Bugatti Chiron Super Sport: Rausch der Beschleunigung

Bugatti Chiron Super Sport: Rausch der Beschleunigung
Bugatti bietet seinen reichen Kunden Testmöglichkeiten im Kennedy Space Center in Florida an. Dort wurde der Chiron Super Sport getestet. © Bugatti

Der Bugatti Chiron Super Sport ist ein Fahrzeug für die Superreichen. Der Mann, der es ihnen erklärt, ist Pierre Henri Raphanel.

Dieser Mann ist zu beneiden. Er kann jeden Tag die Autos fahren, von denen Normalsterbliche nur träumen können. Die Rede ist von Pierre-Henri Raphanel ist der Cheftestfahrer bei Bugatti. Wo selbst die wenigen Kunden mit ihrem Chiron im Schnitt keine 2000 Kilometer pro Jahr abspulen, sitzt er beinahe täglich am Steuer der stärksten, schnellsten und teuersten Sportwagen der Welt.

Über 10.000-mal hat er den Superreichen dieser Welt schon erklärt, wie das schnell fünf Millionen Euro teure Wunderwerk funktioniert. Er hat steinalte US-Milliardäre zum ersten Mal in ihrem Leben über 250 km/h gebracht, hat chinesischen Jungunternehmern mit Sprints von 0 auf 100 in weniger als drei Sekunden die Sprache verschlagen, war mit Moskauer Oligarchen und arabischen Scheichs unterwegs, und sogar ein Dutzend Deutsche haben nach der Probefahrt mit dem Formel1-Profi einen Kaufvertrag.

Tests im Kennedy Space Center

Um das Potential des Hypercars tatsächlich voll auszukosten, hat Bugatti dieses Jahr zum ersten Mal nach dem Ende der Pandemie wieder zwei Dutzend Kunden zu einer High Speed-Experience eingeladen und sie an Aerodynamik- und Performance Tests im Kennedy Space Center teilhaben lassen – unter Anleitung von Cheftester Raphanel.

Die Location ist exotisch, aber sie ist mit Bedacht gewählt, weil sie hier für die Landung des Space Shuttles auch eine der längsten Betonpisten der Welt in die Sümpfe betoniert haben. 91 Meter breit und fast einen halben Meter dick, ist sie 4,6 Kilometer lang – die beiden Auslaufzonen von jeweils gut 300 Metern noch nicht mitgerechnet. Das macht sie zu einer der zehn längsten Landebahnen der Welt – und zur idealen Spielwiese für den Höllenritt im Chiron.

Pierre Henry Raphanel ist im Chiron Super Sport einer der schnellsten Fahrlehrer der Welt. Foto: Bugatti

Dort sitzt Raphanel nun im Chiron Super Sport und wird zum schnellsten Fahrlehrer der Welt. Die erste Runde über die knapp fünf Kilometer lange Bahn gibt er den Chauffeur und erklärt die Strecke. Dann wechselt er nach rechts und lässt zum ersten Mal den Kunden ans Steuer. 150 Meilen pro Stunde oder umgerechnet 240 km/h – was einen in den USA überall sonst direkt in den Knast bringt, fühlt sich hier nach Kriechfahrt an und der Chiron braucht da nicht viel mehr als Standgas.

Unbeirrt bei Tempo 320 km/h

Auch die 320 km/h danach sind eher eine vertrauensbildende Maßnahme, denn eine Herausforderung. Ja, ein Verkehrsflieger reckt bei diesem Tempo schon die Nase in den Himmel, doch der Chiron fährt so unbeirrt, dass man wahrscheinlich sogar die Hände vom Lenkrad nehmen könnte. Je weiter der Tacho klettert, desto mehr beruhigt sich deshalb der Puls und Raphanel schaut zufrieden.

Vor dem nächsten Lauf steigt er dann trotzdem aus, weil kein Gehalt der Welt dieses Risiko rechtfertige. Doch für Zweifel ist jetzt eine Zeit mehr. Schließlich gibt es vor der Fahrt noch ein paar Punkte auf der Checkliste abzuarbeiten und der Countdown hat längst begonnen.

Weil sich der Entwickler ihrer Verantwortung sehr wohl bewusst sind, haben sie eine Sicherheitsschleife eingebaut. Die beginnt mit einem zweiten, Schlüssel, den man links vom Fahrersitz einstecken und einmal drehen muss, um den Top-Speed-Modus zu aktivieren. Während die Elektronik noch einmal alle Systeme checkt und den Reifendruck abruft, macht sich der riesige Spoiler hinten flach und man spürt, wie sich das Auto nochmal um ein paar Millimeter tiefer auf den Asphalt duckt.

In 2,4 Sekunden auf Tempo 100

Dann ist der Chiron scharf. Die Sensoren signalisieren Zustimmung, Mission Control reckt den Daumen und der Chiron schießt über den Beton und lässt sich weder von dem dicken weißen Streifen der Landebahn-Markierung irritieren noch von dem Seitenwind, der zwischen den wenigen Büschen immer mal wieder aufwacht. 60.000 Liter Luft pro Minute blasen die vier Turbos jetzt in die Zylinder, die Kurbelwelle rotiert mit über 7.000 Touren und jede Sekunde verschwinden bald 100 Meter Betonband unter den vier angetriebenen Rädern.

Und so gewaltig der Bugatti anfangs anschiebt, wenn er in 2,4 Sekunden von 0 auf 100 beschleunigt, die analoge Nadel nach 5,8 Sekunden über die 200 und nach zusammen 12,1 Sekunden über die 300 km/h wischt, dauern die offiziell 28,6 Sekunden bis 400 km/h hinten raus eine gefühlte Ewigkeit. „Nicht auf den Tacho schauen“, ruft Raphanel dem Fahrer über Funk zu, „sondern immer auf die weiße Linie rechts von Dir.“

Das Tempo steigt und steigt

3, 2, 1: Schon geht es im Bugatti Chiron Super Sport los zu einem unvergesslichen Beschleunigungstest. Foto: Bugatti

Doch je näher die Ziellinie kommt, desto größer wird die Versuchung, den Blick doch einmal zu senken – und desto beruhigender die Erkenntnis, dass die Digitalanzeige tapfer klettert. 380, 390, 395 und noch immer ein paar hundert Meter bis zur Flagge. Draufbleiben, draufleiben, reintreten, fester reintreten und noch einmal tief einatmen, dann sind die 400 km/h tatsächlich geknackt und kurz darauf fliegen links und rechts die Fahnen vorbei, die den Bremspunkt markieren.

Am Ende dieses Events werden sich ein paar mehr Menschen auf die kurze Liste jener Autofahrer eintragen können, die tatsächlich in diesen Geschwindigkeitsbereich vorgestoßen sind und Raphanel verliert ein bisschen von seiner Einzigartigkeit. (SP-X)

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