Carrera 4S: Allrad-Elfer mit Suchtgefahr

Porsche wird am 22. Oktober seinen neuen Allradwagen aus der 911er-Serie auf den Markt bringen. Es ist ein Auto, dass nicht nur bei der Fahrdynamik Maßstäbe setzt, wie der Fahrtest zeigt.

Frank Mertens

Er sieht mächtig aus, der neue Breitensportler aus Stuttgart. Wer den Porsche 911 Carrera 4S betrachtet, erkennt sofort, dass hier der neue Allrad-Elfer steht. Unverwechselbar machen ihn die am Heck um insgesamt 44 Millimeter verbreiterten Kotflügel: Unter ihnen verbergen sich bei der Sportversion Reifen der Größe 305/30 ZR 19 und bei der Normalversion Pneus der Dimension 295/35 ZR 18.

Marktstart am 22. Oktober

Und derjenige, der seinen Blick vom athletischen Hinterteil loseisen kann, wird vorn von den porschetypischen Rundscheinwerfern angestrahlt: Ein optisches Erlebnis - eines allerdings, auf das die Kunden noch bis zur Markteinführung am 22. Oktober warten müssen. Doch das Warten lohnt sich, wie Testfahrten mit diesen Kraftpaket auf den kurvigen Strecken rund um Monaco zeigten.

Die Kotflügel über den Hinterrädern wurden um 44 Millimeter verbreitert Foto: nz/Mertens

Im Innenraum setzt sich dieser Positiveindruck fort: Die Materialien sind - so wie man es von einer Premiummarke wie Porsche kennt - hochwertig und geben keinen Anlasse zur Kritik. Das Cockpit ist klar strukturiert, die fünf Rundinstrumente gut ablesbar.

Und diejenigen Fahrer, die ihren neuen Wagen gerne auch mal über die Rennstrecke jagen wollen - so etwas soll es ja geben - können dazu das Sport Chrono Paket Plus (Aufpreis 742 Euro) ordern: Durch einen Druck auf die

Das Cockpit im 4S mit der Analog-Digitaluhr (r.). Foto: Werk

Sporttaste in der Mittelkonsole kann hier eine betont sportliche Abstimmung gewählt werden. Äußerlich erkennbar ist dieses Sportpaket durch eine über der Mittelkonsole angebrachte Analog-Digitaluhr, mit der die Rundenzeiten ermittelt werden können. Doch auch ohne dieses Package bietet der neue Allrad-Elfer bereits genug Sportlichkeit. Darauf abgestimmt sind auch die Sitze - die zumindest normalgewichtige Fahrer passgenau aufnehmen.

288 km/h Spitze

Und wenn man mit dem neuen Allrad-Elfer die ersten Kurven durchaus zügig durchfahren hat, lernt man diese Passgenauigkeit zu schätzen, fühlt man sich doch dadurch insbesondere auf Bergfahrten wie verwachsen mit dem Auto. Der 3,8-Liter starke Sechszylinder sorgt mit seinen 261 kW/355 PS (239 kW/325 PS im Carrera 4) für eine bärige Kraftentfaltung, wobei er sein maximales Drehmoment von 400 Nm bei 4600 Umdrehungen pro Minute erreicht. Der Carrera 4S erreicht seine Spitzengeschwindigkeit bei 288 km/h, die Normalversion mit dem 3,6-Liter-Motor ist aber auch nur acht Kilometer langsamer.

Der 911 Carrera 4 (l.) und der Carrera 4S. Foto: Werk

Wer diese Kraft ausschöpft, erlebt einen reinrassigen Sportwagen mit einem hervorragendem Sechsgang-Schaltgetriebe (Aufpreis Fünfgang-Tiptronic: 2871 Euro), für den Traktionsprobleme ein Fremdwort sind. So, wie sich der Fahrer mit seinem Wagen eins fühlt, fühlt sich der Porsche mit der Straße verwachsen. Hier kommt der Allradantrieb ins Spiel, der permanent zwischen fünf und 40 Prozent der Antriebskraft auf die Vorderräder bringt. Das sorgt nicht nur für einen ausgeglichenen Vortrieb in den Kurven bis hinein in den Grenzbereich, sondern auch für eine bessere Traktion vor allem auf schlechten Straßen.

Maßstab an Fahrdynamik

Grenzbereich. Das hört sich schon mal gut an. Doch welcher Durchschnittsfahrer erreicht ihn schon? Von daher ist es interessant zu sehen, was ein Auto kann, wenn es von jemandem gefahren wird, der jahrelang den Rallyesport geprägt hat: Einem wie Walter Röhrl also, dem zweifachen Weltmeister (1980, 1982) und viermaligem Sieger der Rallye Monte Carlo. An seiner Seite konnte man auf einer abgesperrten Strecke in der Nähe des Col de Turini erleben, welches Potenzial im neuen Porsche wirklich steckt.

Dynamisch: Der neue Allrad-Elfer. Foto: Werk

Und das, was dabei herauskommt, ist schlicht beeindruckend: Da jagt Röhrl den mit einem Sportfahrwerk ausgestatteten Carrera 4S mit einer Leichtigkeit eine im wahrlich schlechten Zustand befindliche Bergstraße bis fast Tempo 160 km/h hinauf, doch der Allrad-Elfer ließ sich davon nicht beeindrucken: Das PSM - Porsche Stability Management - so nennen die Stuttgarter das ESP - musste nicht einmal eingreifen. Hätte es noch eines Beweises bedurft - hier war er: Dieser Porsche setzt einen neuen Maßstab bei der Fahrdynamik!

Die Bequemlichkeit kommt dabei übrigens nicht zu kurz. Denn das neue 911 Carrera 4 Coupe soll neben Sportlichkeit auch ein Höchstmaß an Alltagstauglichkeit bieten, wie Porsche-Vertriebsvorstand Hans Riedel sagte. Auch diesem Anspruch wird der Neue gerecht. Natürlich ist die Federung straff abgestimmt, doch darunter leider keineswegs die Bequemlichkeit. Denn im Carrera 4S befindet sich serienmäßig ein aktives Dämpfungssystem - das Porsche Active Suspension Management (PASM). Kurz gesagt verbindet es zwei Fahrwerke in einem: Ein komfortables und ein betont sportlich abgestimmtes. Käufer des Carrera 4 müssen dafür 1508 Euro bezahlen - es geht aber auch gut ohne.

Vorzügliche Bremsen

Das wuchtige Vorderrad am Porsche Carrera 4S. Foto: Werk

Referenzklasse sind auch die Bremsen: Durch eine Vorbefüllung der Bremsanlage mit Bremsflüssigkeit konnte der Anhalteweg verkürzt werden. «Bei sehr schnellem Lösen des Gaspedals - charakteristisch für Notbremsungen - wird blitzschnell Bremsflüssigkeit vom PSM-Aggregat zu den Radbremsen befördert und dadurch das so genannte Lüftspiel zwischen Bremsbelägen und Bremsscheibe eliminiert», wie Erhard Mössle erklärt. Hört sich kompliziert an, ist auch kompliziert, muss den Fahrer aber auch nicht weiter beschäftigen: Denn nur das Resultat zählt - und das ist sehr überzeugend, wie eine Notbremsung zeigte.

Das Fazit des neuen Allrad-Elfers fällt nach dem ersten Fahrtest eindeutig aus: Porsche bringt ein faszinierendes Auto auf den Markt - eines, das süchtig machen kann. Allerdings ohnehin nur Menschen, die es sich leisten können. Denn die Preise beginnen beim Carrera 4 bei 82.657 Euro und beim Carrers 4S bei 92.865 Euro. Damit wird dieses Auto für die meisten von uns nur ein Traum bleiben. Leider.

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