Mercedes bietet nun auch ein vollelektrisches Kompaktmodell: den EQA. Er basiert wie der EQC und der EQV auf der gleichen Plattform wie die Verbrenner der entsprechenden Baureihen.
Dass man bei der ersten Begegnung mit dem EQA kein optisches Aha-Erlebnis hat, überrascht also nicht. Schließlich ist der EQA nichts anderes als ein vollelektrischer GLA. Gut, er ist etwas kürzer als sein Verbrennerkollege, sein Kühlergrill ist zudem vollverkleidet. Aber ansonsten kennt man sich, auch der Innenraum ist vertraut. Es ist ein Wiedersehen unter alten Freunden.
Auf eine innovative Elektroplattform hat man in Stuttgart bei seinem ersten Kompakt-Stromer (ab 47.450 Euro) verzichtet. Das hat Mercedes bereits bei der V-Klasse (EQV) und dem GLC (EQC) getan – und dies mit der Flexibilität in der Produktion begründet. Die Fahrzeuge können aufgrund der gleichen Plattform auf dem gleichen Band produziert werden. So kann man schnell auf unterschiedliche Nachfragesituationen in den Märkten reagieren. Betriebswirtschaftlich mag das Sinn machen. Doch innovativ ist ein solcher Ansatz – den auch BMW mit „Power of Choice“ geht – nicht. Hatte Mercedes beim EQC damit Erfolg? Das ist eine Frage der Perspektive: In 2020 hat die Marke vom EQC global 20.000 Einheiten abgesetzt. Weltweit nimmt sich das dann doch eher bescheiden aus.
Bewährte Plattform des GLA genutzt
Gerade von einem Premiumhersteller wie Mercedes hätte man sich gewünscht, dass man den Weg in die E-Mobilität mit seiner neuen Submarke EQ mit mehr Innovationskraft geht. Erst der Mercedes EQS wird das erste Modell der Marke sein, das auf einer extra für die Elektromobilität entwickelten Plattform basiert. Doch interessiert das das Gros der Kunden überhaupt, ob sie auf einer Elektroarchitektur unterwegs sind? Eher nicht.
„Wenn ich einen Kunden habe, der einem kompakten City-SUV haben möchte, weil er gern hoch sitzt und das Konzept gut findet, dann muss ich ihm auch eine elektrische Alternative bieten“, sagt Jochen Eck, der bei Daimler den Gesamtfahrzeugversuch der Kompaktklasse verantwortet. „Warum sollte ich dafür also nicht den GLA nehmen, obwohl er darauf ausgelegt ist?“ fragt der Manager. Es ist – natürlich – eine rhetorische Frage. Es macht unter betriebswirtschaftlichen Aspekten hochgradig Sinn. Schließlich hat Mercedes mit dem GLA ein erprobtes und bei den Kunden beliebtes Modell auf der Straße, was zugleich im Boomsegment der kompakten SUV unterwegs ist. Hierauf mit einer E-Variante aufzusetzen, ist ein logischer Schritt. „Wir sind der festen Überzeugung, dass der EQA genau das richtige Konzept für dieses Segment ist“, so Eck.
Leistung von 190 PS
Doch wie fährt sich der EQA nun? Gut, wirklich gut. So gut, wie man es bereits vom GLA kennt, nur dass man nun lokal emissionsfrei unterwegs ist. Dass man vor dem Losfahren wie beim Verbrenner noch profan den Startknopf drücken musss statt – wie bei modernen E-Autos nur den Gang einzulegen – sei es drum. Das sind Kleinigkeiten, die zu vernachlässigen sind, die der ein oder andere Kunde aber von einer Marke, die mit „Beste oder nichts“ wirbt, erwarten dürfte.
Hat man den 190 PS starken Elektromotor in Bewegung gesetzt, ist alles so, wie man es auch von anderen E-Autos kennt. Es geht lautlos und mit viel Kraft – im Fall des von uns gefahrenen EQA 250 mit einem maximalen Drehmoment von 375 Nm – los. Es liegt, wie bei E-Autos üblich ist, sofort an. Wer möchte, der kann den EQA in 8,9 Sekunden auf Tempo 100 beschleunigen und bis 160 km/h schnell fahren. Doch das werden die meisten E-Autofahrer aus Effizienzgründen eher nicht so häufig und vor allem länger tun. Wer möchte denn schneller als nötig die nächste Ladestation aufsuchen müssen? Wer es also gemächlicher angehen lässt, dem stellt Mercedes für sein Kompakt-SUV mit einer 66,5 kWh starken Batterie eine Reichweite von 426 Kilometer (WLTP) bei einem Verbrauch von 17,7 kW auf 100 Kilometer in Aussicht. Bei unseren Testfahrten lagen wir bei 20,3 kW. Kein schlechter Wert für ein Auto mit dieser Leistung.
Der Verbrauch hätte indes niedriger liegen können, wenn wir die Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung genutzt hätten. Doch wir waren zumeist ohne Navigation unterwegs, sodass der Eco-Assistent nicht sein Potenzial für eine situationsgerechte Rekuperation ausspielen konnte. Das System bezieht während der Fahrt alle relevanten Daten im Zusammenspiel mit dem Navi und den Fahrzeugsensoren wie beispielsweise das Streckenprofil oder auch Tempolimits in seine Fahrstrategie mit ein. Das System fungiert dabei auch als Coach für Fahrerin oder Fahrer, indem es ihm einen Hinweis im Cockpit gibt, ob er beispielsweise vor einer Ortschaft, einer Kreuzung oder einem Tempolimit den Fuß vom Gas nimmt. Dieses vorausschauende Fahren zahlt sich in einem geringeren Verbrauch und damit einer höheren Reichweite aus. Das ist alles gut gemacht.
Laden mit bis zum 100 Kilowatt
Zugleich hat der Fahrer über die Schaltwippen am Lenkrad noch die Möglichkeit, unter insgesamt fünf Rekuperationsstufen zu wählen, also Energie in die Batterie zurückzuleiten. Sie reichen vom besagten Eco-Assistenten übers Segeln, die schwache über die mittler bis zur starken Rekuperation. Ist man in der höchsten Stufe unterwegs, ermöglicht der EQA auch das so genannte One-Pedal-Drive, also das Fahren fast ohne Bremsen: nimmt der Fahrer den Fuß vom Pedal, wird das Auto im Falle des EQA abrupt abgebremst. Ein Aspekt, der erst einmal ungewohnt ist, aber an den man sich schnell gewöhnt.
Doch bei allen Features zur Effizienzsteigerung muss auch der EQA irgendwann einmal an die Steckdose. Wer an einer Schnellladestation vorfährt kann dort mit einer Leistung von bis zu 100 kW laden. Damit dauert es dann 30 Minuten, um die Batterien des EQA in 30 Minuten von 10 auf 80 Prozent aufzuladen, an einer Wallbox vergehen bis 100 Prozent 5:45 Stunden. Da bieten andere Hersteller wie VW mit dem ID.4 (125 kW) oder auch Hyundai mit dem Ioniq 5 (220 kW) höhere Ladeleistungen, sie bauen indes auch auf einer eigenen E-Plattform. Eck zeigt sich da gelassen. Für unsere täglichen Fahrstrecken reicht das, ist der Manager überzeugt. „Wenn ich das Auto an meiner eigenen Solaranlage lade, dann reichen dafür maximal 6 kW aus, nachts noch weniger“, sagt er. Natürliche brauche man für die Langstrecke eine schnelle Ladeleistung, gibt Eck zu. „Doch spielt es dann eine Rolle, ob ich 17 oder 23 Minuten lade? Eher nicht.“ Dass ist wie mit einer eigenen E-Plattform. Nett ist es, sie zu haben, aber es geht auch ohne, zumindest in der Startphase der E-Mobilität. Man muss nur aufpassen, dass man als Premiumhersteller nicht den Anschluss verliert.