Mercedes EQT: Gutes Aussehen allein reicht nicht

Mercedes EQT: Gutes Aussehen allein reicht nicht
Der Mercedes EQT ist die batterieelektrische Version der T-Klasse. © Mercedes

Was bei Nissan der Townstar, bei Renault der Kangoo, ist bei Mercedes der EQT. Doch lohnt sich der Aufpreis zu den Konkurrenten?

Früher war nicht nur mehr Lametta, sondern es gab eine große Auswahl an praktischen Vans für Familien oder für Menschen, die etwa ihre umfangreiche Sportausrüstung transportieren wollten. Mit dem Siegeszug der SUV in allen Längen sind Vans jedoch fast komplett verschwunden.

Als Alternative kommen nun Hochdachkombis ins Spiel, wie etwa die von uns gefahrene elektrische Mercedes T-Klasse, die auf den Namen EQT hört. Zurzeit einzig verfügbare Variante ist der fünfsitzige 4,50 Meter lange EQT 200 mit 122 PS und einem 45 kWh großen Akku für rund 49.500 Euro. Eine Langversion mit Platz für bis zu sieben Personen folgt noch.

Kooperation mit Renault

Ein Hochdachkombi im Mercedes-Angebot? Ist nichts Neues. In Kooperation mit Renault hatten die Schwaben bereits seit 2012 den Citan im Portfolio, der weitgehend baugleich mit dem Renault Kangoo vorfuhr. Die zweite Generation startete 2021, wieder in Zusammenarbeit mit den Franzosen.

Anders als bei der ersten Generation hat Mercedes die Pkw-Version aber umbenannt. Mit der Bezeichnung T-Klasse bzw. EQT wurden die Fahrzeuge in der Mercedes-Nomenklatura integriert

Typisches Mercedes-Design

Kommt einem bekannt vor: das Cockpit im EQT 200 mit dem typischen Mercedes-Lenkrad. Foto: Mercedes

Und nicht nur die Bezeichnung entspricht der Mercedes-Norm, auch Optik und Anmutung sollen – anders als bei der ersten Auflage – den Standards der Marke entsprechen. Die Front ist im typischen Mercedes-EQ-Design gehalten.

Der große Stern und der große, schwarze Grill mit den auffälligen Lamellen machen die Zugehörigkeit unmissverständlich klar. Ein Hochdachkombi – selbst mit Stern – gewinnt jedoch keinen Schönheitspreis, seine Vorzüge zeigen sich in anderen Bereichen. Zum Beispiel gelingt der Einstieg über die sich sehr weit öffnenden Fronttüren sowie über die zwei seitlichen Fondtüren einfach.

Nutzfahrzeug-Charme kaschiert

Innen haben die Mercedes-Designer versucht, den Nutzfahrzeug-Hartplastik-Charme zu kaschieren. Es gibt das typische Mercedes-Lenkrad mit den kleinen Bedien-Touchspads, hochwertige Kunstledersitze mit gutem Halt und das MBUX-Infotainmentsystem; Schalter und Luftausströmer kennt man aus anderen Mercedes-Modellen.

Ebenfalls aus dem Mercedes-Fundus stammen die Assistenzsysteme, darunter ein Seitenwindassistent. Nicht geändert hat Mercedes leider den Renault-Automatikwählhebel. Der wirkt nicht nur wuchtig, sondern lässt sich nicht gut bedienen, da am Hebel nicht angezeigt wird, welche Fahrstufe eingelegt ist. Dafür muss man ins Zentraldisplay schauen.
Ausreichend Platz für Fahrer und Beifahrer

Fahrer und Beifahrer haben reichlich Platz, allerdings ist der Verstellbereich für die Sitze für lange Menschen zu kurz geraten. Die verschiebbare und zweigeteilte Rückbank ist fünf Zentimeter höher montiert, um Platz für den Akku zu schaffen. Kinder dürften sich über die höhere Sitzposition freuen, können sie doch besser herausschauen.

Größere Menschen sitzen aber mit angewinkelten Knien, da es wenig Fußraum unter den Vordersitzen gibt. Die Anordnung der zweiten Reihe hat aber noch einen weiteren Nachteil: Beim Umlegen der Sitze entsteht eine Stufe. Das beeinträchtigt den Nutzwert des Kofferraums. Zwar stehen zwischen 550 und fast 2.000 Liter Stauvolumen zur Verfügung, doch durch die Stufe wird das Beladen erschwert.

Leistung reicht völlig aus

Die Antriebseinheit gibt sich dagegen ganz unkompliziert und auch bodenständig. Keine PS-Protzerei, kein Akku-Wettrennen. Die 122 PS reichen, den fast 2 Tonnen schweren Hochdachkombi auf Touren zu bringen. Denn sportlicher Ehrgeiz ist hier – typgerecht – fehl am Platz. Das Fahrwerk ist komfortabel ausgelegt, bügelt die meisten Fahrbahnunebenheiten weg. Der Spurt auf Landstraßentempo gelingt in knapp 13 Sekunden, die Höchstgeschwindigkeit bei Tempo 132 erreicht.

Auf der Autobahn kann man mitschwimmen, allerdings ist das Einsatzgebiet des EQT doch eher auf urbanen und ländlichen Straßen. Schon weil der vergleichsweise kleine Akku im Idealfall für Reichweiten bis 270 Kilometer gut ist und damit auf dem Niveau der elektrischen Hochdachkombis aus dem Stellantis-Konzern wie Opel Combo oder Citroen Berlingo liegt. Im Alltag bei Temperaturen von nasskalten 8 bis 10 Grad (plus) standen rund 200 Kilometer zur Verfügung. Der Verbrauch pendelte sich mit 21 kWh knapp über dem Normwert ein. Schnellladen gehört zudem nicht zu seinen Metier. Der EQT zieht mit maximal 80 kW Strom an einer Schnellladestation. Die Ladebuchse sitzt übrigens vorne hinter dem Mercedes-Stern.

Klappt der zweite Versuch?

Der EQT 200 von Mercedes hat eine Länge von 4,50 Meter. Foto: Mercedes

Mit dem EQT bzw. der T-Klasse wagt Mercedes den zweiten Versuch, einen kompakten Hochdachkombi auf Sterneniveau zu lancieren. Dafür haben sich die Schwaben diesmal schwer ins Zeug gelegt. Doch nicht alles lässt sich ändern. Neben dem Schalthebel und der Stufe beim Umklappen der Rücksitze missfielen auch die nicht satt ins Schloss fallenden vorderen Türen.

Bleibt die Frage, ob den Kunden das Mercedes-Kleid und eine mehrere tausend Euro Aufpreis gegenüber dem elektrischen Renault Kangoo oder dem dritten im Kooperationsverbund Nissan Townstar Wert ist? Zumal die Antriebseinheit bei den Drillingen identisch ist. Apropos Geld: Natürlich lässt sich der Preis, für den unter anderem mit Wärmepumpe ordentlich ausgestatteten EQT nach oben treiben. Sollen etwa Navi mit intelligenter Routenführung, Sprachsteuerung, Smartphone-Integration, Chromzierrat und ein schicker Metallic-Lack an Bord sein, werden weitere 4000 Euro fällig. (SP-X)

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