Alfa Romeo Tonale: Leicht exzentrischer Italo-SUV

Unterwegs mit dem Plug-in-Hybrid

Alfa Romeo Tonale: Leicht exzentrischer Italo-SUV
Die elektrische Reichweite des Alfa Romeo Tonale lag beim Test über 50 Kilometer. © Axel F. Busse

Wer die Platzhirsche angreifen will, braucht nicht nur Selbstbewusstsein, sondern auch überzeugende Argumente. Ob der Alfa Romeo Tonale gegen VW Tiguan und andere bestehen kann, klärt unser Praxistest.

Alpenpässe als Namensgeber – diese Praxis hat der Alfa Romeo Stelvio begründet. Der Tonale setzt sie fort, der als mittelgroßes SUV nun auch mit Hybridantrieb und Stecker zu haben ist. Die zwischen Lombardei und Trentino gelegene Berg-Überquerung ist allerdings nicht Schauplatz dieser Testfahrten, denn der Tonale muss sich im Alltag bewähren. Möglichst als praktischer Fünftürer mit Ladekapazität und wirtschaftlichen Verbrauchswerten.

Preislich fehlt es dem italienischen SUV jedenfalls nicht an Selbstbewusstsein: Unter 52.500 Euro geht bei ihm gar nichts.

Vier Antriebsvarianten erhältlich

In vier Antriebsvarianten ist der Tonale erhältlich, wobei der Plug-In-Hybrid mit 1332 ccm den kleinesten Vierzylinder hat. Gemeinsam mit dem 90 kW starken Elektromotor bringt er es aber auf 280 PS Systemleistung, satte 120 Pferdestärken mehr als das zweitplatzierte Schwestermodell. Das ist auch gut so, denn immerhin hat der Stecker-Tonale auch rund 250 Kilogramm Mehrgewicht zu bewegen. Der Allradantrieb Q4 hilft, in 6,2 Sekunden (Herstellerangabe) auf 100 km/h zu spurten und bis 206 km/h im Vorwärtsdrang bleiben.

Das Cockpit des Tonale von Alfa ist übersichtlich gestaltet. Foto: Axel F. Busse

Auch wenn das Steuer ein sehr dynamisches Einlenken vermittelt, fühlt sich das Fahren im Alltag längst nicht so temperamentvoll an, wie es diese Werte versprechen. Das liegt an den Eigenheiten der 6-Gang-Automatik. Ihre Schaltpraxis ist zuweilen etwas exzentrisch. Bei geringer Leistungsanforderung blieb sie lange in der akuten Fahrstufe hängen und sorgte so für unnötig hohe Drehzahlen und entsprechenden Mehrverbrauch. Ist die 15,5 kWh-Batterie (netto 12 kWh) voll geladen, geht es dank 250 Newtonmetern Drehmoment zügig voran. Bis 135 km/h Spitzengeschwindigkeit soll der rein elektrische Antrieb reichen.

53 Kilometer Reichweite im Test

Ebenso optimistisch ist die Herstellerangabe zur Reichweite. Von 68 Kilometern ist nach WLTP die Rede, im reinen Stadtverkehr sollen sogar rund 80 km möglich sein. Bestätigen ließ sich dies bei unserem Test nicht. Zwar versprach das Bordsystem für die angezeigten 100 Prozent Ladung die Strecke von 65 Kilometern, jedoch ging nach 53 Kilometern der Verbrenner in den Dauerbetrieb über. Im Stand macht der Vierzylinder übrigens ganz schön auf dicke Hose: Wer sich hinter dem Fahrzeug aufstellt, wähnt sich nah einer am Steg festgemachten Motoryacht.

Trotz des sportlichen Images und eines ebensolchen Preises gibt sich Alfa bei den Lade-Bedingungen knauserig. Nur drei Kilowatt sind standardmäßig vorgesehen, was rund sechs Stunden Ladezeit bedeuten kann. Wer auf 7,4 kW kommen will, zahlt 400 Euro extra. Wer diese Zeit nicht hat, bzw. auf die heimische Wallbox mit 22 kW-Ladung (+900 Euro) verzichtet und entsprechend mehr den Benzinmotor beansprucht, muss mit fünf bis 6,5 Litern Verbrauch rechnen. Im Langzeit-Speicher des Bordrechners waren für rund 2000 Kilometer Strecke 6,2 Liter/100 km abrufbar.

Schicker Innenraum

In der Kabine geht es sehr ansehnlich und komfortabel zu. Da wird der Tonale den Erwartungen an die erlesene italienische Haute Couture gerecht. Ordentliche Materialauswahl, stimmige Designs und gute Haptik an den Bedienelementen wissen zu gefallen. Was man bei einem Auto dieser Preisliste lieber nicht sehen möchte, sind offenliegende Inbus-Schrauben wie zum Beispiel an der Befestigungsstruktur der Sitze. Die in der Veloce-version serienmäßigen Lenkradpaddel aus Aluminium sehen zwar schick aus, können aber bei der Bedienung der Lenkstockhebel im Wege sein.

Obwohl der Tank gegenüber den Schwestermodellen um 12,5 Liter verkleinert wurde, ist das Ladevolumen erheblich geringer als bei jenen. 115 Liter büßt das PHEV wegen des Platzes ein, die Batterie und Zusatzaggregate beanspruchen. So bleiben an Ladevolumen 385 Liter, was etwa einer Kompaktlimousine entspricht und 1430 Liter, wenn man die Rücksitzlehnen umklappt. Die Ladefläche ist dann fast eben und ohne Absatz in der Mitte. Die Kabine ist vorn 1,44 Meter und hinten 1,41 m breit, Zu- und Ausstieg sind wegen der höher liegenden SUV-Karosserie sehr bequem.

„Veloce“ mit reichlich Ausstattung

Der Alfa Romeo Tonale ist selbstbewusst eingepreist. Foto: Axel F. Busse

Beim Testwagen handelte es sich um die Top-Ausstattung „Veloce“. Dieses Modell ist noch einmal um 2500 Euro teurer als der normale Tonale PHEV. Serienmäßig bringt diese Variante 19-Zoll-Alufelgen mit, LED-Matrix-Scheinwerfer, Alcantara-Dachhimmel, Klimaautomatik, diverse Assistenz-Systeme, Alexa-Sprachassistent, Parksensoren vorn und hinten, sowie das 3D-Navigationssystem mit Alfa-Connect und 10,25-Zoll-Touchscreen.

Drei Zusatzpakete trieben den Preis des Testwagens auf nahezu 61.000 Euro, sie enthielten Lederpolster, beheizbare Vordersitze und Lenkrad, 360-Grad-Kamera sowie Harman-Kardon-Soundsystem.

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Axel F. Busse
Axel F. Busse ist gelernter Redakteur, sein kommunikations-wissenschaftliches Studium absolvierte er an der FU Berlin. Nach Tätigkeiten bei Tageszeitungen, wo er sich mit Auto- und Verkehrsthemen beschäftigte, arbeitet er seit 2003 als freier Autor ausschließlich in diesem Bereich. Außer für die Autogazette schreibt er für verschiedene Online- und Printmedien.

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