Der Zulieferer ZF hat eine Vision: In Zukunft soll es keine Verkehrstoten mehr geben. Wie das gelingen kann, zeigt das Vision Zero Vehicle der Friedrichshafener.
Von Thomas Flehmer
"Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen", lautet einer der bekanntesten Sätze des verstorbenen Altkanzlers Helmut Schmidt. Doch manchmal muss man auch Visionen haben. Insbesondere dann, wenn es um Menschenleben geht. Deshalb haben sich Hersteller wie beispielsweise Daimler oder Volvo die Vision Zero zum Ziel gesetzt. Das gleiche hat auch der Zulieferer ZF vor. Sie wollen mit ihren Innovationen dazu beitragen, die Zahl von 3000 Verkehrstoten nach und nach zu reduzieren. Irgendwann soll es in ferner Zukunft gar keine Verkehrstote mehr geben. Diese Hersteller machen sich alle nicht im Schmidtschen Sinne auf den Weg zum Arzt, sondern investieren Milliarden-Summen in Technologien, um die Sicherheit im Straßenverkehr zu erhöhen.
„Insbesondere für die Übergangsphase vom assistierten zum autonomen Fahren brauchen wir fortschrittliche integrierte Sicherheitssysteme, um die Sicherheit der selbst fahrenden als auch der pilotierten Insassen weiter zu erhöhen“, sagt ZF-Chef Stefan Sommer und gibt das Ziel für die nächsten Jahre vor.
Sinnvolle Fahrer-Überwachung
So haben die Entwickler das Vision Zero Vehicle – einen rein elektrischen VW Touran mit Hinterachsantrieb und 150 kW/204 PS - mit diversen Assistenten ausgestattet. Sie sollen neue Meilensteine auf dem Weg zur Erreichung von Vision Zero setzen. „Vorne setzen wir auf eine TriCam, also drei Kameras, sowie ein Radarsystem“, sagt Timo Werner der Autogazette. Der Funktionsentwickler bei ZF ist für die Software zuständig, die dann dazu führt, das Leben von Fahrer und Beifahrern zu schützen.
Dazu gehört zunächst die Fahrer-Überwachung. In diesem Fall ist Überwachung aber nicht negativ besetzt, sondern soll die Sicherheit des Fahrers und der anderen Insassen erhöhen. Die so genannte Driver Distraction warnt den Fahrer, wenn dieser vom Verkehrsgeschehen abgelenkt zu sein scheint. „Dabei kommen visuelle, akustische und haptische Meldungen zum Einsatz“, so Werner weiter. Was das bedeutet, zeigte eine Mitfahrt im Vision Zero Vehicle. Wer beispielsweise den Blick zu lange von der Straßen wendet, wird durch das kräftige Anziehen des Gurtes darüber informiert, sich doch nun wieder aufs Verkehrsgeschehen zu konzentrieren.
Sollte der Fahrer auch auf dieses Signal nicht mehr reagieren – zum Beispiel bei gesundheitlichen Problemen – übernimmt das Fahrzeug die Kontrolle, beschleunigt nicht mehr, sondern setzt zum Halten an und startet den Warnblinker. „Dank der Kamera- und Radarsysteme würde das Auto auch autonom durch eine Kurve fahren, ehe es zum Stillstand kommt“, sagt der Experte aus Friedrichshafen.
Komfortabler Gurtschlosshalter von ZF
Die Gurtstraffer kommen auch beim Bump Crossing zum Einsatz. Hier umfährt das Auto autonom ein auf der Straße befindliches Hindernis und zeigt seine Fahrtrichtung dabei im Display an. Dieses Feature sieht zunächst nur aus wie ein Komfortelement, doch die Hindernisse könnten auch Fußgänger sein, die in der Dunkelheit schlecht erkennbar sind.
Als ebenso „keine Spielerei“ bezeichnet Werner den Gurtschlosshalter. Dieser fährt beim Anschnallen das Gurtschloss automatisch nach oben und der Person entgegen, die sich anschnallen möchte. Nicht nur ältere Menschen werden sich daran erfreuen.
ZF bremst Geisterfahrer ein
Noch wichtiger – nicht nur für ältere Menschen – ist das Wrong-Way-Inhibit, das ZF ganz neu entwickelt hat und vor Geisterfahrten schützen soll. Während Autohersteller wie Daimler bereits vor Jahren ein akustisches Warnsystem installiert hatten, bewahrt das Programm von ZF das Fahrzeug auch ganz real vor der Fahrt in die falsche Richtung. Auch hier wird der Fahrer zunächst akustisch gewarnt, wenn er den Blinker setzt und das Lenkrad in die falsche Richtung bewegt. Zugleich wird der Lenkwiderstand erhöht und die Gurte vibrieren.
Ignoriert der Fahrer trotzdem die Warnhinweise und begibt sich auf die Autobahnabfahrt, die er für eine Auffahrt hält, greift die Elektronik ein. „Das Auto wird bis zum Stillstand abgebremst, der Warnblinker aktiviert“, sagt Werner. Zwölf Personen hätte das System auf diese Weise allein im letzten Jahr in Deutschland das Leben retten können. Gar 360 Tote wurden in den USA 2016 nach Geisterfahrten registriert.
Totale Vernetzung ein Muss
Sollte der Fahrer jedoch versuchen, per Rückwärtsgang den Weg hinaus einzuschlagen, so gibt das System Gaspedal und Lenkrad wieder frei. Dabei überwacht das System weiterhin die Wege des Fahrers über die Cloud. „auf der die gespeicherten Informationen aller Fahrten liegen“, sagt Werner.
Über das Kamerasystem und die Cloud verfügt das Vision Zero Vehicle stets über aktualisierte und hochgenaue Karten sowie Informationen über Verkehrsschilder und Fahrbahnmarkierungen. Und hier tritt der entscheidende Aspekt zutage, der eine baldige Erfüllung des Ziels Vision Zero verhindert: dafür müssten es eine flächendeckende Vernetzung zwischen den Autos, Verkehrszeichen und Menschen geben. Doch ZF versucht gerade mittels einer App Teile dieses Problems aufzulösen, indem es zu einer Vernetzung zwischen Auto und Mensch kommt.
„Null Verkehrsunfälle und null Emissionen werden erst möglich, wenn alle Transportmittel elektrisch, autonom und vernetzt fahren. Daran arbeiten wir mit Hochdruck“, sagt deshalb auch ZF-Chef Sommer, „mit unserem rein elektrischen Vision Zero Vehicle und seinen innovativen Sicherheitssystemen zeigen wir wichtige Etappenziele auf dem Weg dorthin.“ Bis dahin wird die Vision Zero noch eine Vision bleiben.