Zeitgeist der Superreichen

Rolls-Royce Ghost

Mit dem Ghost will Rolls-Royce wieder in die Gewinnzone fahren. Damit dies so bleibt, schmieden die Engländer elektrische Luxus-Zukunftspläne.

Von Wolfgang Gomoll

«Das Wort Krise hört man bei unseren Kunden nie. Sie fragen nur, was das Auto kostet», gibt Rolls-Royce-Chef Tom Purves einen Einblick in ein Verkaufsgespräch. Doch auch bei der elitären Klientel findet ein Sinneswandel statt, Understatement ist «in».

Zeitgeist der Superreichen

Der Ghost soll diesen neuen Zeitgeist der Superreichen treffen und nicht so präsent sein wie der große Bruder Phantom. Der etwas zurückhaltendere Auftritt - wenn man bei einem 5,40 Meter langen und 1,94 Meter hohen Trumm von Auto davon sprechen kann - beginnt schon bei der Optik.

Die ist im Vergleich zum großen Bruder Phantom coupéhafter, fließender und zeigt nicht so eine ausgeprägt markant-kantige Platz-da-jetzt-komm-ich-Attitüde. Das beginnt beim chromglänzenden Kühlergrill, der nicht so steil im Fahrtwind steht, wie beim Phantom und hört bei der abfallenden Dachlinie auf, die dem Ghost eine gewisse Leichtfüßigkeit verleiht.

Chauffeur nicht nötig

Der Auftritt passt zum primären Verwendungszweck des Baby Rolls. «Der Ghost ist ein Auto, das die Kunden gerne auch mal selbst fahren», erklärt Purves. Für die nötige Souveränität sorgt ein 6,6-Liter-V12-Twin-Turbo-Motor mit 570 PS und einem knackigen Drehmoment von 780 Newtonmeter, das bereits ab 1500 Umdrehungen Gewehr bei Fuß steht. Die neue ZF-Achtgang-Automatik, die auch im Siebener BMW und dem 5er GT verbaut ist, passt wie die Faust aufs Auge zu diesem Leistungs-Schwergewicht mit Punch und sorgt bei Bedarf für standesgemäßes Gleiten.

Dabei sollen sich der Fahrer bzw. Chauffierte wohlfühlen. Dass im Fond genug Platz ist, um ausgeruht von A nach B transportiert zu werden, setzt man ja bei der britischen Edelmarke voraus. Auch eine perfekte Verarbeitung mit sorgsam ausgewähltem Leder. Doch das Design des dreifarbigen Innenraums ist genauso wenig jedermanns Sache, wie die Kontrollknöpfe des iDrive-Derivats. Die sind aus Plexiglas und ähneln eher Klingen an einem Wohnsilo als Bedienelementen in einem 250.000-Euro-Gefährt. Dass dieser Preis mit einem «ab» versehen werden muss, ist bei der solventen Kundschaft klar. Für eine geschmackvollere Innenraumgestaltung gibt es ja noch die «Bespoke»-Nachveredelung.

85 Prozent Fremdkunden

Der Ghost kommt gerade zur rechten Zeit, um die britisch-deutsche Edelmarke wieder in die Gewinnzone zu hieven. Bis einschließlich August 2009 hatte Rolls-Royce einen Verkaufs-Einbruch von 41 Prozent zu verzeichnen. «Uns hat die Krise später erwischt. Dafür kommen wir auch später heraus», erklärt BMW-Vertriebs-Vorstand Ian Robertson. Doch das erhoffte Gegenmittel steht schon in den Startlöchern. «Mit dem Ghost wird Rolls-Royce doppelt so viele Autos verkaufen», fügt Tom Purves hinzu.

Der Anfang ist gemacht. Alle 150 Ghosts, die 2009 noch auf einer extra dafür eingerichteten Produktionslinie im englischen Goodwood vom Band laufen, sind bereits vergeben. Im nächsten Jahr sollen dann rund 1500 Exemplare des «Baby Rolls» an den Mann gebracht werden. Das sollte kein Problem sein, denn bereits 1500 Kunden haben ihr Kauf-Interesse deutlich bekundet. «Interessanterweise kommen 85 Prozent davon nicht von Rolls-Royce. Ein Phantom-Besitzer bleibt seinem Produkt treu», sagt Purves.

Trend zum Strom

Zumal der Ghost in der Regel nicht das einzige Auto in der Garage des Besitzers sein dürfte. Die Rolls-Royce-Kundschaft nutzt Edel-Karossen, wie andere Jacken, für jede Gelegenheit steht dort das passende Gefährt. Viele der Autos werden traditionsgemäß in die USA und in den Mittleren Osten verkauft. Deutschland ist nach Großbritannien der zweitwichtigste europäische Markt.

«Wir erwarten in der zweiten Hälfte des nächsten Jahres den Turnaround», so Robertson. Damit dieser Aufwärtstrend nicht mit dem Ghost endet, planen die britisch-bayerischen Strategen jetzt schon die Zukunft. Der Trend zum Stromern wird auch an Goodwood nicht vorbeigehen.

E-Technik vorhanden

«Ein Mild-Hybrid-Version des Ghost ist definitiv eine Möglichkeit», gibt Rolls-Royce-Chef Purves einen Einblick in die Überlegungen der Modell-Strategen. Beim größeren Phantom wird es wohl ein Voll-Hybrid werden. Da das 2,5 Tonnen schwere Flaggschiff oft auch als Kurzstrecken-Mobil verwendet wird, spielt auch eine reine E-Version mit Sicherheit in den Planungen eine Rolle. «Wir bei BMW haben die Technologie zur Elektrifizierung», stellt Ian Robertson klar. Da ist es wohl nur eine Frage der Zeit, bis es aus Goodwood wieder Neues zu vermelden gibt.

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