Wer einen Kombi fährt, der möchte nicht auf Sportlichkeit verzichten. Doch müssen es unbedingt 585 PS wie im Mercedes E63 AMG sein? Diese Frage stellt sich für ein Klientel nicht, die bereit sind, über 120.000 Euro für ein solches Auto auszugeben.
585 PS!!1 oder 585 PS??? Hinter diesen zwei Satzzeichen verbirgt sich die unterschiedliche Reaktion auf die Beantwortung der Frage, wie viele PS denn unter der Haube unseres Testwagens, einem Mercedes E-Klasse T-Modell, werkeln. Normalerweise ist der Kombi mit dem Stern mit vielleicht der Ausnahme des E500 relativ unverdächtig Nachfragen bezüglich der Leistung zu provozieren. Unser Fahrzeug, ein E63 AMG in der S-Version, sorgte jedoch schon akustisch für Gesprächsstoff. Aber der Reihe nach.
585 PS!!! Die drei Ausrufezeichen stehen für lautes Wow, tiefe Beeindruckung und strahlende Augen. 585 PS??? Die Menschen, die zur Fragezeichengruppe gehören, brachten so ihr Unverständnis (doppeldeutig) und ihren Unglauben zum Ausdruck. Sie komplettierten dies durch die Aussagen: „Das braucht doch kein Mensch“ sowie „Das kann sich niemand leisten.“ Mal abgesehen davon, dass diese Aussagen nicht korrekt sind, da es durchaus Menschen gibt, die ein solches Fahrzeug wollen und es sich leisten können, waren die Bedenkenäußerer in der Minderheit.
Dezenter optischer Auftritt
Das liegt sicherlich an dem vergleichsweisen dezenten optischen Auftritt sowie vor allen Dingen an dem wohltönenden Klang des AMG-Kombis, die zu einem positiven Kennenlernen beitragen. Wobei die Eigenschaften dezent und wohltönend natürlich subjektiv vom Auge beziehungsweise Ohr des Wahrnehmenden definiert werden. Immerhin: Das getunte T-Modell verzichtet auf allzu martialisch wirkende stilistische Veränderungen ohne auf die obligatorischen wie Kotflügelverbreiterung, Abgasanlage mit zwei Doppelendrohrblenden oder rot lackierte Bremssättel zu verzichten. Und was den Klang angeht? Der Achtzylinder verfügt über die komplette Bandbreite eines artgerechten Sounds, er kann leise brummelnd brabbeln, er kann aber auch mächtig fauchen. Kleine (2 Jahre) und große Jungs (über 70 Jahre) aus der Nachbarschaft erfreuten sich an seiner Klangvielfalt.
Gutes Aussehen und schöner Klang sind aber im Vergleich zu den gebotenen Fahrleistungen nur schnödes Beiwerk. Im Zuge der Überarbeitung der E-Klasse im Frühjahr haben auch die AMG-Modelle einige Modifikationen erhalten. Der 5,5-Liter-Biturbo leistet nun 430 kW/585 PS, das sind 20 kW/28 PS mehr als zuvor. Das motorische Kraftpaket entwickelt ein maximales Drehmoment von 800 Nm. Die Kraft wird mittels Siebengang-Automatik nicht mehr ausschließlich auf die Hinterachse weitergeleitet, sondern an alle vier Räder. Der hier serienmäßige Allradantrieb verteilt das Motormoment bis zu 67 Prozent auf die Hinterachse.
3,7 Sekunden bis Tempo 100
In 3,7 Sekunden stürmt der Kombi – die Insassen katapultartig in die Sitze pressend - von 0 auf Tempo 100 und macht damit auch Sportwagen alle Ehre. Von 0 auf 200 km/h braucht er nicht länger als durchschnittliche Mittelklassewagen für den Standardspurt benötigen, in knapp 12 Sekunden erreicht er die 200-Marke. Noch beeindruckender gestalten sich aber die scheinbar unerschöpflichen Kraftreserven. So ließen wir auf der Autobahn bei tempolimitierten Strecken die wie hyperaktive Kläffer um den E63 AMG herumschwänzelten GTIs aller Art (mit männlichen Fahrern hinterm Steuer) ihren Spaß, ein solches Fahrzeug drängeln und überholen zu können.
Wie ein gutmütiger Mastiff zeigte sich unser Testfahrzeug von derlei Provokationen völlig ungerührt, um nach Aufhebung eines Tempolimits mit leichtem Druck aufs Gaspedal und durch das Wechseln in den geschärften S+-Fahrmodus die Rangordnung im Rudel ganz leicht wieder herstellen zu können. Beschleunigungsbefehle von 130 auf 180 km/h führt der Kombi ganz spielerisch aus, und auch von 180 auf deutlich mehr als die üblicherweise elektronisch abgeregelte Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h erledigt er ohne wirklich angestrengt zu sein, selbst berghoch. Bucht der Kunde das Performancepaket inklusive Fahrertraining, rennt ein E 63 ohne Begrenzung gerne auch 300 km/h schnell. Nur das Motorengeräusch klingt nicht mehr brummelend zurückhaltend, sondern laut und heißer.
Gelassenheit statt Übermut
Mal abgesehen von solch kleinen Rangordnungsspielereien verleitet der AMG-Kombi nicht zu testosterongesteuerter Fahrweise. Gelassenheit (auch aufgrund des Wissens um das Kraftpotential) herrscht vor. Meistens fuhren wir im Fahrmodus C (Controlled Efficiency), hier ist Start-Stopp-Funktion aktiv und schaltet den Achtzylinder bei Fahrzeugstillstand ab. Die Gangwechsel erfolgen früh und weich. Reisen statt Rasen stand bei der Abstimmung dieses Getriebemodus im Vordergrund. Den angegebenen Durchschnittsverbrauch von 10,6 Liter verfehlten wir trotzdem. Bei uns flossen 13,7 Liter Super Plus durch die Leitungen.
Für den Interessenten eines solchen Fahrzeugs dürften aber die Verbrauchswerte nebensächlich sein. Auch die Anschaffungskosten von mindestens 121.023 Euro werden kaum schrecken, zumal die Leistungswerte stimmen. Obendrein gibt es noch uneingeschränkte Alltagstauglichkeit als Familien- und/oder Transportgefährt. Und wer will, kann damit auch über die Rennstrecke blasen. Das technische Potential hat er, für das fahrerische Vermögen offeriert AMG spezielle Kurse. (SP-X)