So wie den Citroën Ami stellt sich der PSA-Konzern künftige Elektromobilität vor: Das Auto als „Freund“, führerscheinfrei zu fahren und das zum Preis eines Mobilfunkvertrages oder Streaming-Abos. Kann der neue Citroën „Ami“ funktionieren?
Je kleiner das Auto, desto größer muss wohl die Inszenierung der Präsentation sein: Nichts weniger als die „Defense Arena“ in Paris, die bei Konzerten 40.000 Zuschauer aufnehmen kann, war am Donnerstag Schauplatz der Weltpremiere eines neuen Straßen-Winzlings. Citroën schickt seinen „Ami“ (Französisch für „Freund“) ins Rennen und er soll zur Ikone urbaner Strom-Schnelligkeit werden. Dazu bringt er einige Reminiszenzen an die gute alte Zeit der Verbrenner-Ära mit. Die seitlichen Klappfenster und die hinten angeschlagenen Türen hat Ami vom 2 CV „Ente“ geerbt.
Sonys Walkman und Apples iPod waren Welterfolge der Miniaturisierung von Gebrauchsgütern, und eine solche Karriere wäre Citroën für den Ami gewiss auch sehr willkommen. Der ist noch fast 30 Zentimeter kürzer als der ebenfalls zweisitzige Smart und kommt auf 2,41 Meter Gesamtlänge. In der Norm-Parklücke könnte man theoretisch also auch zwei von Ihnen unterbringen. In der 1,39 breiten Karosse sind die nebeneinander angebrachten Sitze leicht versetzt platziert, um ein Mindestmaß an Schulterbreite zu gewährleisten.
Laden an der Haushaltssteckdose
Ob das aus dem voriges Jahr in Genf vorgestellten Konzept-Auto gleichen Namens entwickelte Fahrzeug mit den üblichen Maßstäben von Pkw-Beurteilung zu fassen ist, muss sich noch erweisen. Schließlich wollen eine auf 45 km/h limitierte Höchstgeschwindigkeit und 70 Kilometer Reichweite nicht so recht zu dem seit mehr als 100 Automobil-Jahren geltenden „Schneller-Höher-Weiter“-Prinzip passen. Aber dazu passt auch nicht das Laden an der Haushaltssteckdose, was die Suche nach einer freien oder erreichbaren Ladesäule und das Hantieren mit sperrigen Typ-2-Kabeln überflüssig macht. Drei Stunden soll der Vorgang für die 5,5 kWh fassende Batterie nur dauern, etwa so lange wie Bestromung des leeren Smartphones.
Und gäbe es nicht schon genug Parallelen zum Anbetungs-Gegenstand der „digital Natives“, wird ein Ami grundsätzlich online bestellt und konfiguriert. Gebracht wird er dann zwar nicht vom Paketboten, jedoch garantiert Citroën die Auslieferung an die Heimadresse nebst technischer Einweisung vom Fachmann. Die Miete von 19,99 Euro monatlich kann dann natürlich auch online überwiesen werden, wobei die von Citroën-Kommunikationsschef Arnaud Belloni genannte Summe nur einen Teil der Wahrheit abdeckt: 2644 Euro sind als Einmalzahlung zu entrichten, der Mietvertrag soll dann vier Jahre laufen. Auch kurzfristiges Mieten sei möglich, heißt es, und zwar für 0,26 Euro je Minute.
Die eigenverantwortliche und lizenzfreie Benutzung des Wagens für Jugendliche im Alter von 14 oder 16 Jahren, die Belloni bei der Präsentation ebenfalls in Aussicht stellte, dürfte zumindest für den Markt Deutschland eine Illusion bleiben. Bekanntlich brauchen hierzulande selbst die Führer von kleinsten Zweirädern eine amtliche Fahrerlaubnis. Zu den unausweichlichen Tatsachen rund um neue Kleinstfahrzeuge gehört aber auch, dass im Jahr 2050 rund zwei Drittel der Weltbevölkerung in Städten leben werden und der Platz für individuelle Mobilität dort nicht größer wird.
Sechs E-Autos in diesem Jahr
Für Citroën-Markenchef Vincent Cobée ist die Vorstellung des Ami eine Gelegenheit, mit einem spektakulären Coup ins Amt zu ziehen. Kaum vier Wochen steht der frühere Nissan- und Mitsubishi-Manager an der Spitze der PSA-Marke und hat die Aufgabe, die Elektrifizierungs-Strategie weiter voran zu treiben. Vier Pkw-Modelle und zwei leichte Nutzfahrzeuge, jeweils als Hybrid- oder reines Elektromobil, will Citroën dieses Jahr noch vorstellen. Für den C5 Aircross Plug-In-Hybrid wurde schon mal vorausschauend die Bedeutung des Kürzels SUV umgedeutet in „Silent Urban Vehicle“ („Leises Stadt-Mobil“). Ferner stehen zum Beispiel eine Kompakt-Limousine sowie ein Space Tourer im Van-Format auf der Agenda. Bis 2025 will Citroën die komplette Flotte mit mindestens je einem elektrifizierten Fahrzeug anbieten.
Wohin mit all den Autos, weiß Vincent Cobée natürlich auch schon. Die Marke mit dem Zahnrad-Symbol wird global. Südamerika erscheint als vielversprechendes Expansions-Gebiet, in Indien startet demnächst der Verkauf des C5 Aircross. Bislang wird seinen Worten zufolge nicht einmal ein Drittel des Umsatzes außerhalb von Westeuropa gemacht, so dass noch reichlich Luft nach oben zu sein scheint.
Dass Auto-Manager sich in der Öffentlichkeit grundsätzlich als Berufs-Optimisten gerieren, ist hinlänglich bekannt. Gleichwohl weiß auch Cobée, dass Citroën in der Vergangenheit mit elektrisch betriebenen Kleinwagen auf Mietbasis nicht nur gute Erfahrungen gemacht hat. In Berlin wurde das mit viel Verve 2012 gestartete Multicity-Projekt, bei dem mehr als 200 C1-Stromer zum Einsatz kamen, nach fünf Jahren wieder eingestellt. Als Grund nannte der Anbieter mangelnde Infrastruktur.