Toyota Mirai: Mit Wasserdampf in die Zukunft

Toyota Mirai: Mit Wasserdampf in die Zukunft
In zweiter Generation ist der Mirai zu einer fast fünf Meter langen Limousine gereift. © Axel F. Busse

Das Auto, das die Zukunft im Namen trägt, stößt nur Wasserdampf aus. An einer Stelle aber ist der Toyota Mirai nicht auf der Höhe der Zeit.

Das hohe Lied des Wasserstoffs singt die Politik gerade jetzt angesichts drohender Knappheiten anderer Energieträger. Dass sich die flüchtige Substanz auch als umweltfreundlicher Pkw-Treibstoff eignet, ist längst bewiesen. Doch es fehlen die Autos. Neben Hyundai hat aktuell nur Toyota ein solches Fahrzeug im Angebot. Wie schlägt sich das Modell Mirai – japanisch für Zukunft – im Alltag der Gegenwart?.

Die Technik ist alles andere als neu: Wie eine Brennstoffzelle funktionieren kann, wurde schon 1838 entdeckt, doch es dauerte noch 121 Jahre, bis der erste Prototyp eines größeren brennstoffzellen-betriebenen Fahrzeuges vorgestellt wurde. Mercedes versuchte sich später noch in A- und B-Klasse an so einem Projekt, verwarf es aber wieder. Toyota stellte 2014 die erste Generation des Modells Mirai vor. Zu diesem Zeitpunkt fuhr die deutsche Bundesmarine schon seit neun Jahren U-Boote mit Brennstoffzellen-Antrieb.

Hoher Druck und kurze Tankzeit

Galt die erste Mirai-Generation noch als Design-Unfall, ist das aktuelle Modell zu einer veritablen, fast fünf Meter langen Limousine gereift, die eine dynamisch lange Schnauze mit einem zeitgemäß abfallenden Coupédach kombiniert. Zwar treibt auch ihn ein Elektromotor vorwärts, doch im Gegensatz zu den meisten batteriebetriebenen Limousinen und SUV ist seine Tankzeit nicht nach Stunden, sondern nach Minuten zu bemessen. Mit 700 bar drückt der komprimierte Wasserstoff in die drei Vorratsbehälter des Fahrzeugs, laut Toyota sind 5,6 kg in fünf Minuten betankt. Das hat der Mirai mit Erdgas-Fahrzeugen gemein, auch dort wird der Treibstoff in Kilogramm abgerechnet.

Die private Anschaffung eines Mirai garantiert höchste Exklusivität. Gerade mal 308 Neuzulassungen im Bundesgebiet gab es 2021, zieht man davon die Vorführwagen der Toyota-Händler ab, bleibt nicht viel übrig. Die derzeit rund 100 H2-Tankstellen in Deutschland konzentrieren sich auf die Ballungsräume und bei den Abgabekosten wird nicht um Cent-Beträge gerungen, wie diese Testfahrt zeigte. Selbst innerhalb des Berliner Autobahnringes differierte der Kilopreis zwischen 9,50 Euro und 12,80 €, was für die Kunden misslich ist. Mal eben ein paar Kilometer weiter zur nächsten Tanke zu fahren, scheidet aus.

Aktuell günstiger als Verbrenner

Akteull günstiger als ein Verbrenner – und schneller tanken lässt sich auch. Foto: Axel F. Busse

Tröstlich ist in jedem Falle, dass so ein Kilo Wasserstoff durchaus für mehr als 100 Kilometer reichen kann. Während des 14-tägigen Testzyklus setzte der Mirai im Schnitt 0,84 Kg Wasserstoff je 100 km um, was (ausgehend vom höchsten Preis) Kosten von etwa 10,80 € entspricht. Aktuell stellt die H2-Limousine damit sogar einen Diesel-Pkw in den Schatten, wo bei angenommenem Verbrauch von 7 Litern je 100 Kilometer um die 14 Euro Spritkosten für die Normstrecke kalkuliert werden müssen. Der Tankvorgang selbst ist unkompliziert – wenn eine entsprechende Füll-Anlage in der Nähe ist.

Von seinem Charakter her ist der Mirai eine geräumige und komfortable Reise-Limousine, deren Bequemlichkeit man gern auf der Langstrecke genießt. Am effizientesten ist er jedoch in der Stadt, wo häufige Rekuperation den Stromverbrauch mindert, oder auf der Landstraße bei Tempi unter 100 unterwegs. Bei anhaltender Autobahn-Richtgeschwindigkeit wird sich der Verbrauch in Richtung eines Kilos Wasserstoff je 100 km bewegen. Die während des Tests vom Bordcomputer errechnete größtmögliche Reichweite lag bei 475 Kilometern, Toyota spricht von „bis zu 650“.

Mit dem sozialverträglichen Design des aktuellen Modells sind die Chancen für Kundeninteresse sicher gestiegen. Wer ihn zu einer Probefahrt ausführen darf, erlebt Wohlfühl-Ambiente im ansprechend gestalteten Innenraum und die saubere Verarbeitung hochwertiger Materialien. Dazu ein ordentliches Temperament, das angesichts von nur 182 PS in einem rund 1,9 Tonnen schweren Wagen zu überraschen vermag. Doch da die 300 Nm Drehmoment des Permanentmagnet-Synchron-Elektromotors schon ab der ersten Rotation anliegen, sind druckvolle Beschleunigung und agiles Kurvenverhalten spürbar. Lediglich die Beinfreiheit für die Fond-Passagiere erscheint verglichen mit dem üppigen Radstand von fast drei Metern etwas knapp. Ein Grund: Hinter den Rücksitzlehnen sitzen die Batterie und einer der drei Wasserstoff-Tanks. Die Ladekante ist mit 66 Zentimetern erfreulich niedrig, jedoch entfällt eine Durchlademöglichkeit und 300 Liter Gepäckvolumen sind nicht eben viel für ein Fünf-Meter-Auto.

Navigation ohne H2-Tanknetz

Wohlfühl-Ambiente überall – leider zeigt das Navi nicht explizit Wasserstoff-Tankstellen an. Foto: Toyota

Den Passagieren vorn steht eine üppige Kabinenbreite von 1,51 Metern zur Verfügung, hinten sind es immerhin noch 1,41 Meter. Dank Rückfahrkamera, Alurädern, LED-Scheinwerfern, elektrisch verstell- und beheizbaren Vordersitzen, Zwei-Zonen-Klimaanlage sowie einer Reihe von Sicherheits- und Assistenz-Systemen ist der Mirai technisch auf der Höhe der Zeit. Mit einer Ausnahme: Das Navigationssystem ist nicht auf dem Niveau „Zukunft“. Dass die grobe Kartengrafik selbst größere Gewässer einfach unterschlägt, mag entschuldbar sein, wenn man fahren und nicht schwimmen will – dass H2-Tankstellen nicht explizit hinterlegt sind, ist aber ein Mangel. Mit den meisten Auffüllstationen, die das Navi anbietet, kann der Mirai-Fahrer natürlich nichts anfangen.

Das Kürzel „H20“ dürfte vielen noch aus dem Chemie-Unterricht geläufig sein, beim Mirai ziert es eine Taste am linken Rand des Armaturenbretts. Sie wird betätigt, um das Wasser, das als Abfallprodukt bei der Stromerzeugung durch die Brennstoffzelle entsteht, aus den Leitungen zu entfernen. Das kann im Winter vonnöten sein, damit Frost keinen Schaden am System anrichtet.

Das Auto, das seinen Fahr-Strom selbst erzeugt, ist mit mindestens 63.900 Euro sicher kein Schnäppchen. Als Elektrofahrzeug ist es jedoch durch Umweltbonus förderfähig. Den Seltenheitswert auf Deutschlands Straßen gibt’s gratis dazu.

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Axel F. Busse
Axel F. Busse ist gelernter Redakteur, sein kommunikations-wissenschaftliches Studium absolvierte er an der FU Berlin. Nach Tätigkeiten bei Tageszeitungen, wo er sich mit Auto- und Verkehrsthemen beschäftigte, arbeitet er seit 2003 als freier Autor ausschließlich in diesem Bereich. Außer für die Autogazette schreibt er für verschiedene Online- und Printmedien.

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