BMW Neue Klasse: Der zögerliche Aufbruch

BMW Neue Klasse: Der zögerliche Aufbruch
BMW-Chef Oliver Zipse betont stets die Technologieoffenheit. © Plank

In zwei Jahren sollen die ersten E-Modelle der Neuen Klasse fahren. BMW-Chef Oliver Zipse hält aber weiterhin auch am Verbrenner fest.

Für Deutschlands Autobauer ist es gerade keine leichte Phase. Doch es gibt auch schöne Momente. Dann nämlich, wenn sich die meist glanzvolle Markenhistorie beschwören lässt. Das gemeinsame wohlige Schwelgen in der Vergangenheit, als die Zeiten zwar alt, aber eben auch noch gut waren – und die Wagen mindestens wunderbar.

So dürfte es den PR-Strategen von BMW ergangen sein, als sie sich entschlossen, für die Fahrt durch die Transformation die „Neue Klasse“ als Baureihe auszurufen. Jene Modelle aus den beginnenden 1960er-Jahren, die den späteren weißblauen Ruhm begründeten, weil sie eine Mittelklasse schufen, die es im seinerzeitigen Portfolio zwischen Einzylinder-Isetta und V8-Barockengel schlicht nicht gab.

BMW beschwört neue Ära

Die flache Niere zieht sich natlos bis in die Scheinwerfer. Die Front soll nahe an der Serie sein. Foto: BMW

Nun steht BMW heute nicht vor dem Konkurs wie damals eben schon; aber irgendeine Art von Aufbruch möchte schon sein, wo die halbe Welt verspricht, sehr bald sehr elektrisch unterwegs sein zu wollen, und selbst im Reich der Mitte Hersteller der neuen Art von Fortbewegung wie die sprichwörtlichen Pilze aus dem Boden schießen. Selbst die Submarke Mini bekennt sich zur E-Mobilität und bietet ihre neuesten Modelle ausschließlich mit Akku an.

Es hätte also gut passen können – das mit der Neuen Klasse und der Zukunft, der man damit laut Ankündigung aus München „zwei Schritte voraus“ sein möchte und so „die Mobilität für das nächste Jahrzehnt schon ab 2025 auf die Straße“ bringen will. Sogar von einer „ganz neuen Ära“ war die Rede.

Ein wenig verstörte da allerdings, dass BMW-Chef Oliver Zipse nur einen Tag vor der Präsentation noch einmal wortgewaltig den Fortbestand des Verbrenners beschwor. Tenor: Wer einseitig auf den Akku-Antrieb setze, mache sich wegen der dafür zwingend notwendigen Rohstoffe wirtschaftlich abhängig und politisch erpressbar. Dass dies eins zu eins mindestens seit der ersten Krise 1973 auch für Öl gilt, sagte Zipse nicht.

Zeitlos elegante Übersetzung

An der Heckpartie der „Neuen Klasse“ dürfte bis zum Marktstart 2025 noch kräftig gefeilt werden. Foto: BMW

So hat man nicht unbedingt den Eindruck, mit der „Neuen Klasse“ stünde da nun das künftige Herz von BMW auf dem Drehteller. Was im Grunde schade wäre. Nach all dem Protz und den Nierenschäden der jüngeren Vergangenheit zeigt sich da ein fast schon zeitlos elegantes Gefährt, dessen ansprechende und schick interpretierte Haifisch-Front das Design der 1960er prägnant und doch unaufdringlich übersetzt. Verknüpft mit der Philosophie, man solle auch künftig die Hände am Steuer haben und die Augen auf der Straße.

Immerhin: Die Front mit der nahezu nahtlos in die Lichtgrafik fließenden Niere dürfte es weitgehend in die Serie schaffen, bei Heckpartie und Innenraum scheint das Risiko einer Überarbeitung deutlich größer. Kollateralnutzen der klassisch schlichten Formgebung: Sie spart enorme Kosten bei der Produktion. Gesetzt sein dürfte eine 800-Volt-Architektur, ansonsten darf man über Details zu Akkus und Antrieben rätseln. Am Ende sollen allerdings 30 Prozent mehr Reichweite als heute üblich stehen – und 30 Prozent kürzere Ladezeiten.

Größtes Investment der Firmengeschichte

Futuristischer Innenraum: Das Head-up-Display soll die gesamte Frontscheibe nutzen. Foto: BMW

Gesicherter ist da schon, dass sich BMW das Ganze einen wohl zweistelligen Milliardenbetrag kosten lässt. Das größte Investment in der Firmengeschichte, heißt es. 2025 soll das erste von sechs Modellen im Format des heutigen X3 im neuen ungarischen Werk Debrecen vom Band rollen, wenig später eine Limousine im Werk München.

Viele Entwicklungen sollen indes auch konventionellen Modellen zugute kommen. Das gilt vorrangig für die immer komplexer werdende Elektronik, aber eben auch für das System „Panoramic Vision“ – eine Art Head-up-Display, dessen Projektion sich über die komplette Windschutzscheibe ziehen soll.

Womöglich denkt Zipse in seiner demonstrativen Technologieoffenheit aber auch noch in eine andere Richtung. Im Batteriefach der Neuen Klasse wird man jedenfalls auch Drucktanks für Wasserstoff unterbringen können. Keine zwei so gewaltigen wie beim iX5 Hydrogen, dafür aber mehrere mit geringerem Querschnitt. Da wäre es dann auch egal, wenn es 2035 wie vom BMW-Chef prognostiziert, keine flächendeckende Infrastruktur für E-Autos geben wird. Und die Neue Klasse hätte ihren Namen wirklich verdient…

Keine Beiträge vorhanden