Mercedes bringt im Juni den Supersportwagen SLS AMG Electric Drive auf den Markt. Es ist ein Auto mit einem beeindruckenden Preis, aber ebenso beeindruckenden Fahrleistungen, wie unser Fahrbericht zeigt.
Von Frank Mertens
Wer Thomas Weber kennt, der weiß, dass er eher ein Mann der zurückhaltenden Töne ist. Markige Worte sind seine Sache nicht, er drückt sich lieber diplomatisch aus. Doch das hält auch den Daimler-Entwicklungsvorstand gelegentlich nicht davon ab, auch Seitenhiebe auf die Konkurrenz loszulassen. So wie in der Vorwoche auf der Rennstrecke Paul Ricard in Le Castellet. Hier stellte die Mercedes-Tochter AMG mit dem SLS AMG Coupé Black Series und dem SLS AMG Coupé Electric Drive gleich zwei neue Modelle vor. Jeder von ihnen setzt technologische Ausrufezeichen in seinem Segment.
"Wo andere aufhören, fangen wir an"
Das trifft vor allem auf den SLS AMG Eelctric Drive zu, der in diesem Sommer zu den Händlern kommt - und damit der einzige rein elektrische Supersportwagen allein auf weiter Flur ist. Denn Audi hat seinen R8 e-tron erst gar nicht ins Rennen und in den direkten Vergleich mit dem SLS geschickt. Ein Umstand, der bei den Stuttgartern für eine Überraschung sorgte, aber den man mit Blick auf seinen eigenen Mut, ein solches Auto auf den Markt zu bringen, gern kommentiert. "Wo andere aufhören, fangen wir an", sagt Thomas Weber in Richtung des Konkurrenten aus Ingolstadt. Verschmitzt lächelnd fügt er noch hinzu: "So sieht für uns Vorsprung durch Technik aus."
Und dass, was Mercedes da ab Juni für einen Preis von 416.500 Euro auf den Markt bringt, verschlägt einen allein schon beim Blick auf die reinen Leistungsdaten die Sprache. Da sind zunächst einmal die 552 kW/751 PS mit einem maximalen Drehmoment von 1000 Nm. "Damit", so sagt AMG-Chef Ola Källenius stolz, "ist der SLS AMG ELectric Drive das schnellste und stärkste Elektroauto weltweit." Was Källenius und sein Team da in nur drei Jahren auf die Beine gestellt haben, wird einem jedoch erst so richtig bewusst, wenn man mit diesem aufgeladenen Sportwagen auf der Rennstrecke Paul Ricard unterwegs ist und seine Runden zieht.
Wo herkömmliche Sportwagen erst einmal Luft holen müssen, um ihre maximale Leistung zur Verfügung zu stellen, stehen die 1000 Nm sofort zur Verfügung. Wer beim Druck aufs Gaspedal erlebt, wie vehement dieser Flügeltürer nach vorne drängt, kann sich dieser Faszination kaum entziehen – auch deshalb nicht, weil dies absolut lautlos geschieht, wenn man einmal von den Windgeräuschen und den Rollgeräuschen der Reifen absieht.
Symphonieorchester für den SLS
Doch es geht natürlich auch anders – auch ohne einen omnipräsenten V8-Motor. Dazu haben die Entwickler den so genannten "SLS eSound" entwickelt, der dem Fahrer dieses Super-Elektro-Sportwagens ein Klangbild wie bei anderen AMG-Modellen bietet. Insgesamt stehen dem Fahrer 20 Klangbilder für die verschiedenen Fahrsituationen zur Verfügung. Dieses Symphonieorchester ist ein nettes Beiwerk, doch die wahre Faszination dieses Fahrzeugs kommt von den vier synchronen Elektromotoren. Sie beziehen ihre Energie aus der mit den Formel-1-Experten von Mercedes im britischen Brixworth entwickelten Hochvoltbatterie.
Sie bringt es zwar auf ein Gewicht von 548 Kilogramm, hat dafür aber einen Energiegehalt von 60 Kilowattstunden. Der Lithium-Ionen-Akku besteht dabei aus zwölf Modulen mit 72 Zellen, wie Källenius berichtet. Rein theortisch steht damit eine Reichweite von 250 Kilometern zur Verfügung. Wie gesagt, rein theoretisch. Denn wenn man mit dem SLS AMG Electric Drive auf der Rennstrecke unterwegs ist, nimmt die Reichweite doch nach vier, fünf rasant gefahrenen Runden rapide ab – und die Restreichweite sinkt somit schnell um fast die Hälfte. Doch in dieser Zeit erlebt man eine beeindruckende Fahrleistung.
Da ist zum einen die Beschleunigung von 3,6 Sekunden bis Tempo 100 und eine Höchstgeschwindigkeit von abgeregelten 250 km/h, doch vor allem ist da die faszinierende Fahrdynamik dank des so genannten Torque Vectoring. Hierbei werden die vier Elektromotoren, die es jeweils auf eine maximale Drehzahl von 13.000 Umdrehungen pro Minute bringen, einzeln angesteuert. Damit lässt sich die Kraft optimal verteilen und damit auf die verschiedenen Fahrsituationen in Millisekunden anpassen.
Zero Emission-Fahrzeuge wichtig für CO2-Grenzwerte
So unterwegs avanciert der SLS AMG ED zu einem der faszinierendsten Supersportwagen schlechthin. Doch große Stückzahlen wird Mercedes damit nicht machen – und entsprechend auch die Kosten für die Entwicklung beileibe nicht hereinfahren können. Doch für Mercedes ist dieses Auto "eine Investition in die Zukunft", wie Weber sagt. Die hier verwandten Technologien werden sich gemäß der Top-Down-Strategie auch in anderen Baureihen wiederfinden – und sich damit am Ende in einer Mischkalkulation vielleicht doch amortisieren.
Und dann ist da noch ein anderer Aspekt, auf den Weber aufmerksam macht: die CO2-Grenzwerte der EU für das Jahr 2020. Bis dahin müssen die Hersteller ihren Flottenverbrauch auf 95 g/km reduziert haben, ansonsten drohen pro nicht eingehaltenem Gramm saftige Strafzahlungen. "Ohne Zero Emmission-Fahrzeuge werden wir als Premiumhersteller diese Vorgaben nicht erreichen", betont Weber. Mit Blick auf die Stückzahlen eines SLS AMG ED dürfte das noch zu verschmerzen sein, doch Daimler hat ja nicht nur an der obersten Skala der Entwicklungskette ein Auto im Angebot, sondern mit dem Smart Electric Drive auch eines, mit dem man Volumen machen kann.