Der Jeep Grand Cherokee knüpft nur optisch an alte Zeiten an. Ansonsten bietet der Geländeriese seinen Insassen ganz großes Kino.
Nostalgisch veranlagte Menschen behaupten gerne, früher sei alles besser gewesen. Im Fall des Jeep Grand Cherokee ist allerdings das genaue Gegenteil der Fall. Anders als in älteren Varianten ist der große Häuptling in seiner aktuellen Version dank guter Mercedes-Gene und dem italienischen Feinschliff der Konzernmutter Fiat zum modernen Allrounder gereift, der sich auch im harten deutschen Autoalltag mehr als wacker schlägt.
Optisch will das Flaggschiff der Allradmarke Jeep allerdings noch an alte Zeiten anknüpfen. Der massig wirkende Körper mit seiner vergleichsweise kantigen Optik steht wie ein Fels in der Brandung. Statt mit kurvenreichem Sickenspiel und Karosserie-Verstümmelungen auf Möchtegern-Coupé zu machen, dominiert beim ihm noch der rechte Winkel. Wohl auch ob seiner eher klassischen Linie hinterlässt der Ami einen wuchtigen Eindruck, wenngleich er mit 4,88 Metern Länge eigentlich klassenüblich dimensioniert ist.
Aufgeräumter Arbeitsplatz im Jeep Grand Cherokee
Dank der in der Top-Ausstattung Summit serienmäßigen 20-Zoll-Räder baut der Jeep jedenfalls ziemlich hoch, was kleineren Gästen fast schon alpinistischen Einsatz abverlangt. Der Aufstieg lohnt sich, denn der Eroberer wird von einem gemütlich eingerichteten Wigwam empfangen, der auch einem europäischen Fahrzeuggaumen durchaus munden dürfte. Materialmix und Oberflächen schmeicheln Hand und Auge, statt billigem Hartplastik dominieren hier feines Leder, Holz und Chrom. Nur wer genau hinschaut, könnte an der einen oder anderen Stelle ein paar Nachlässigkeiten bei der Verarbeitung entdecken.
Dafür wirkt der Arbeitsplatz sehr aufgeräumt, denn viele Funktionen werden mittlerweile über den 8,4-Zoll-Touchscreen in der Mittelkonsole statt über Direktwahltasten gesteuert. Ebenfalls durch Abwesenheit glänzen ein sonst üblicher rechter Lenkstockhebel und ein Griff oder Schalter für die Feststellbremse in der Mittelkonsole. Wer den Grand Cherokee sicher parken will, muss stattdessen den massiven Automatikhebel auf „P“ legen und ein zusätzliches Feststellbremsen-Pedal im Fußraum treten. Diese Lösung verweist auf den eigentlichen Technik-Spender des großen Jeeps, unter dessen Blechhaut viel alte Mercedes M-Klasse steckt.
Ausgereiftes Multimedia-Paket
Klassenüblich großzügig ist das Platzangebot. Die vorderen Insassen können sich auf XL-Stühlen lümmeln, denen es allerdings an Seitenführung fehlt. Da der 2,5-Tonner in Kurven schon recht früh über die Vorderräder zu schieben beginnt, werden Biegungen aber ohnehin nur in moderatem Tempo angegangen. Auch im Fond können sich erwachsene Gäste über das Platzangebot nicht beschweren. Der Kardantunnel baut nur wenige Zentimeter hoch, weshalb man sogar den mittleren Platz auf der Rückbank als vollwertigen Sitz nutzen könnte, wenn denn nicht das alternativ auch als Armlehne einsetzbare Rückenpolster eine unschöne Härte ins Spiel brächte.
Zwei Fondgäste können es sich in jedem Fall gut gehen lassen, vor allem, wenn auf den beiden ausklappbaren Bildschirmen des Rear-Entertainment-Systems ein spannender Film läuft. Dieses rund 2000 Euro teure Multimedia-Paket ist kein Schnäppchen, funktioniert aber gut. Zudem gibt es eine Fernbedienung, zwei drahtlose Kopfhörer und praktischer Weise einen Blue-Ray-Spieler mit Merkfunktion, dank der Filme an der Stelle starten, an der sie zuvor beim Ausschalten der Zündung unterbrochen wurden. Wer mit Kindern auf Reisen geht, wird diese ausgereifte Lösung sehr zu schätzen wissen.
Kein Weg führt am Selbstzünder vorbei
Auch hinterm Fond ist der Grand Cherokee großzügig dimensioniert, denn das Gepäckabteil kann fast 800 Liter aufnehmen. Leider gibt es keine Fernentriegelung, um die Rückbanklehne nach vorne zu klappen. Stattdessen muss man jeweils auf der linken und rechten Seite Hebel ziehen, um die geteilt umlegbare Lehne umzulegen. Dann erhält man einen ebenen Kofferraum, der 1554 Liter aufnehmen kann. Das ist zwar großzügig, allerdings auch nicht geräumiger als Kofferräume vieler Kompakt-Kombis. Darüber hinaus finden sich im großen Jeep noch kleinere Zusatzfächer unterm Kofferraumboden und in der Seitenverkleidung. Außerdem gibt es nützliche Details wie eine herausnehmbare Taschenlampe, Taschenhaken und Verzurrösen.
Trotz Dieselskandal führt bei einem großen SUV wie dem Grand Cherokee eigentlich kein Weg an einen Selbstzünder vorbei. Mit dem 184 kW/250 PS starken Dreiliter-V6 geht der Allradriese jedenfalls eine überzeugende Paarung ein. Dank 570 Newtonmeter Drehmoment und einer geschmeidig und schnell die Gänge wechselnden Achtgang-Automatik von ZF prescht das Dickschiff bei Bedarf ziemlich druckvoll nach vorne, vor allem, wenn der per Knopfdruck zuschaltbare Sportmodus aktiviert wurde: Dann reichen acht Sekunden, um aus dem Stand 100 km/h zu erreichen. Mühelos kommt der Allradler auch auf seine Höchstgeschwindigkeit von knapp über 200 km/h. Erfreulich entspannt fühlt sich der Amerikaner selbst dann noch an. Flößten frühere Jeep-Modelle bei strammen Linksspursausen dem Fahrer eher Angst ein, brettert der aktuelle Grand Cherokee dank Einzelradaufhängung satt, sicher und auch noch komfortabel über die Autobahn. Dank Doppelverglasung und guter Motorkapselung bleibt es zudem innen erfreulich ruhig.
Jeep Grand Cherokee kein Schnäppchen
Der Grand Cherokee ist mit seinem Quadra-Drive darüber hinaus für anspruchsvollere Offroadfahrten gut gerüstet. Unter anderem schleppt der große Jeep ein umfangreiches Arsenal Allradtechnik mit sich, die ihn einerseits zur Bergziege qualifiziert. Andererseits trägt das Gewicht auch einen Teil dazu bei, den Spritkonsum in etwas unzeitgemäße Höhen zu treiben. Optimistisch klingen die 7,5 Liter Normverbrauch. Doch praktisch werden daraus, selbstredend abhängig von der Fahrweise, um die zehn Liter auf 100 Kilometern.
Einen Grand Cherokee zu fahren, war noch nie ein günstiges Vergnügen. Bereits der Anschaffungspreis des 3.0L V6 Multijet in Kombination mit der hochwertigen Ausstattung Summit liegt bei stolzen 73.000 Euro. Mit Rear-Entertainment und ein paar weiteren Extras erreicht man Vollausstattungsniveau und einen Preis von knapp über 80.000 Euro. Dann bleiben allerdings kaum mehr Wünsche offen. Ob DAB-Radio, Navigation, Glas-Schiebe-Panoramadach, elektrische Heckklappe, Bi-Xenon-Scheinwerfer, Abstandstempomat, Spurhalteassistent, Luftfederung, feines Leder, ein satt klingendes Harman-Kardon-Surround-Soundsystem mit 19 Lautsprechern oder das kompetente Offroad-Paket – der große Häuptling bietet auch ausstattungstechnisch großes Kino. (SP-X)