Schweizer Fuhrwerk

«Faster One»

Weil ihm die gängigen Sportwagen zu schwer sind, baut sich ein eidgenössischer Jünger der Längs- und Querbeschleunigung sein Auto selbst. Heraus kommt der schnellste Sportwagen der Welt.

Von Jochen Knoblach

Die Schweiz ist nicht unbedingt ein Land, bei dem man zuerst an Schnelligkeit und Tempo denkt. Eher an lila Kühe und Emil Steinberger. Allenfalls noch an DJ Bobo, den Temperamentsbolzen. Bei Tobel, einer kleinen Gemeinde im Kanton Thurgau, denkt man aber nicht einmal an den. Die Ortschaft hat 1351 Einwohner, die zum Teil im Verein für Seniorenturnen aktiv sind oder in der «Männerriege Tobel». Und dann gibt es dort noch einen Mann namens Roman Weber, der den schnellsten Sportwagen der Welt bauen will. Ausgerechnet in Tobel.

Leichter als ein Polo

Vor fünf Jahren fing alles an. Der damals 37-jährige Maschinenbauingenieur hat eine gut gehende Firma, die Implantate herstellt und orthopädische Hilfsmittel aus Titan. Später liefert sie auch Teile für den Motorsport. Roman Weber kennt sich aus mit Autos. Er kennt die schnellen, flachen und teuren Zweitürer. Schön sind sie alle, aber fast immer zu schwer, sagt er. «Sportwagen wiegen heutzutage alle um die 1,8 Tonnen. Das ist zu viel, oder?» Das war für ihn der Antrieb. Inzwischen ist der Prototyp fertig, leichter als ein Polo, stark wie ein ganzes Dutzend des kleinen Volkswagen. Sein Name: Faster One.

Die Karosserie des flügeltürigen Zweisitzers von 4,50 Metern Länge besteht aus Carbon. So bringt das Auto, das so flach auf dem Asphalt liegt, dass ein Tennisball nicht darunter hindurch rollen könnte, gerade mal 1100 Kilogramm auf die Waage. Doch Leichtbau ist nur die eine Seite des Faster One. Die andere hockt ebenso bedrohlich wie viel versprechend zwischen den Sitzen und der Hinterachse.

Ingenieure aus der Formel 1

Karosserie aus Carbon Foto: Weber Sportcars

Weber nennt das Aggregat einen modifizierten LS7-Motor und meint einen gewaltigen V8 mit sieben Litern Hubraum. Es ist ein amerikanischer Small-Block-Corvette-Treibsatz, dem zwei Kompressoren zu 900 PS verhelfen und ermöglichen, dass bei lächerlichen 3900 Touren 1050 Newtonmeter in das selbst entwickelte sequenzielle Sechsgang-Getriebe gepumpt werden, um von dort über Allradantrieb und die speziell gebackenen 20-Zöller von Pirelli auf die Straße zu gelangen, dass man es für einen Moment sogar für möglich hält, dass sich nicht das Auto fortbewegt, sondern es die Erde unter sich rotieren lässt. «Mehr als 400 km/h» werden versprochen. Deshalb der Name.

Eine ausgeklügelte Aerodynamik ist dafür die Voraussetzung und zugleich für den Fahrer überlebenswichtig, wenn die Fuhre nicht abheben soll. Dazu hat das 21-köpfige Entwicklungsteam, dessen Ingenieure ausnahmslos aus der Formel 1 kommen, zahlreiche Computersimulationen, Windkanaltests und auch praktische Versuche durchgeführt. Der Unterboden ist komplett verkleidet und glatt, um sich per Unterdruck auf den Asphalt saugen zu können. An den Türen hat man auf aerodynamisch störende Klinken verzichtet und lässt sie sich elektrisch öffnen. Zudem presst ein ausfahrbarer Heckflügel das Auto bei hohen Geschwindigkeiten auf die Straße.

Bugatti kein Thema

Der V8 Bi-Kompressormotor mit 900 PS Foto: Weber Sportscars

Bei 400 km/h drücken so 800 Kilogramm auf die Hinterachse. «Dann ist der Faster One so schwer wie ein Bugatti im Stand», sagt der Maschinenbau-Ingenieur und lächelt. Geht es um den Bugatti? Heißt «mehr als 400 km/h» vielleicht vor allem mehr als 407 km/h, die der 1001 PS starke Bugatti Veyron schafft? Soll das Weber-Auto schneller sein?

Der 42-Jährige winkt ab. «Vergessen Sie den Bugatti. Um ihn geht es nicht. Nicht darum, auf der Geraden ein paar km/h schneller zu sein.» Für Weber macht die Beschleunigung den eigentlichen Spaß an der Bewegung aus. Ein Auto erlebt man zwischen 50 und 200 km/h, sagt er. «Es geht darum, ob man eine Kurve mit Tempo 60 oder 120 durchfahren kann. Kurven kann man nicht mit 400 km/h fahren.»

In 16,2 Sekunden auf 300

Die Türen öffnen elektrisch Foto: Weber Sportcars

Und dann geht es doch um den Bugatti. Denn der lässt sich bei Bedarf in zweieinhalb Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 beschleunigen. Das haben die Schweizer bereits geschafft. Nun wollen sie diesen Wert unterbieten. Dabei sind die Beschleunigungsleistungen schon jetzt jenseits der Vorstellungskraft: Ist der Faster One gestartet, braucht die Tachonadel gerade 6,6 Sekunden, um die 200 zu streifen. Knappe zehn Sekunden später wird die 300 passiert, nach 16,2 Sekunden.

Wie groß die Zahl der Autonarren ist, die sich für den Faster One begeistern können und die gut eine Million Euro zu zahlen bereit ist, weiß Weber nicht oder will es nicht sagen. Dann verrät er, dass in Tobel jährlich drei bis fünf Autos gebaut werden könnten. Im Sommer soll eine Kleinserienfertigung beginnen, und im Herbst geht es mit dem Auto dann auf die Automessen in Dubai und Moskau. Roman Weber ist hoffnungsvoll und auf jeden Fall ist ein Markt für Autos dieser Art vorhanden. Von dem 1,3 Millionen Euro teuren Bugatti Veyron 16.4 jedenfalls wurden im vergangenen Jahr weltweit 81 Fahrzeuge verkauft. Im Jahr zuvor waren es 45.

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