Äußerlich zählt der Volvo XC40 Pure Electric zu den unauffälligeren E-Autos. Unterm Blech ist von Understatement aber nichts mehr zu bemerken.
Volvo geht beim Thema Elektromobilität gleich beim Debüt in die Vollen: Der XC40 zeigt mit über 400 PS und irrem Antritt, welch längsdynamisches Potenzial im E-Auto steckt. So großzügig sein Antrieb ist – in einer Hinsicht ist der Schwede ein echter Knauserer.
Als E-Auto zu erkennen ist der XC40 Pure Electric lediglich am Grill: Anders als bei dem seit 2017 gebauten Varianten mit Verbrennungsmotor trägt dieser kein Gitter, sondern ist durch eine Platte in Wagenfarbe verschlossen. Wer am Heck genau hinschaut, könnte außerdem bemerken, dass keine Endrohre zu sehen sind. Ansonsten trägt der E-Volvo exakt das gleiche Blechkleid wie seine Brüder. In diesem Fall ist das ein zweifacher Vorteil. Zum einen darf der aktuelle Design-Stil der Schweden als ausgesprochen gelungen gelten. Zum anderen passt das zur Understatement-Philosophie der Marke, der optische Lautsprecherei immer schon fremd war.
Zwei E-Motoren und mehr als 400 PS
Doch was unter der konventionellen Blechhaut steckt, würde die meisten Sportwagenfahrer vor Neid erbleichen lassen. Zwei Elektromotoren mit gemeinsam 408 PS und 660 Nm Drehmoment hat Volvo in den 4,43 Meter langen SUV eingebaut, einen an der Vorderachse, den anderen hinten. Eine Kombination, die einen Tempo-100-Spurt in 4,9 Sekunden erlaubt – und die sich auf den ersten Metern noch deutlich schneller anfühlt. Auch Richtung Autobahn- und anschließend zur Höchstgeschwindigkeit zieht das Kompakt-SUV kräftig durch. Bis 180 km/h, wo wie bei jedem anderen neuen Volvo Schluss ist.
Die Kraft ist beim XC40 in solchem Überfluss vorhanden, dass es einen gleichzeitig be- und entgeistert. Denn gebraucht wird sie in dem skandinavischen Gleiter mit seinem dezidiert entspannten Charakter natürlich nicht. Das ist bei konventionellen Autos nicht prinzipiell anders, allerdings weniger auffällig als bei dem brachialen Elektro-Volvo. Der sich die Power aber auch durchaus leisten kann, hat er doch eine mit 73 kWh (netto) ordentlich große Batterie an Bord, die eine Reichweite von 418 Kilometern erlaubt. Als Normverbrauch nennt Volvo rund 25 kWh pro 100 Kilometer, ein Wert, den auch der Bordcomputer im Test in etwa bestätigte. Wobei man im gemütlichen Stadtverkehr auch mit Werten um die 15 kWh auskommt, während Autobahnfahrten oberhalb der Richtgeschwindigkeit auch deutlich höhere Werte als die Normangaben zeigten. In jedem Fall müssen noch rund zehn Prozent Ladeverluste in die Bilanz einbezogen werden, die der Bordcomputer nicht berücksichtigt.
Ladebalken mit Prozent-Anzeige
Angezeigt wird die mögliche Fahrstrecke im Cockpit übrigens nicht. Die Schweden geben sich so sorgenfrei, dass sie auf die übliche Restkilometer-Anzeige im Bordcomputer verzichten und stattdessen nur noch einen Batterie-Ladebalken mit Prozentangabe darstellen. Erst wenn sich der Energievorrat dem Ende zuneigt, wird die voraussichtlich noch fahrbare Entfernung angegeben. Der Info-Optimismus irritiert den Fahrer zunächst, spielt aber bald schon keine Rolle mehr. Notfalls lässt sich das Android-Betriebssystem nach der errechneten Restreichweite fragen, was man aber bald schon sein lässt. Denn der XC40 fährt in einer Liga, wo Reichweiten-Ängste oder -Sorgen im Alltag keine Rolle mehr spielen.
Anders sieht das höchstens bei Langstreckenfahrten aus. Vor allem bei höherem Tempo auf der Autobahn schrumpft der Balken flott zusammen. Gut, dass das Navigationssystem auf Google-Maps-Basis bei Routen- und Ladeplanung hilft. Generell rechnet es sich für den Nutzer, dass Volvo auf die ausgereifte Android-Software setzt, anstatt ein eigenes, tendenziell unterlegenes System aufzulegen. Dass es bei der Software-Entwicklung einige Stolperfallen gibt, zeigt an der Ladesäule erneut der Bordcomputer des XC40. Der nämlich übt auch bei den Daten zum aktuellen Tankvorgang Zurückhaltung und verrät lediglich das erwartete Lade-Ende, die Reichweite und die pro Stunde geladenen Kilometer. Was fehlt, ist die aktuelle Ladeleistung. Maximal möglich sind 150 kW, geschätzt war der XC40 aber bei jedem Schnellladestopp weit davon entfernt.
Zündschloss und Startknopf fehlen
Die Daten-Sparsamkeit nervt einerseits, ist andererseits aber auch konsequent. Denn Volvo hat sich auch bei einigen zentralen Automobil-Funktionen von dem reduzierten Stil moderner Software-Devices und Smartphone-Logiken inspirieren lassen. So fehlt dem XC40 ein analoges Tür- oder Zündschloss genauso wie ein Startknopf. Stattdessen geht das SUV dienstbeflissen einfach „an“, sobald man sich ihm nähert. Eine kleine Änderung, die einen großen Unterschied macht, wirkt das Auto doch nicht mehr wie eine hirnlose Maschine, sondern eher wie ein smarter persönlicher Assistent. Bezahlt wird das allerdings auch in diesem Fall mit einer Spur an Kontrollverlust. Denn „aus“ geht der Volvo ebenfalls nur von selbst. Das fällt selten störend auf, manchmal aber doch. Etwa im Autokino, wenn das Licht anhaltend brennt und sich manuell nicht ausschalten lässt.
Am Ende bleibt der erste Elektro-Volvo aber ein stimmiges, sehr kraftvolles und hochwertig ausstaffiertes E-Mobil. Und die einzige echte Schwäche sein Preis: 56.250 Euro werden auch durch den Umweltbonus von 7975 Euro brutto kaum wirkungsvoll gemildert. Erleichterung dürfte die angekündigte Ein-Motor-Variante mit Frontantrieb und kleinerer Batterie bringen. Start ist Ende des Jahres. (SP-X)