Bei den Kompaktwagen war es der Ora „Funky Cat“. Auch ein Verdienst der Konzernmutter Great Wall Motor (GWM).

Das alles hat seinen Preis. Welchen genau ist ein Geheimnis. Bei so viel Technik sei klar, dass die Autos keine Billigprodukte sein könnten, hatte Ora-Deutschland-Chef Jens Schulz schon bei der Vorstellung des „Funky Cat“ gesagt. Man sei auf Augenhöhe mit den direkten Wettbewerbern und werde sich ganz sicher keinen Preiskampf liefern. Warum auch? Die Bekanntheit der noch jungen Marke nehme beständig zu, sagt Ora-Sprecher Jörg Machalitzky. Bei den Verkäufen sei man im Plan. Apropos Plan: Vom Ora II – oder wie immer er heißen mag – sollen im ersten Jahr 1500 Exemplare an den Mann oder die Frau gebracht werden. Ganz sicher auch an die Firma. Um die 40 Prozent wird wohl der Anteil der Geschäftskunden liegen.

Gut über 50.000 Euro allerdings wird man für das Einstiegsmodell wohl anlegen müssen – für die Top-Version ganz sicher um die 10.000 Euro mehr. Dafür gibt’s allerdings auch jede Menge Auto inklusive fünf Jahre Garantie ohne Begrenzung und acht Jahre (bis maximal 160.000 Kilometer) für den Akku.

Und wer sich weder für „Funky Cat“ noch den „Next Ora“ erwärmen mag – zwischen Flitzer und Limousine wird irgendwann noch ein Modell kommen, ohne das heute kaum ein Hersteller auskommt: ein Kompakt-SUV. Was ein Trend ist, weiß man schließlich auch in China.

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