Nicht ohne meinen Geigenkasten

Der Daihatsu Materia besticht nicht gerade durch Schönheit, fällt aber auf. Die kleine Ausgabe einer amerikanischen Gangsterlimousine bietet Platz en masse.

Von Thomas Flehmer

Er ist ein Hingucker - ohne Zweifel. Wenn sich eines von knapp 2000 im Jahr 2007 verkauften Modellen des Daihatsu Materia durch die Straßen bewegt, recken Passanten die Köpfe. Dabei ist der Japaner nicht gerade als Schönheit zu bezeichnen. Es liegt an der außergewöhnlichen Linienführung, die den Materia zum Zwischending zwischen amerikanischer Gangsterlimousine aus den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts und einem gewöhnlichen Aluminium-Toaster macht, und selbst auf vollen Straßen der Großstadt aus dem gewohnten Rahmen fällt.

Enorme Kopffreiheit

Auf 3,80 Meter Länge, knapp 1,70 Meter Breite und 1,64 Meter Höhe sind eine bullige Front und eine kastenförmige Fahrgastzelle untergebracht, die Passanten je nach Gusto entweder zum Staunen oder zum Schmunzeln bringt. Dank eines Radstandes von 2,54 Metern haben im Innenraum fünf Personen bequem Platz. Etwaige Gangster könnten bei einer Innenraumhöhe von 1,33 Metern sogar ohne Probleme ihre Melone aufbehalten ohne an die Decke zu stoßen.

Dagegen bietet der Kofferraum nur Platz für die Geigenkästen, in denen das Handwerkszeug untergebracht ist. 181 bis 294 Liter stehen hier nur zur Verfügung, wenn die 16 Zentimeter der verschiebbaren Rücksitzbank voll genutzt werden. Klappt man die Bank um, wächst das Volumen auf 619 Liter, werden noch die Lehnen der Vordersitze nach hinten umgelegt, entsteht eine Ladefläche bis zu 2,2 Metern oder eine kleine Liegewiese für zwei Personen.. Um dann den Aufenthalt so gemütlich wie möglich zu gestalten, kann der Innenraum per Knopfdruck links neben dem Lenkrad bläulich illuminiert werden..

Gefühle wie im Bulli

Praktisch angelegter Innenraum Foto: Daihatsu

Bei diesen Annehmlichkeiten fallen die ansonsten karg, aber praktisch angebrachten Instrumente nicht so auf, brauchen sie auch nicht. Nur der lange Schalthebel, älteren Fahrern schon aus dem VW Bulli bekannt, passt nicht ganz in das Bild. Die Schaltwege sind lang ehe der nächste Gang richtig sitzt. Damit wird der Materia ein wenig seiner eigentlich recht guten Spritzigkeit beraubt. Zudem muss auch das Gaspedal kräftig durchgedrückt werden, um den niedrigen Drehzahlen zu entschwinden und das lediglich eine Tonne schwere Mobil nicht abzuwürgen. Denn das maximale Drehmoment von 132 Nm kommt erst bei 4400 U/min zum Tragen.

Sind diese Hindernisse überwunden, entfaltet der 1.5 mit seinen 79 kW/103 PS eine nicht unbedingt für möglich gehaltene Kraft. Nach 10,8 Sekunden sind bei optimaler Schaltung bereits die 100 km/h erreicht, für einen Kleinwagen ein beachtlicher Wert. Und auch die 170 km/h Höchstgeschwindigkeit können sich sehen lassen. Bei Autobahnfahrten stoppte der Tacho sogar erst bei 180 km/h. Die beste Reisegeschwindigkeit - auch von der Lautstärke her - stellte sich bei rund 150 km/h ein.

Großer Kleinwagen

Sorgt für Überraschungen auf der Autobahn Foto: Daihatsu

Doch auch abseits der Autobahn machte der Materia eine gute Figur. Natürlich können die Kurven aufgrund der Kastenform nicht ganz so schnittig genommen werden, aber Probleme bereiteten die Abzweigungen nicht. Das Fahrwerk ist straff und das Fahrzeug lässt sich leicht lenken ohne dass der Kontakt zum Asphalt vermisst wird. Trotz positiver Fahreindrücke merkt man jederzeit - auch am Sound des 1,5 Liter-Benzinmotors -, dass man in einem Kleinwagen sitzt.

Die von Daihatsu angegebenen 7,2 Liter im Mix wurden auch im Testzeitraum erreicht. Dass der Materia nur Normalbenzin benötigt, ist ein Jahr nach seiner Einführung aufgrund der Preisangleichung hinfällig geworden. Er verträgt auch das ebenso teure Super ganz gut.

Teure Fuhre

Platz im Kofferraum ist nur vorhanden, wenn man die Rücksitzbank umklappt Foto: Daihatsu

Ein wenig zu hoch gegriffen erscheint dagegen der Preis für den stärkeren, aber fast vollständig ausstaffierten Benziner. 15.790 Euro müssen berappt werden, das ESP kostet weitere 650 Euro. Kopfairbags sind für weitere 450 Euro erhältlich und die Perleffektlackierung schlägt mit weiteren 390 Euro zu Buche. Wer zudem von der Fünfgang-Schaltung auf eine Vierstufen-Automatik zurückgreifen möchte, ist mit 1200 Euro dabei. Und da müssen selbst Gangster ihren Geigenkasten häufiger hervorholen.

Keine Beiträge vorhanden