BYD Seal U: Herausforderer mit kleinen Schwächen

BYD Seal U: Herausforderer mit kleinen Schwächen
Der BYD Seal U will nun auch im SUV-Segment bei den etablierten Herstellern für Unruhe sorgen. © Harald Dawo/BYD

Es gibt eine Reihe von Gründen, sich um die deutsche Auto-Industrie zu sorgen. Jetzt kommt ein weiterer hinzu: Er heißt BYD Seal U.

Der chinesische Autobauer BYD bringt im März nächstes Modell auf den Markt: den Seal U. Das elektrische SUV dürfte den Druck auf den deutschen Automarkt noch verstärkten, den die aktuelle Flut von automobilen Erzeugnissen aus dem Reich der Mitte ausgelöst hat.

So lange ist es noch nicht her, dass deutsche Konzernlenker mit unverhohlener Schadenfreude registrierten, wie sich China-Fahrzeuge beim europäischen Crashtest reihenweise in ihre Bestandteile zerlegten. Heute holen die gleichen Hersteller wie damals zuverlässig fünf Sterne. BYD hat es seit Aufnahme der Pkw-Produktion 2003 inzwischen unter die größten zehn Hersteller auf dem Globus geschafft.

Deutliche Preissenkungen

Jüngst hat das in Holland ansässige Europa-Management der Firma einen überraschenden Marketing-Coup gelandet: Nach dem Auslaufen der deutschen E-Förderung wurden die Preise über die gesamte Modellpalette hinweg um bis zu 15 Prozent gesenkt. Das bedeutet zwar im Kern, dass sie zuvor teurer waren als nötig, die Kunden freut’s dennoch.

Ein mittelgroßes Elektro-SUV wie der Seal U, der sich als Konkurrent von Tesla Y, Skoda Enyaq oder Hyundai Ioniq 5 definiert, kostet deshalb jetzt 41.990 Euro, in der höherwertigen „Design“-Ausstattungslinie 44.990 Euro – inklusive einer bis zu achtjährigen Garantie. Serienmäßig sind ein bewegliches Panorama-Glasdach und ein üppiges Arsenal an Assistenz-Systemen an Bord, die Design-Version hat auch ein Head-Up-Display.

Innenraum mit wertigem Ambiente

Übersichtlich: das Cockpit im BYD Seal U. Foto: Harald Dawo/BYD

Wer angesichts des 4,79 Meter langen und 1,67 m hohen Fünftürers europäisch orientierte Formensprache erkennt oder sich gar an Merkmale eines Porsche Macan erinnert fühlt, liegt nicht ganz falsch. Verantwortlich für das BYD-Design ist Wolfgang Egger, der an verschiedenen Stellen des VW-Konzerns und im Besonderen bei Audi zahlreiche Spuren seines Wirkens hinterlassen hat. So gefällig das Seal-U-Styling sein mag, es hat aber auch Schwächen: Es ist nicht leicht, unverwechselbare und damit markenprägende Details zu entdecken.

Ebenfalls zu gefallen weiß der Innenraum, der teilweise mit Oberflächen in Kontrastfarben glänzt, vegane Polsterbezüge besitzt, sportliche Ziernähte zeigt und insgesamt einen hochwertigen und gut verarbeiteten Eindruck macht. Der 15,6 Zoll große Hauptmonitor im Cockpit – in der preisgünstigeren Version hat er 12,8 Zoll – ist um 90 Grad schwenkbar, so dass je nach persönlichem Geschmack die Bedienung der Touchscreen im Hoch- oder Querformat erledigt werden kann. Die Menüführung folgt den Prinzipien der Smartphone-Bedienung, mit größeren und kleineren Funktions-Symbolen, sortiert nach Wichtigkeit und Anwendungs-Häufigkeit.

Routenführung braucht Nacharbeit

Schwerwiegende Mängel oder Handhabungs-Defizite, die zwei Testfahrten zu je etwa drei Stunden hätten offenbaren können, traten nicht zutage. Mit einem Software-Update fix behoben ist wahrscheinlich das mehrfach beobachtete Phänomen, dass eine gespeicherte Routenführung nach kurzzeitigem Abstellen des Fahrzeugs erst durch erneute Zieleingabe fortgesetzt werden konnte.

Doch kommen wir zu den Fahreindrücken: Das Fahrwerk erwies sich als komfortabel abgestimmt, das auch mit üblem Fahrbahnbelag nebst krasser Schlaglöcher gut zurecht kommt. Ging‘s mal etwas druckvoller über die Landstraße, blieb die Neigung des Frontrieblers zum Untersteuern nah an der Wahrnehmbarkeits-Schwelle. Lediglich die Lenkung fühlte sich ein gutes Stück zu weich und unpersönlich an, um einen handfesten Kontakt zur Straße zu vermitteln.

Mehr Seitenhalt wünschenswert

Zielgruppe für das mit 71,8 oder 87 kWh Akku-Kapazität ausgestattete SUV sollen in erster Linie Familien sein, denen Funktionalität und Vielseitigkeit wichtig sind. Von 522 bis 1440 Liter reicht das Volumen des Gepäckraums, die Ladekante ist 77 Zentimeter hoch. Die Frontpassagiere haben zwischen den Türverkleidungen 1,47 Meter Platz.

Von den kommod gepolsterten Sitzen wünscht man sich mehr Seitenstabilität, wenn die durchaus vorhandenen dynamischen Qualitäten des 218 PS starken SUVs auf kurvigem Geläuf ausgekostet werden sollen. Die Elektronik lässt ein Tempo von 175 km/h zu, 330 Newtonmeter Drehmoment sollen die 2,1 Tonnen schwere Fuhre in knapp zehn Sekunden auf 100 km/h beschleunigen.

„Blade-Battery“ für 500 Kilometer

Der BYD Seal U hat eine Länge von immerhin 4,79 Meter. Foto: Harald Dawo/BYD

Je nach Anforderungsprofil konsumierte der Seal U in diesem Kurztest zwischen18,1 und 22,3 kWh je 100 Kilometer. Der Hersteller gibt den Durchschnittsverbrauch mit 20,5 kWh an. Die 28 Minuten Ladezeit, ebenfalls ein Herstellerwert, klingen verlockend, beziehen sich aber abweichend vom üblichen Maß nicht auf 10-80 Prozent Füllstand, sondern auf 30 bis 80 Prozent. BYD rühmt die Eigenentwicklung der „Blade-Battery“, deren Zellen nicht nur besonders flach sind, sondern auch ohne Kobalt, Mangan und Nickel auskommen. Für Fahrzeuge mit dem großen Akku werden 500 Kilometer Reichweite versprochen.

Fragt man BYD-Verantwortliche nach den Absatzzielen für das neue Auto, werden sie unerwartet einsilbig. Noch kommt das, was in den Neuigkeiten-Rubriken der Medien wie ein Tsunami an China-Modellen aussieht, in der Zulassungsstatistik eher wie ein Rinnsal an. BYD, Chery, MG, NIO, Ora und andere Newcomer warten noch auf den großen Verkaufsschlager, dessen Stückzahlen es mit Importeuren aus Frankreich oder Korea aufnehmen können. Doch darüber, was genau hinter der Buchstaben-Kombination steckt, geben sie gern Auskunft: Die drei Lettern stehen nämlich weder für „Build Your Dreams“ („baue Deinen Traum“), noch für „bring your dollars“, wie es in Nordamerika zuweilen verstanden wird. Es ist lediglich das in lateinische Buchstaben übersetzte phonetische Abbild des Firmennamens und hat sich mittlerweile zum Marketing-Slogan entwickelt.

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Axel F. Busse
Axel F. Busse ist gelernter Redakteur, sein kommunikations-wissenschaftliches Studium absolvierte er an der FU Berlin. Nach Tätigkeiten bei Tageszeitungen, wo er sich mit Auto- und Verkehrsthemen beschäftigte, arbeitet er seit 2003 als freier Autor ausschließlich in diesem Bereich. Außer für die Autogazette schreibt er für verschiedene Online- und Printmedien.

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