Alpine belebt den Mythos wieder. Die sportliche Renault-Tochter kehrt mit dem kleinen A110 zurück, der viel Fahrfreude bietet und keine Probleme haben wird, sich im Kreis der Etablierten zurechtzufinden.
Die Wiederkehr von automobilen Legenden glückt nicht immer. VW hat mit dem Beetle eine Reminiszenz an den Käfer geschaffen. Enten-Liebhaber dagegen sehnen sich dagegen seit Jahrzehnten nach einem Comeback des 2CV. BMW hat Mini neues Leben eingehaucht. Auf diese Linie begibt sich nun die nächste Legende – früher der Porsche Frankreichs genannt – auch wenn die letzte Etappe der Wiederbelebung sich schon quälend lange hinzieht und zwischenzeitlich zu scheitern schien.
22 Jahre nach dem Aus von Alpine wird die Renault-Tochter im ersten Halbjahr mit der neuen A110 an den Start gehen, die sich mit dem knapp 4000 Euro günstigeren, dafür um knapp 50 PS stärkeren Porsche Cayman oder Alfa Romeo 4C messen wird. Der Vorschusslorbeeren gibt es für den lediglich 4,14 Meter kurzen Sportwagen viele. So war die Première Edition der ersten 1950 Einheiten innerhalb von fünf Tagen ausverkauft. Die nächsten Interessenten müssen sich schon bis zum Ende des kommenden Jahres gedulden, ehe der 1,1 Tonner vor der Haustüre steht. Doch das Warten lohnt sich.
Anleihen beim historischen Vorbild
Denn die Franzosen haben einen emotionalen Sportwagen konzipiert und letztendlich auch finalisiert. Wer eine lange Motorhaube und ein kurzes Heck erwartet, wird allerdings enttäuscht. Die Alpine verfügt über eine relativ kurze Motorhaube ohne dominierende Powerdomes und nimmt dabei Anleihen am historischen Vorbild, das 1973 die Rallye-Weltmeisterschaft gewann.
So gibt es zwar keine aufgesetzten Nebelscheinwerfer an der Front mehr, die im Zusammenspiel mit den ebenfalls runden Scheinwerfern das typische Alpine-Erscheinungsbild prägte. Doch sind die Nebelleuchten in die Frontschürze integriert und unterstreichen die Hommage an die Marke, die 1995 den Betrieb einstellte.
Die Fahrgastzelle geht fließend ins Heck über und beherbergt den Mittelmotor, sodass das Heck recht schlank ausfällt. Bedingt durch die ausgestellten hinteren Kotflügel und die kleine Kofferraumklappe erinnert die Alpine ebenfalls die guten alten Zeiten, als die Heckpartien von Sportwagen noch nicht ausufernd dimensioniert wurden. Insgesamt behält sich die Neuauflage des Kultautos seine kleinen Maße bei und setzt sich so wohltuend von der stetig wachsenden Sportwagen-Familie ab.
Alpine A110 in 4,5 Sekunden auf 100
Dabei macht sich die Alpine gar nicht klein. Der 1,8 Liter große Turbo stellt 185 kW/252 PS zur Verfügung. 320 Newtonmeter Drehmoment treiben zwischen 2000 und 5000 Umdrehungen die hinteren Antriebsräder an. Ein sehr gut schaltendes Doppelkupplungsgetriebe mit sieben Gängen sorgt dafür, dass der Sprint von Null auf 100 innerhalb von 4,5 Sekunden absolviert ist. Wer will, kann natürlich auch die Lenkradpaddeln benutzen, um die Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h zu erreichen.
Doch die Höchstgeschwindigkeit spielt ebenso eine Nebenrolle wie auch der Verbrauch, der mit auf der Rolle erzielten 6,1 Litern angegeben wird. Im wahren Leben fordert der Vierzylinder den Fahrer dazu auf, das Gaspedal herunterzudrücken und gegebenenfalls auch noch die am Lenkrad befindliche Sport-Taste zu aktivieren, mit der die Leistung verschärft abgerufen wird. Dann sind gut und gerne 12 Liter bereit, durch die Schläuche zu fließen.
Alpine A110 voll tauglich für die Rennstrecke
Besonders auf der Rennstrecke wird die Potenz des Leichtgewichts deutlich, auch wenn sich die Alpine dabei nicht als extremer Sportler outet. Sie wankt ein wenig in den Kurven, ohne dabei schwammig zu wirken. Dabei ist die Alpine zugleich nicht so bretterhart wie so manch anderer Mitbewerber. Dafür betört bei der A110 ein ehrliches Röhren die beiden Insassen.
Auch hier verweist ein Blubbern beim angeblichen Zwischengas auf die ruhmreiche Vergangenheit. Mit den 252 PS sowie dem gut abgestimmten Fahrwerk ist ein passender Kompromiss gefunden worden. Dieser Kompromiss erfreut nicht nur die älteren Herrschaften, die noch die neun Modelle der 40 Jahren dauernden ersten Ära kannten.
Viel Aufmerksamkeit für die Alpine A110
Auch im Innenraum ist dieser Kompromiss zu spüren. Die Sportsitze sind gut konturiert, Leder und Ziernähte sowie Alu-Pedalerie setzen die sportlichen Akzente. Die Instrumente sind gut ablesbar und leuchten im Sportmodus im traditionellen Rot.
Der sieben Zoll große Touchscreen von Bosch arbeitet auch in den Modellen des Allianz-Partners Nissan. Allerdings fehlt noch eine durchaus sinnvolle Rückkamera, da die Sicht nach hinten Sportwagentypisch begrenzt ist. Ende des kommenden Jahres soll auch sie zur Verfügung stehen. Die Inhaber der Première Edition gehen dabei leer aus.
Die in den Scheibenwischern integrierte Spritzwasseranlage kommt von Valeo und ist auch in der S- und E-Klasse vom Kooperationspartner Daimler integriert. Durch den direkten Einsatz an der Scheibe ist der Tank nur zwei statt vier Liter groß. Dadurch wird die nicht einmal 190 Kilogramm wiegende Leichtbaukarosse nicht unmäßig stärker belastet. Dank des Mittelmotors können hinten 100 Liter Gepäck verstaut werden. Vorne sind es 90 Liter, die Platz für einen Trolley sowie eine Tasche samt Sakko bieten, sodass der kleinen Urlaubsreise nichts entgegen steht.
Und die stolzen Besitzer, die mindestens 58.000 Euro für den Erstling angelegt haben, sollten auf dem Trip aber ein wenig mehr Zeit einkalkulieren. Zumindest beim ebenso formidablen Cruisen über französische Landstraßen und Boulevards. Auf den ersten Testkilometern zückten viele Franzosen das Smartphone oder hielten ihr Auto einfach auf der Straße an und erzählten zum Teil von ihren Erfahrungen mit der alten Alpine. Die Vorschusslorbeeren sind so groß, dass die Wiederkehr der automobilen Legende trotz der bereits etablierten Mitbewerber glücken wird.