Mit dem X steigt Zeekr ins Segment der Kompakt-SUV ein. Für einen fairen Preis gibt es viel Komfort und starke Ladetechnik.
Mut haben sie bei Zeekr, das muss man ihnen lassen. Legen einen Europa-Start gleichsam aus dem Nichts hin – keine Händler, keine Niederlassungen, kein Werkstattnetz. Dieser Tage öffnet in Stockholm gerade mal der erste „Flagship Store“, Amsterdam folgt Anfang November, und im kommenden Jahr soll es auch in Deutschland losgehen. Dann besteht dort auch die Möglichkeit für Testfahrten.
Für den Kundendienst kommt ein Service-Mobil – bei tiefgreifenderen Reparaturen wird der Wagen abgeholt und gebracht. Bis 2025 plant die elektrische Premium-Marke der riesigen chinesischen Geely-Familie dann zumindest Dependancen in München und Düsseldorf.Immerhin gibt es Autos: Ein paar hundert Fahrzeuge schippern derzeit auf einem Frachter Richtung Zeebrugge in Belgien. Exemplare der noblen Fünf-Meter-Limousine 001 – und die ersten Modelle des Kompakt-SUV X. Beide gehören im Reich der Mitte schon zum Straßenbild.
Geely-Konzept technikgleicher Markenvielfalt
Mit 4,43 Metern Länge positioniert sich der Zeekr X zusammen mit dem Konzern-Bruder Smart #3 zwischen Volvo EX30 und Polestar 4, die allesamt auf der gemeinsamen SEA-Plattform aufbauen. Die Chinesen folgen damit jener Philosophie der technikgleichen Markenvielfalt, die der VW-Konzern schon seit Jahrzehnten pflegt. Echte „Volkswagen“ allerdings gibt es in der Geely-Welt eher nicht. Auch der Zeekr X positioniert sich ganz klar im Premium-Bereich – außer beim Preis: 44.990 Euro für das Einstiegsmodell sind eine echte Ansage gegenüber denen, die im Wappen Stern, Ringe oder Weiß-Blau tragen.
Optisch wie technisch haben sie sich nicht lumpen lassen und schick was auf die stahlgefederten Beine gestellt. Mit stolz aufragendem Bug, langgezogenem Dach und kräftigen Schultern. Bei den Farben indes hätte man sich mehr Mut gewünscht. Grau, Grün, Weiß und Beige sind dann doch Lackierungen mit mehr als bloß fernöstlicher Zurückhaltung.
Platz hat’s dank 2,75 Metern Radstand vorne reichlich. Nicht ganz so bequem geht’s trotz einer sensationellen Überkopfverglasung in zweiter Reihe zu – aber ohne ein bisschen Demut vor dem Design sitzt sich’s halt nicht. Hinter dem gut konturierten Gestühl packt der Zeekr X 362 Liter weg, mit umgeklappten Rücklehnen wächst das Gepäckabteil auf einen guten Kubikmeter. Zusätzlicher Stauraum findet sich im „Frunk“ unter der Fronthaube – dafür ist das klassische Handschuhfach Geschichte.
Schon in der Basis 19 Sicherheitssysteme
Beim Interieur macht sich der X schön angreifbar. Statt Hartplastik findet sich jede Menge Umschäumtes, Bespanntes und Gestepptes, selbstverständlich tierfrei. Auch nach unsauberen Spaltmaßen sucht man vergebens. Sehr viel einladender kriegt man es auch bei Deutschlands Premium-Produzenten nicht. Sicherer übrigens ebenso wenig. Schon in der Basisversion wachen 19 Sicherheitssysteme über das Wohl der Insassen. Zeekrs Jüngster wahrt Tempo, Spur und Abstand, erkennt Verkehrszeichen, späht in tote Winkel, assistiert im Stau und wirft im Notfall selbstverständlich den Anker.
Rund um das leider nicht ganz so runde Lenkrad geht es höchst aufgeräumt zu, ja geradezu minimalistisch. Was alles sensationell dezent aussieht, aber bei so einfachen Dingen wie Heizung oder der Verstellung von Lenkrad und Außenspiegeln den Touchscreen erfordert. Das kann man mögen – muss man aber nicht. Ungewohnt, aber praktisch: Der Zeekr XT5 braucht weder Zündschloss noch Startknopf. Einfach Hebel Richtung D und los. Dafür sieht das, was man früher Schlüssel nannte, ziemlich schmucklos aus.
Dominiert wird das Interieur von einem 14,6-Zoll-Bildschirm, die wichtigsten Fahrdaten finden sich auf einer kleinen Anzeige hinter dem Lenkrad, alles andere wird über ein Head-up-Display an die Frontscheibe geworfen – inklusive schwirrende Richtungspfeile für die Navigation. Das ist im Wortsinn großes Kino. Hoffentlich noch ein Manko der Vorserie: Der Wagen war bei den Testfahrten oft schon deutlich weiter als die Positionsanzeige. Und auch gut gemeinte Ermahnungen in Sachen Tempo hatten mit der aktuellen Lage nicht immer etwas zu tun.
Wahlweise Heck- und Allradantrieb
Bei der Einstiegsversion mit Single-Motor sitzt der Antrieb hinten. Ordentlich in Schwung gebracht wird der knapp zwei Tonnen schwere Zeekr X mit 272 PS, die sich aus einem 69-kWh-Akku speisen. Dennoch gilt der Satz von Rallye-Ikone Walter Röhrl, wonach ein Auto mit zwei getriebenen Rädern eben bloß eine Notlösung ist. Beim AWD-Modell haben die Chinesen dieses Prinzip beherzigt und an die Vorderachse noch einen Motor mit 156 PS gepackt. Die hecklastige Auslegung der Kraftverteilung dürfte dabei nicht bloß dem Großmeister der Quertreiber-Zunft gefallen. Freunden der Effizienz zur Freude legt sich im Normalbetrieb der Frontmotor zur Ruhe und erwacht erst bei Bedarf binnen eines Wimpernschlags.
Die Reichweite gibt Zeekr bei einem cW-Wert von 0,28 mit 445 Kilometern (WLTP) an, beim Allrad-Modell sind es 20 Kilometer weniger. Allerdings darf man dann dem Reiz der Beschleunigung nicht allzu oft erliegen. Für den Standard-Spurt auf Tempo 100 vergehen beim X AWD gerade mal 3,8 Sekunden, die Hecktriebler brauchen aber auch bloß 1,8 Sekunden länger. Und bei 180 Sachen ist sowieso Schluss. Auch in China gilt schließlich Buch eins der Batterie-Bibel: Dynamik kostet Distanz.
Die Abstimmung des Zeekr X ist ausreichend straff, ohne sänftig zu wirken. Dabei tut die Batterie im Boden das Ihre für einen tiefen Schwerpunkt des Wagens, andererseits strebt Masse in Kurven halt Richtung Tangente. Gänzlich überlisten lässt sich die Physik eben auch von den klügsten Helferlein nicht. Erfreulich: Die Lenkung vermittelt ein gutes Gefühl dafür, dass Vorderräder und Volant miteinander zu tun haben.
Serienmäßig 22 kW AC-Ladeleistung
So oder so ist irgendwann der Saft alle. Eher ungewöhnlich in diesem Segment: Der Onboard-Charger ist serienmäßig auf eine Wechselstrom-Leistung von 22 kW ausgelegt, die volle Ladung dauert dann maximal vier Stunden. Am Gleichstrom-Lader zieht der Zeekr X mit bis zu 150 kW. Für die Füllung auf 80 Prozent vergehen da gerade mal 28 Minuten. Eine Wärmepumpe ist bei allen Zeekr X Serie.
Schon im Basismodell hat’s beheizte Sitze vorne und hinten, Glasdach, Klimaautomatik, Sound-System und 19 Zöller. Die vergleichsweise bescheidenen 4500 Euro Aufpreis zum Allradler (ab 49.490 Euro) sollte man sich angesichts von Mehrleistung, 20-Zöllern und Massagesitzen aber durchaus gönnen. Und wer bei China immer noch ein bisschen Bedenken trägt: Auf den Wagen gibt’s fünf Jahre Garantie, auf den Akku acht (bis 200.000 Kilometer).
Luft für ein Top-Modell wäre auch. Immerhin basiert der Zeekr X auf derselben Plattform wie der brandneue 001 FR, der mit 930 kW (1265 PS) und einem Spurt auf Tempo 100 in 2,07 Sekunden als neuer Tesla-Jäger an den Start rollt. Ein bisschen „Future Road“ stünde dem Zeekr X durchaus.