Fans von Alfa Romeo haben auf die neue Giulia gewartet. Nun ist das Mittelklassemodell dar: Ab dem 17. Juni schicken die Italiener es zu einem Preis von 33.100 Euro auf Kundenfang. Man darf gespannt sein, um die Giulia das Zeug dazu hat, die Marke zu beleben.
Endlich ist es soweit! Viel zu lange schon hat der Romeo nach seiner Giulia gesucht, jetzt kriegt er sie endlich wieder. Nach Jahren der trauten und ziemlich trostlosen Zweisamkeit von Mito und Giulietta – den in homöopathischen Dosen verteilten 4C-Zweisitzer mal außer Acht gelassen - schickt die sportliche Fiat-Tochter Alfa Romeo, die zuletzt bestenfalls mit ihrem Schriftzug auf der Fußballerbrust von Eintracht Frankfurt für Aufmerksamkeit sorgte, nun tatsächlich die neue Giulia ins Rennen. Fast ein Jahr nachdem Fiat-Chef Sergio Marchionne den Mittelklässler anlässlich des 105-jährigen Firmenjubiläums in Arese feierlich enthüllt hatte, steht die Giulia ab 17. Juni zu Preisen ab 33.100 Euro bei den deutschen Händlern.
Die Original-Giulia hatte neben zahlreichen Rennerfolgen in den 60er-Jahren den guten Ruf von Alfa Romeo als Hersteller von hochwertigen Sportfahrzeugen für die Mittelschicht geprägt, segnete aber Ende der 70er Jahre das Zeitliche und wurde danach von Modellen mit so klanghaften Namen wie „159“ mehr schlecht als recht ersetzt. Umso schöner und verlockender tritt nunmehr die Giulia der Neuzeit an: Klassische Nase mit dominierendem, traditionellem Scudetto-Grill samt modernisiertem Logo, mächtige Lufteinlässe, eine automatisch ausfahrbare Frontspoiler-Lippe für mehr Anpressdruck, schmale Augen, eine lange Haube, eine elegante Silhouette mit gestrecktem Radstand und ein knackiger Hintern. Zudem verzichtet sie dank einer Mischung aus Stahl, Alu und Karbon auf überflüssige Pfunde und verteilt ihr Idealgewicht gleichmäßig auf beide Achsen.
Stolzer Preis für Topmodell
Nun ist Schönheit bekanntlich nicht alles, und eine Blenderin will und darf die neue Alfa-Ikone natürlich nicht sein. Aber das ist sie auch nicht. Vor allem nicht in der sportlichen Top-Ausführung Quadrifoglio Verde für stolze 71.800 Euro. Das vierblättrige Kleeblatt hat einen neu entwickelten 2,9-Liter-Biturbo-V6 an Bord, der unter konzerninterner Hilfe der Ferrari-Sportabteilung entstand und mit gewaltigen 375 kW/510 PS der Premium-Konkurrenz vom Schlage eines BMW M3 oder der AMG-C-Klasse auf den Pelz rückt.
Schon erste Runden mit den Alfa-Testfahrern auf dem fünf Kilometer langen Kurs des Entwicklungszentrums Balocco bei Mailand beweisen, dass die Giulia als Lustobjekt geschaffen wurde, bei der das Fahrvergnügen im Vordergrund steht. Der Eindruck einer handlichen Fahrmaschine, die hurtig und leichtfüßig um die Kurven wuselt, verstärkt sich eher noch, wenn man erst einmal selbst in den maßgeschneiderten Sitzschalen hinterm Lenkrad Platz genommen hat.
Der rote Startknopf im Lenkradkranz, so wie es die Motorsport-Profis aus ihren Rennwagen kennen, und der DNA-Drehschalter auf dem Mitteltunnel sind dabei die Stellschrauben zum Fahrglück. Die eine setzt das Aluminium-Triebwerk mit einem kurzen Aufheulen in Gang, mit der anderen kann jeder seine eigene Fahrdynamikregelung selbst vorwählen. D für Dynamik, N für Neutral oder „Natural“ und A für „Advanced Efficient“, also für den optimalen Umgang mit dem Kraftstoff.
Hauptsache schnell und laut
Für den Quadrifoglio gibt es zudem eine „Race“-Einstellung, und die kennt nur eins: Hauptsache schnell und laut. Das zornige Kreischen beim Beschleunigen, das Röcheln des Motors beim Verzögern - für echte Alfisti ist das Musik. Und die Fahrwerte lassen keinen Zweifel am Leistungsvermögen dieser Giulia: Der Tempo-100-Sprint ist in 3,9 Sekunden erledigt und dem vehementen Vortrieb wird erst bei 307 km/h ein Ende gesetzt. Eine elektronische Abriegelung beim 250 km/h ist bei Alfa kein Thema.
Damit Rückkehrer und Neukunden den zuletzt arg dezimierten Club der Alfisti in Deutschland möglichst wieder scharenweise bevölkern, muss aber auch das normale Julchen zu gefallen wissen. Die Italiener haben dafür ungeachtet aller Diesel-Affären zunächst nur den 2,2-Liter-Selbstzünder im Programm, den es hierzulande allerdings in drei Leistungsstufen mit 100 kW/136 PS, 110 kW/150 PS und 132 kW/180 PS geben wird. Die schwächste Ausführung, die außer in Deutschland nur noch in Frankreich angeboten wird, bildet mit 33.100 Euro auch den Einstieg in Giulias Welt. Der mittlere Selbstzünder startet einen Tausender teurer und in der kräftigsten Variante steht der Tarif bei mindestens 36.350 Euro beziehungsweise 39.650 Euro, wenn statt der Sechsgang-Handschaltung eine Achtgang-Automatik verbaut ist.
Der fast unmerkbar, ruckfrei schaltende Wandler-Automat passt hervorragend zu dem großen Diesel-Triebwerk, das bemerkenswert viel Fahrkomfort bietet, für Ritte auf dem Race-Track allerdings ungeeignet ist. Das turbobeatmete Aggregat genehmigt sich schon spürbar eine Gedenksekunde, bevor es bei niedrigen Drehzahlen den Gasbefehl in die Tat umsetzt. Es wirkt auch bei höheren Drehzahlen leicht angestrengt, was mit einer deutlich höheren Geräuschkulisse einher geht, verschafft den Insassen beim Touren im Reisetempo aber eine ruhige Wohlfühlatmosphäre. Mit einem Normverbrauch von 4,2 Litern Diesel zeigt es sich zudem äußerst genügsam. Über eine zusätzliche Abgasreinigung mit SCR-Kat und AdBlue-Tank verfügen die Alfa-Diesel allerdings nicht.
Topbenziner kommt später
Ein Zwei-Liter-Turbobenziner mit 200 PS soll die Giulia-Palette im Laufe des Jahres ebenso ergänzen wie die Allradversionen, für die es eigene Motorisierungen geben wird: Entweder ein 210 PS starker Diesel oder eine 280-PS-Variante des 2,0-Liter-Ottomotors. Die Giulia steht auf einer völlig neuen Plattform, die - nein, nicht Romeo, sondern - Giorgio heißt, ausschließlich für Hinter- und Allradantrieb geeignet ist und für eine breite Modellpalette vom Kompakt-Fahrzeug bis zur Fünf-Meter-Limousine eingesetzt werden kann. Bei den elektronischen Helfern bietet Alfa erstmals eine Notbremsfunktion an. Auch eine Rückfahrkamera ist optional erhältlich. Willig mit den Smartphones kooperiert die Giulia, was die App-Einbindung angeht, aber auch erst in den gegen Ende des Jahres ausgelieferten Versionen.
Wie stark die Italiener den 3er-BMW als Hauptkonkurrenten ins Visier genommen haben, unterstreichen auch die praxisrelevanten Daten. 480 Liter Ladevolumen im Gepäckabteil weisen für die Giulia exakt den gleichen Wert aus wie beim Münchner, und die Platzverhältnisse im Innern geben ebensowenig einen Grund zur Klage. Selbst hinten ist die Beinfreiheit großzügig, müssen allenfalls Sitzriesen um die Unversehrtheit des Haupthaares fürchten.
Die neue Giulia ist auserkoren, die Reanimierung der einstigen Vorzeigetochter im Fiat-Konzern einzuleiten. Gerade mal rund 70.000 Fahrzeuge wurden im vergangenen Jahr noch abgesetzt. Weltweit! Hierzulande fanden gar nur noch 2800 Deutsche Gefallen an einem neuen Alfa. Das ist – aufgerundet - gerade einmal ein Promille aller Neuzulassungen. Ein Absatz von allein 4000 Giulias in einem vollen Jahr scheint da ein ambitionierter, aber keineswegs unmöglicher Plan. Noch mehr wird es allerdings auf das zum Jahreswechsel versprochene erste SUV der italienischen Marke ankommen. Wenn das kein Erfolg wird, endet alles womöglich in einer ähnlichen Tragödie wie bei Shakespeares Romeo und Julia. (SP-X)