Alle Welt redet über die Transformation der Autobranche, doch Audi präsentiert mit dem Skysphere einen Fünf-Meter-Roadster. Macht ein solches Showcar noch Sinn?
Die erste Begegnung verschlägt einem schon die Sprache. Ein Fünfmeter-Roadster im Format einer Dodge Viper, mit monströsen Rädern und endlos langer Haube. Wow! Sieht so die Zukunft von Audi aus? Wird dieses Auto vielleicht der elektrische Nachfolger des R8 Spyder?
Designchef Marc Lichte verneint vehement, nennt den Audi Skysphere, zu Deutsch Himmelssphäre, schlicht ein Show Car – ohne Chance auf eine Serienproduktion. Aber es gäbe das eine oder andere Stilelement, das man schon bald an Audi-Modellen wiederfinden wird, zumindest an elektrisch angetriebenen, sagt Lichte. Zum Beispiel der digitale Grill, der nicht mehr der Luftzufuhr dient, sondern hinter dessen Oberfläche diverse Sensoren, Kameras, Laser, Radar und Ultraschall stecken.
Autonomie-Level 4 ist möglich
Sogar kommunizieren kann der Grill, etwa mit anderen Autofahrern, mit Fußgängern, mit Fahrradfahrern. Das muss der Skysphere auch. Denn auf Knopfdruck lässt sich der zweisitzige Roadster auf Autonomie-Level 4 umschalten. Heißt: Es übernimmt Kollege Computer, der Fahrer kann dann die Hände in den Schoß legen. Das Display wandert vom Fahrer weg, das Lenkrad verschwindet unter der Armaturentafel, die Sitze fahren zurück und – dies gilt nur für das Show Car – die Karosserie des Skysphere schiebt sich per ausgeklügelter Mechanik um knapp 25 Zentimeter teleskopartig auseinander.
In wenigen Sekunden wechselt der Roadster vom aktiven Fahrmodus in den autonomen Lounge- und Relax-Modus.
Der Skysphere ist das erste von drei Show Cars, die bei Audi innerhalb der nächsten acht Monate auf dem Plan stehen. Vorgestellt wird es am 13. August in Kalifornien im Rahmen der berühmten „Monterey Car Week“, auf dem legendären Rasen des Golfplatzes von Pebble Beach. Der Skysphere parkt hier standesgemäß neben einem Horch 853 aus den 30er-Jahren. Der Klassiker diente den Audi-Designern ein bisschen als Inspirationsquelle, zumindest was Präsenz und Luxus anging. Vor zwölf Jahren siegte der Horch hier beim Concours d’Elegance.
Auf IAA steht der Grandsphere
Auf der IAA Anfang September in München wird dann der Grandsphere stehen. Die große Coupé-Limousine soll einen Ausblick auf den 2024 kommenden nächsten A8 geben, natürlich vollelektrisch und ebenfalls Level-4-fähig. Nach und nach wird Audi sich vom Verbrennungsmotor verabschieden – auch in der Oberklasse. Im Frühjahr schließlich folgt der Urbansphere. Der Name verrät schon sein hauptsächliches Revier: die Stadt. Wobei man aber nicht hoffen sollte, dass Audi hier einen elektrischen Nachfolger des legendären A2 auf die Räder stellt. Man will sich in Ingolstadt nicht der Gefahr aussetzen, dass es heißen könnte, man hätte mit dem Urbansphere nur die Idee eines BMW i3 kopiert.
Allen drei Sphere-Studien gemeinsam ist der vollständig neu gestylte Innenraum. Denn elektrische Level-4-Fahrzeuge brechen mit allen Konventionen an frühere Interieurs und geben den Designern neue Gestaltungsfreiheiten, die zuvor undenkbar waren. „Die Architektur des Interieurs verändert sich stärker als jemals zuvor in den vergangenen Jahrzehnten“, sagt Marc Lichte, „der Innenraum wird zum Freiraum für Entspannung, Vernetzung und aktive Kommunikation.“
Es versteht sich von selbst, dass riesige Displays das Cockpit bestimmen. Im Skysphere zieht sich der Bildschirm fast quer über die gesamte Fahrzeugbreite. Das Lenkrad ist nahezu rechteckig, damit es sich einfacher unter das Armaturenbrett verstauen lässt. Ebenso verschwinden im Level-4-Modus die Pedale. Sobald dies geschehen ist, kann sogar der Fahrer eine Beinfreiheit genießen, wie man sie sonst nur in der First Class eines Flugzeugs hat.
E-Motor mit 634 PS
Den Antrieb im Skysphere übernimmt ein hinten platzierter E-Motor mit 634 PS Leistung und 750 Newtonmeter Drehmoment. Damit soll der Roadster in 4 Sekunden auf Tempo 100 beschleunigen. Seine 80-kWh-Batterie ermöglicht eine Reichweite von rund 500 Kilometern, zumindest im stromsparenden Cruise-Modus. Um mit dem Roadster auch in engeren Situationen zurechtzukommen, installierten die Ingenieure neben dem veränderbaren Radstand auch eine Vierradlenkung. Eine mechanische Verbindung zum Lenkrad existiert aber nicht mehr, das Lenken übernimmt ein Steer-by-Wire-System. Sogar unterschiedliche Übersetzungen und Lenkabstimmungen lassen sich so umsetzen. Auch den Fahrkomfort bestimmt die Elektronik. Die einzelnen Räder können gezielt angehoben oder abgesenkt werden. Der Skysphere wird damit zum Gleiter.
Ob Audi jedoch seinen Super-Roadster von der Pebble-Beach-Bühne wirklich einmal auf die Straße schickt, darf bezweifelt werden. Studien sind meist nur roll-, aber nicht wirklich fahrfähig. Manch kapitalkräftiger Besucher der Monterey Car Week wäre sicher nicht abgeneigt, für den Skysphere einen Blanko-Check auszustellen, um bei offenem Dach entlang der kalifornischen Pazifikküste den berühmten Highway Nummer 1 zu genießen. Entweder aktiv als Selbstfahrer oder entspannt autonom chauffiert – jeweils musikalisch begleitet von „California Dreamin‘“, dem Evergreen von „The Mamas & The Papas“.
Abseits der großen Bühne von Pebble Beach dürfte sich manch ein Betrachter des Skysphere gerade in Europa die Frage stellen, ob ein solches Auto für die Mobilitätsbedürfnisse von morgen steht. Da spielt es auch keine Rolle, dass ein E-Antrieb für den Vortrieb sorgt. (AG/SP-X)