Braucht man ein Elektro-SUV wie den BMW iX M60 mit einer Leistung von 619 PS wirklich? Für Timo Resch ist das eine rhetorische Frage. Natürlich braucht man so etwas.
Schließlich würden die Kunden danach verlangen. Dass Resch den Sinn eines derart hochmotorisierten Fahrzeugs mit einem Gewicht von über 2,6 Tonnen nicht in Frage stellt, liegt qua Amt auf der Hand: schließlich ist Resch Vertriebschef der BMW M GmbH.
Doch kommt es bei der E-Mobilität nicht vor allem auf Nachhaltigkeit und Effizienz statt auf Leistung und Sprintzeiten an? Natürlich, so sagt Resch, seien dies wesentliche Aspekte der Elektromobilität. Doch allein darauf dürfe man sich nicht beschränken. Schließlich wolle gerade die M GmbH, die in diesem Jahr ihr 50-jähriges Jubiläum feiert, Kunden erreichen, die schon heute bei den Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor nach Sportlichkeit verlangen und sich deshalb für ein leistungsstarkes Modell entscheiden. Diese Kunden müsse man mitnehmen in die E-Mobilität – und ihnen ein entsprechendes Angebot machen. „Auch Elektromobilität muss emotional aufgeladen sein“, sagt Resch. Nur so gelinge es, das anspruchsvolle Klientel der M GmbH zum Umstieg auf die E-Mobilität zu bewegen.
30.000 Euro Aufpreis für mehr Leistung
Dass genau das mit dem BMW iX M60 gelingen kann, davon ist Resch überzeugt. „Dieses Auto beweist, dass E-Mobilität Spaß macht und Emotionalität erzeugt.“ Benötigt man dafür aber wirklich noch den iX als M-Variante? Bereits der iX50 ist mit einer Leistung von 523 PS und einem maximalen Drehmoment von 765 Newtonmetern nicht gerade untermotorisiert. Resch reagiert auf diese Frage geduldig, verweist auf das zahlungskräftige und anspruchsvolle Klientel der M GmbH. Es will ein Auto fahren, mit dem es sich von der breiten Masse abheben kann – und dabei spielt Geld nur eine nachgeordnete Rolle. Während der iX50 xDrive mit einem Einstiegspreis von 103.750 Euro in der Preisliste steht, werden für den iX M60 133.600 Euro aufgerufen. Das sind mal locker 30.000 Euro mehr.
Für diese 30.000 Euro Unterschied bekommen potenzielle Kundinnen und Kunden eines iX M60 dann erstmal genau das, was sie verlangen: mehr Leistung. Da ist zunächst ein Plus von 96 PS und ein Drehmoment von bis zu 1015 Nm. Ob man das eine wie das andere bei einem E-Auto wirklich braucht, sei dahingestellt. Aber diese Frage kann man sich auch schon bei den Leistungsdaten des iX50 fragen, die Kritiker von hochmotorisierten Fahrzeugen ebenso naserümpfend zur Kenntnis nehmen wie sie E-SUVs mit einer Länge von 4,95 Metern und einem Gewicht weit jenseits von zwei Tonnen auf dem Weg zur Verkehrswende als Anachronismus betrachten.
Topspeed bis 250 km/h
Aber da es Kunden gibt, die nach solchen Autos verlangen, sind sie bei BMW und anderen Herstellern im Angebot. Und dass es Spaß macht, die Leistung eines solches Autos zu erleben, ist nicht abzustreiten. Wer das Gaspedal des iX M60 durchtritt, ist durchaus beeindruckt, wie vehement man in die Sportsitze gedrückt wird und die zwei E-Motoren an der Vorder- und Hinterachse dieses Trumm von Auto in gerade einmal 3,8 Sekunden (4,6 Sekunden iX50) souverän nach vorn schieben. Wer möchte, der kann auf der Autobahn – so das dort noch ansatzweise möglich ist – seine Freude am Topspeed bis 250 km/h (200 km/h iX50) ausleben. All das wird untermalt von einem satten, künstlich erzeugten Motorsound. Dieser kann (glücklicherweise) auch ausgestellt werden. Denn es gibt auch Kunden, die ein E-Auto gerade deshalb fahren, weil sie die Ruhe des elektrischen Fahrens genießen wollen. Johann Kistler, als Projektleiter der Vater des iX, mag es übrigens auch lieber leise.
Aber auch beim Sound geht BMW den Weg, den der Autobauer auch bei den Antrieben mit seiner Strategie Power-of-Choice geht: der Kunde hat die Wahl, ihm wird nichts vorgeschrieben. Er kann nach wie vor zwischen Verbrenner, Plug-in-Hybrid und reinem E-Antrieb wählen. Zu einer Festlegung auf die reine E-Mobilität und einem Abschied vom Verbrenner konnte sich BMW bislang nicht durchringen, weshalb sich Konzernchef Oliver Zipse zuletzt auf der Hauptversammlung des Konzerns Kritik von Aktionären anhören musste – seine Strategie aber verteidigte, die richtigen Technologien zum richtigen Zeitpunkt auf den Markt zu bringen.
Effizienter Verbrauch von unter 22 kWh
„Niemand weiß, was in acht Jahren für eine Antriebs-Technologie gefragt ist“, sagt Resch. Das trifft insbesondere auf die unterschiedlichen Märkte zu, die BMW zu bedienen hat. Europa ist dabei nur ein Markt, und längst nicht mehr der wichtigste. Die Geschäfte werden außerhalb des Kontinents gemacht, in den USA und vor allem in China. Das zeigt sich auch in der Modellpolitik: So wird beispielsweise der neue 7er, das Flaggschiff der Münchner, nur noch mit großem Radstand angeboten, was insbesondere das Klientel in China anspricht. Dass dabei die Abmessungen der jüngsten BMW-Modelle immer größer werden, konterkariert die Diskussion um Klimawandel und Verkehrswende.
Das mag Resch so nicht sehen. Er verweist darauf, dass BMW die gesetzlichen Vorgaben der EU bei den CO2-Grenzwerten erfülle. Und mit einem Fahrzeug wie dem iX M60 zeige man, dass sich „Sportlichkeit und Effizienz nicht ausschließen“. Ist das so? In der Tat, der iX M60 glänzt angesichts seines Gewichts und Leistung mit einem geringen Verbrauch. Der in Aussicht gestellte Verbrauch von 21,9 kWh auf 100 Kilometern ist auch bei normaler Fahrweise erreichbar. Bei unseren Testfahrten von Berlin ins brandenburgische Bad Saarow zeigte der Bordcomputer 21,7 kWh an – ein für ein solches Auto sehr guter Wert. Damit erscheint die theoretische Reichweite von 561 Kilometer des iX M60 mit seiner 105,2 kWh starken Batterie bei moderater Fahrweise durchaus im Bereich des Möglichen. Ist die Batterie leer, braucht man dank der Ladeleistung von 195 kW an einer Schnellladestation 39 Minuten, um sie von 10 auf 80 Prozent aufzuladen.
Ausreichend Platz auch im Fond
Das sind Werte, die keinen Anlass zur Kritik geben. Das trifft auch auf den Innenraum zu, der den Insassen ausreichend Platz bietet; kein Wunder, liegt der Radstand doch bei drei Metern und die Höhe bei 1,69 Meter und die Breite bei 1,96 Meter. Das sind Abmessungen, die auch im Fond dafür sorgen, dass Mitreisende ausreichend Platz vorfinden. Das Kofferraumvolumen beläuft sich übrigens auf 500 Liter.
Vergleicht man die Leistungsdaten des iX50 mit denen des iX M60, dann bleibt die Frage, ob die Unterschiede zwischen den beiden Fahrzeugen den Preisunterschied von 30.000 Euro wirklich rechtfertigen? Aber auch das dürfte eine rhetorische Frage sein. Der typische M-Kunde will sich mit seinem Fahrzeug von der Masse abheben – und das lässt er sich dann auch gern etwas kosten. Resch wird es freuen.