Große US-Geländewagen sind nicht nur bei Kunden in Italien beliebt. Darauf setzt auch die Firma Militem und baut Jeeps luxuriös um.
Italien und seine Autos – das ist eine Geschichte zwischen Langeweile und Leidenschaft: Denn während die große Masse gesichtslose Kleinwagen fährt, träumt sie stolz von all den exklusiven Exoten, die bei Ferrari, Lamborghini und Maserati produziert werden – um nur die Größten der edlen Kleinen zu nennen.
Und seit Fiat Chrysler und Jeep übernommen hat, reicht der Patriotismus auch bis nach Amerika und selbst Jeep ist irgendwie im Herzen der Italiener angekommen. Nur mit der lustlosen Detailarbeit in Detroit können die feinsinnigen Südländer wenig anfangen.
Große Geländewagen treffen den Nerv
Zumindest nicht Männer wie Riccardo Cavarzan. Er gehört zu einer Familie von Autohändlern aus Monza, die schon lange vor dem Beginn der FCA-Story für General Motors Corvette & Co importiert und spätestens beim Hummer gelernt haben, dass große US-Geländewagen in Italien einen Nerv treffen, wenn sie nur auffällig genug sind.
Denn die „Bella Figura“ ist südlich der Alpen vielleicht noch wichtiger als im Rest der Welt: „Ein Auto muss etwas hermachen, muss einfach gut aussehen und zum Besitzer passen wie ein Maßanzug“, sagt Cavarzan und wo, wenn nicht im Speckgürtel von Mailand sollten sie sich damit auskennen. Schließlich ist hier nicht nur die Heimat der großen italienischen Modemarken, sondern zum Beispiel auch die von Alfa Romeo.
Vor vier Jahren Militem gegründet
Mit diesen Vorstellungen im Hinterkopf haben Cavarzan und ein paar Partner vor vier Jahren das Label „Militem“ gegründet. Benannt nach den antiken Kriegern für die erste Attacke und durch und durch martialisch orientiert, haben sich die Italiener der Jeep-Palette angenommen und entsprechende Upgrades für den Renegade, den Wrangler und den Gladiator entwickelt. Denn die Substanz ist gut, das Styling für passionierte Selbstdarsteller in ihren Augen aber optimierungsfähig. „American Tech – Italian Made“ haben sie deshalb auf eine Plakette gedruckt und die Amis innen wie außen komplett neu eingekleidet.
Der übliche Kühlergrill mit seinen sieben Schlitzen macht deshalb Platz für eine neue Maske, die dank eines wuchtigeren Stoßfängers sehr viel schlanker aussieht. Es gibt mächtige Kotflügelverbreiterungen, Nüstern auf der Motorhaube, elektrisch ausfahrbare Trittleisten und am Heck verschwindet das außen angeschlagene Ersatzrad. Und wem das Bodykit in Wagenfarbe noch nicht auffällig genug ist, der bekommt die Anbauteile auch in Karbon.
Innenraum wird zur Lederlandschaft
Auch innen legen die Italiener kräftig Hand an und verwandeln die amerikanische Plastikwüste in eine Lederlandschaft, die auf Wunsch mit ziemlich kräftigen Farben und reichlich mutigen Nahtmustern so machen Geschmack hart auf die Probe stellt. Aber egal ob nun blaues Alcantara oder cognacfarbenes Sattelleder – langweilig und lustlos ist die Kabine dann nicht mehr.
Aber die Militem-Jeeps sollen nicht nur besser aussehen, sondern auch besser fahren, sagt Cavarzan und zeugt stolz in die breiten Radkästen, wo sich hinter den Offroad-Reifen auf den markanten 22 Zoll-Felgen eigene Stoßdämpfer verstecken: Die bieten auf der einen Seite mehr Bodenfreiheit und lassen etwa den zum Ferox geadelten Wrangler noch martialischer aussehen, sollen aber vor allem den Komfort auf der Straße erhöhen. „Auch wenn unsere Geländewagen sogar noch mehr nach Offroad-Abenteuer aussehen als die Serienmodelle, zieht es unsere Kunden eher in die Stadt als in den Schmutz“.
Umbau dauert bis zu fünf Wochen
Der Umbau dauert je nach Umfang zwischen drei und fünf Wochen, erfolgt in einer eigenen Werkstatt mit einem halben Dutzend Mitarbeitern am Comer See und ausschließlich mit italienischen Zulieferern. „Wo, wenn nicht zwischen Mailand und Turin sollte man die besten Partner finden“, sagt Cavarzan und profitiert vom riesigen Netzwerk an Zulieferern, das sich in den letzten 100 Jahren rund um die Fiat-Standorte entwickelt hat.
Während Militem sich bei Lack und Leder austobt, die Fahrwerke überarbeitet und auch ein paar elektronische Finessen wie neue Parksensoren oder Schaltroutine programmiert, lassen die Italiener von den Motoren die Finger. „Dafür sind uns die Abgasvorschriften und Testprozeduren zu aufwändig“, räumt Cavarzan ein.
Müssen sie aber auch nicht. Statt den Plug-Ins und Dieseln aus dem europäischen Modellprogramm mehr Leistung einzuimpfen, importieren sie einfach die großen US-Aggregate, die sich Stellantis bei uns wegen der CO2-Bilanz nicht leisten kann – und freuen sich über eine entsprechend hohe Nachfrage für den 3,6 Liter großen V6 mit 285 PS und neuerdings auch den V8 mit sündigen 6,4 Litern Hubraum und 470 PS.
Verkauf seit einem Jahr
Mit etwas Verspätung durch die Pandemie hat der Verkauf in Italien vor gut einem Jahr begonnen und in diesen Tagen haben die Italiener ihre ersten zwei Händlerverträge für Deutschland unterschrieben. In Düsseldorf kann man die Abenteurer im Anzug bereits anschauen, in Berlin soll es noch im Sommer soweit sein, sagt Cavarzan und macht sich große Hoffnungen. Statt 50 Autos pro Jahr wie daheim in Italien will er bei uns schließlich dreimal so viele verkaufen. Und das, obwohl Militem sich in der Luxusliga sieht und das auch auf die Preise durchschlägt: „In Italien kostet ein Wrangler rund 70.000 Euro, wir dagegen fangen erst bei etwa 120.000 Euro an.“
Angst, dass ihm in Zukunft die elektrische Revolution das Geschäft vermiesen könnte, hat Cavarzan nicht. „Da wir die Finger von den Motoren lassen, ist es uns egal, ob da jetzt ein B8 unter der Haube steckt, ein Plug-in-Antrieb oder ein E-Motor.“ Und Design, da ist der Militem-Chef überzeugt, zieht immer: „Wir Italiener machen einfach gerne eine Bella Figura.“ (SP-X)