Piaggio MP3 300 hpe: Schräge Type

Piaggio MP3 300 hpe: Schräge Type
Der Piaggio MP3 300 hpe soll (fahr)aktivere Menschen auf die Seite der Neigetechnik-Scooter ziehen. © David Pell/Piaggio

Mit seiner Neigetechnik macht das neue MP3-Einstiegsmodell von Piaggio nicht nur Spaß in Kurvenschräglagen. Auch der günstige Preis treibt ein Grinsen ins Gesicht.

Kaum hat Deutschlands absoluter Roller-Liebling, die Vespa 300, ein stärkeres Triebwerk bekommen, pflanzt Mutter Piaggio diesen Motor auch in seine MP3-Baureihe ein. So ausgerüstet nimmt der vorgestellte MP3 300 hpe nun die Rolle eines neuen Einstiegsmodells in dieser Fahrzeuggruppe ein. Er kostet mit 7015 Euro nämlich deutlich weniger und ist zudem bis zu 50 Kilogramm leichter. Dadurch wird er außerdem spürbar handlicher als die „Fullsize“-Versionen MP3 350 und MP3 500.

2006 erschien der erste MP3. Und während das Dreirad-Konzept insbesondere im Großraum Paris schnelle und anhaltende Erfolge einfahren konnte, umkurven die als forsch bekannten Italiener diese neuartige Scooter-Spezies bis heute skeptisch. In Frankreich, Deutschland und Spanien – die zahlenmäßig bedeutsamsten MP3-Absatzmärkte – haben insbesondere Männer jenseits der 40 die Vorteile des Konzepts längst erkannt.

Vor allem die Fahrstabilität bei widrigen Umständen (Kopfsteinpflaster, wenig Grip, nasse Fahrbahn) verschafft dem MP3, ebenso wie seinen mittlerweile entwickelten Rivalen der Marken Peugeot und Quadro, ein unbestreitbares Sicherheitsplus. Zudem dürfen sie in den meisten Ländern Europas mit dem Pkw-Führerschein gefahren werden. Zumindest dann, wenn der Fahrer mindestens 21 Jahre alt ist. So kommt es, dass Piaggio mittlerweile auf mehr als 180.000 gebaute MP3 zurückblicken kann.

USB-Steckdose im Cockpit

Die große Fahrstabilität lässt vor allem ältere MP3-Fahrer grinsen.  Foto: David Pell/Piaggio

Das jüngste Pferd im MP3-Stall ist also der 225 Kilogramm wiegende 300 hpe. Mit einem Preis von 7015 Euro ist er rund 1700 Euro günstiger als der um vier PS stärkere, aber auch 31 Kilogramm schwerere und etwas voluminösere 350er. Und sogar um mehr als 3000 Euro günstiger als die „billigste“ 500er-Version. Ein „Arme-Leute-Gefühl“ kommt auf dem 300er deshalb aber nicht auf, denn an den fürs Pendeln zum Arbeitsplatz nötigen Dingen hat Piaggio nicht gespart: Es gibt eine USB-Steckdose im kleinen Ablagefach über dem Cockpit und ein gut informierendes LC-Display samt Fernbedienung vom Lenker aus. Dazu bestens ablesbare, runde Armaturen sowie genügend Stauraum unterm bequemen, nicht zu hoch montierten Sitz.

Der Windschutz trägt bis hinauf zum Höchsttempo von 120 km/h seinen Namen durchaus zu Recht. Das Temperament des 26 PS starken und 278 Kubikzentimeter kleinen Einzylindermotors reicht dank recht kurzer Übersetzung des stufenlosen Variomatikgetriebes aus, um bei neun von zehn Ampel-Grüns einen Sofortabstand zu den ebenfalls aus der ersten Reihe startenden Autos herzustellen.
Große Wendigkeit im Stadtverkehr

Um sich im dichten Stadtverkehr diesen Platz zu erobern, bedarf es einer großen Wendigkeit. Roller und kleinere Motorräder ohne Koffer bringen das Talent zum erfolgreichen „Durchwurschteln“ von Haus aus mit. Auch mit dem MP3 300 ist solches durchaus möglich, wenngleich ein herkömmlicher Kompaktroller, beispielsweise eine Vespa, das natürlich noch besser kann. Doch bescheidene 80 Zentimeter Fahrzeugbreite, knapp 1,50 Meter Radstand und die sehr gut funktionierende Lenkung des MP3 300 geben dem Fahrer ebenso genügend Spielraum. Auch das feine Ansprechen auf Gas-Befehle und beste Übersicht bieten eine gute Ausgangsposition für flottes Vorwärtskommen. Den etwas kräftigeren, aber auch feisteren Brüdern ist der Dreihunderter insofern überlegen.

War es bei bisherigen MP3-Modellen immer schwierig, das unvorteilhaft positionierte Fußbremspedal zu betätigen, so besteht dieses Problem ab sofort nicht mehr. Der Dreihunderter, aber auch seine Geschwister, bekam nun ein besser erreichbares Bremspedal. Mit seiner Hilfe wird die Kombi-Bremsfunktion aller drei Bremsscheiben in Funktion versetzt. Und das zeigt sich im Fall des Falles als echter Vorteil. Ein kräftiger Tritt aufs Pedal vernichtet kinetische Energie spürbar schneller als die Betätigung der beiden Handhebel. Ein ABS wacht zudem sorgsam über allfällige Radblockaden.

In kräftiger Schräglage um die Ecken

Frankreich, Deutschland und Spanien sind die Hauptmärkte des MP3. Foto:David Pell/Piaggio

Die beiden hinteren Federbeine sowie ihre Pendants an der komplizierten Parallelogramm-Vorderradführung filtern kleinere Versäumnisse der Straßenbauer sehr gut heraus. Bei groben Gemeinheiten – ausgeprägte Kanaldeckel- oder Brückenfugen, Löcher im Asphalt und ähnliches – kommen sie jedoch an den Rand ihrer Möglichkeiten. Ein „fliegender Teppich“ ist der MP3 300 insofern nicht, dafür sind wohl auch seine Räder zu klein. Aber es ist nach wie vor ein großes Vergnügen, in kräftiger Schräglage um Ecken zu wetzen, vor denen die Fahrer von Einspur-Rollern Manschetten haben. Das Sicherheitsnetz eines MP3 ist auch beim Dreihunderter zur Gänze vorhanden.

Das Nötige und Wichtige an Ausstattung (Neigetechnik-Verriegelung, Hauptständer) ist serienmäßig vorhanden. Und auch ein paar nette Kleinigkeiten wie zierliche LED-Blinker sowie ein gut sichtbares LED-Tagfahrlicht werden aufpreisfrei mitgeliefert. Noch mehr Ausstattung gibt es auf Wunsch und gegen gutes Geld beim Piaggio-Händler. Er offeriert nicht nur ein Topcase, sondern auch eine Griff- und sogar eine Sitzheizung und anderes mehr.

Sport-Paket für 300 Euro Aufpreis

Der Windschutz trägt bis 120 km/h seinen Namen zu Recht.  Foto: David Pell/Piaggio

Wer den Dreihunderter von Anfang an etwas üppiger haben möchte, kann zur „Sport“-Version greifen. Hier gibt es nicht nur hellere Farben, sondern auch nette Kleinigkeiten wie rote Federn, farbig abgesetzte Sitznähte und strukturierte Aluminium-Trittbretter statt düsterer Gummiauskleidungen. Auch sogenannte Wave-Bremsscheiben und das Connectivity-System MIA zählen zum Umfang des „Sport“-Pakets, für das 300 Euro Aufpreis bezahlt werden müssen.

Alles in allem ist der MP3 300 ein „rundes“ Angebot: Mit 3 bis 4 Litern Verbrauch pro 100 Kilometer ist er ausreichend sparsam, zudem gibt er sich komfortabel (Sitz, Windschutz, Vibrationen, Automatik) und vor allem fahrsicher. Und Spaß macht er auch noch, denn man grinst auch dann noch unterm Helm, wenn auf Einspur-Rollern die Gesichtszüge schon angestrengt wirken. (SP-X)

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Frank Wald
Nach einem abgeschlossenen Studium der Kulturwissenschaften in Göttingen, Frankfurt und Hamburg volontierte er bei der Hamburger Morgenpost. Danach folgten freiberufliche Engagements u.a. bei Spiegel-Online, Welt am Sonntag, und TV Spielfilm. Seit 1996 berichtet er als freier Journalist über automobile Neuerscheinungen.

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