Mit der Giulia hofft Alfa Romeo auf bessere Zeiten. Doch die Wiederbelebung der Mittelklasse-Limousine wird sich wohl zumindest in Deutschland auf den Freundeskreis der Alfisti beschränken.
Na geht doch: Auch wenn viele Alfisti kaum noch an eine Wiederbelebung von Alfa Romeo glauben konnten, zeugt die seit Juni erhältliche neue Giulia vom Überlebenswillen der italienischen Traditionsmarke. Wir fuhren die Mittelklasse-Limousine, die unter anderem gegen die deutschen Platzhirsche vom Schlage eines A4, 3er oder C-Klasse antritt, in der zurzeit noch stärksten Dieselkombination mit 132 kW/180 PS. Mindestens 37.400 Euro werden so für die Italienerin in der „Super“ genannten zweiten Ausstattungsvariante fällig.
Der erste Eindruck ist positiv. Fesch sieht die Giulia aus. Stolz zeigt sie ihren Scudetto mit dem dezent modernisierten Alfa-Logo und ihre großen Lufteinlässe. Ecken, Kanten und Rundungen sitzen an den richtigen Stellen. Optisch muss sich die 4,64 Meter lange Schöne nicht hinter einem BMW verstecken. Beim Betrachten und Abtasten der Innenraummaterialien jedoch sind Unterschiede zur Konkurrenz auszumachen. Nicht dass die Giulia hier einen richtig schlechten Eindruck machen würde, aber die bajuwarischen und der schwäbische Wettbewerber bringen Materialien und Formen eleganter zusammen.
Enge Sache in der Giulia
So wirkt zum Beispiel das 6,5-Zoll große Standard-Infotainment-Display im Armaturenbrett durchaus mickrig, will man es größer haben (8,8 Zoll, also immer noch nicht wirklich riesig), werden in Verbindung mit einem Navi 2500 Euro Aufpreis verlangt. Bescheidet man sich mit dem kleinen Bildschirm kostet die Navigationsoption nur 1100 Euro. Die Bedienung von Radio oder Navi erfolgt über einen zentralen Dreh-Drückknopf und stellt den Nutzer vor keine großen Herausforderungen. Ansonsten haben die Alfa-Designer mitgedacht und für die Steuerung von Klimaanlage oder Lautstärke separate Schalter vorgesehen.
Weniger gut ist die Sache mit dem Platz geraten. Ist ein 3er schon so geschnitten, dass Menschen mit Normgrößen sich am wohlsten fühlen, passen zur Giulia am besten Insassen, die mit italienischen Konfektionsangaben keine Probleme haben. Wenn doch, wird es besonders im Fond schnell spack. Fahrer mit langen Beinen vermissen zudem eine Sitzauflagenverlängerung. Der Kofferraum fasst 480 Liter, ein klassenüblicher Wert. Allerdings sollte man unbedingt die Option für eine asymmetrisch umlegbare Rücksitzbank (Aufpreis: 250 Euro) wählen, auf dass man längere Gegenstände gut verstauen kann.
Alfa Romeo Giulia bis zu 510 PS stark
Aber genug herumgestanden: Los geht´s und zwar mit einem Fingerdruck auf den Starterknopf am Lenkrad. Diese Sportwagenreminiszenz steht zwar dem Topmodell der Modellreihe, der Giulia Quadrifoglio mit 510 PS und ab 71.800 Euro zu ordern, sicherlich besser, aber auch 180 Pferde lassen sich so stilecht aus dem Stall führen. Nicht ganz so vornehm schnauben die Dieselpferdchen allerdings - unüberhörbar für Insassen und die Nachbarn. Da man die PS-Zahl natürlich nicht heraushört: Zur Wahl stehen des Weiteren ein 136- (ab 33.100 Euro) und 150-PS-Selbstzünder (ab 34.100 Euro), ein 210 PS starker Diesel ergänzt demnächst das Aggregate-Angebot.
Ein leichter Tritt auf das Alu-Gaspedal und der 2,2-Liter-Vierzylinder stellt sein Temperament unter Beweis, zumal das Fahrzeug nur knappe 1,5 Tonnen auf die Waage bringt und somit vergleichsweise wenig Gewicht in Bewegung gebracht werden muss. Der agile Eindruck, der nur zu Beginn der Beschleunigungsphase durch ein kleines Turboloch kurz gestört wird, bleibt dank des ordentlichen Drehmoments von 380 Nm sowie der präzisen Schaltung und Lenkung während der Fahrt erhalten.
Alfa Romeo Giulia verzichtet auf pseudo-sportliche Härte
Es hilft, im Dynamic-Modus unterwegs zu sein, um diese Agilität zu spüren. Hier werden zwar keine Dämpfer geschärft, aber Gas-, Brems- und Lenkbefehle sehr direkt umgesetzt. Das Fahrerdisplay wechselt dabei auf rote Illumination und wer will, kann nachschauen, ob eine nennenswerte und messbare Querbeschleunigung erfolgt ist. Letzteres lässt sich schon bei normalen Kurvenfahrten ein wenig nachvollziehen; der Hinterradantrieb unterstützt ein flottes Durcheilen von Kehren.
Die Giulia ist zwar angenehm straff abgestimmt, verzichtet aber auf pseudo-sportliche Härte. Klar ist aber auch, dass im Dynamic-Modus der Normverbrauch von 4,2 Litern in sehr weite Ferne rückt. Eine Sieben vor dem Komma ist hier deutlich realistischer. Wer sparen möchte, wechselt in den „Advanced Efficiency“-Modus – statt sportlich geht es hier ökonomisch zur Sache. Grüne Animationsbildchen informieren über Fahrgewohnheiten. Ein guter Kompromiss aus den zwei diametralen Modi ist der mittlere Modus, der Natural heißt. So übrigens ergibt sich auf dem Auswahl-Drehknopf die schöne Buchstabenkombination D-N-A. Im Durchschnitt benötigten wir übrigens 6,8 Liter Sprit, keine so schlechter Wert. Denn zugegeben: Meistens war Rot die dominante Farbe während der Fahrt.
Apropos Farbe: Nur der Farbton „Rosso Alfa“ kostet nichts extra. Für einfache Unilackierungen werden 490 Euro verlangt, Metallic-Lackierungen müssen mit 930 Euro bezahlt werden. Ansonsten gibt es wie bei den Wettbewerbern neben der ordentlichen Grundausstattung – bei „Super“ unter anderem mit 17-Zoll-Leichtmetallfelgen, Zweizonen-Klimaanlage und Abgasanlage mit Doppelendrohr – viele Möglichkeiten beim Studieren der Preisliste Häkchen zu setzen und den Fahrzeugpreis nach oben zu bringen. Eine schöne, sportliche und gut ausgestattete Giulia hat eben, ganz so wie bei ihrem deutschen Wettbewerbern, ihren Preis. (SP-X)