Wolf-Henning Scheider hat mit Blick auf den Antrieb der Zukunft davor gewarnt, ausschließlich auf Elektroautos zu setzen. Der ZF-Chef sprach sich für Technologieoffenheit aus.
Wie Scheider auf der Consumer Electronic Show (CES) in Las Vegas vor Journalisten sagte, müsse man „sämtliche Technologien weiter im Focus behalten“. Denn die batterie-elektrischen Fahrzeuge (BEVs) hätten mit ihrer heutigen Technologie noch zu viele Nachteile für den Endverbraucher.
Dazu gehöre beispielsweise die Ladezeit oder die Umweltbilanz bei der Gesamtherstellung des Elektroautos, sagte Scheider: „Uns stört es, wenn der Eindruck vermittelt wird, dass das batterie-elektrische Fahrzeug die Lösung ist. Das ist es heute nicht.“
Brennstoffzelle wichtige Antriebsart
Für den Chef des Friedrichshafener Zulieferers komme bei den Antrieben der Brennstoffzelle eine besondere Bedeutung zu. Scheider sieht sie ab Mitte der 2020er-Jahre als wichtige Technologie im Fahrzeugmix. „Die Brennstoffzelle hätte bei allen Mobilitätsnachfragen Vorteile, die lange Reichweiten erfordern.“
Insbesondere sieht der Manager den Plug-in-Hybrid in den „nächsten Jahrzehnten als „ganz entscheidende Lösung“ innerhalb der Antriebsarten an. „Deshalb stecken wir viel Geld in die Entwicklung des Hybriden.“ Wie Scheider hinzufügte, brauche sich ein „Hybridfahrzeug hinter einem Elektroauto ganz und gar nicht verstecken“.
Hybrid Alternative für Familien
Der Vorteil eines Hybridfahrzeuges liege auf der Hand: es sei eine hervorragende Alternative für Familien, die nur ein Auto haben. Für das Gros der Bevölkerung biete der Hybrid die Möglichkeit, rein elektrisch zu fahren. Um die Attraktivität des Plug-in-Hybriden zu steigern, müsse seine elektrische Reichweite aber weiter gesteigert werden. „Die jetzigen Reichweiten der Fahrzeuge der ersten Generation sind nicht ausreichend. Deshalb promoten wir die Weiterentwicklung des Hybrids mit einer realen Reichweite von 80 bis 100 Kilometern“, betonte der ZF-Chef.
Mit Blick auf die durchschnittliche Pendlerstrecke von täglich 25 Kilometern könne man mit einem „solchen Hybrid ständig elektrisch fahren“. Zugleich hätten Familien, die mit ihrem Auto trotzdem einen längeren Ausflug machen oder in den Urlaub fahren wollen, dann immer noch den Verbrenner.
Kritik am Hybrid nicht gerechtfertigt
Angesichts dieser Vorteile hält Scheider die Kritik am Hybriden „für nicht gerechtfertigt, es sei denn, man schaue nur auf die erste Generation“. Wie er erklärte, arbeite ZF mit Nachdruck an einem Volks-Hybrid, einem Auto mit einer Reichweite von besagten 80 bis 100 Kilometern.
Die nun auf den Markt kommende dritte Generation des Plug-in-Hybriden von ZF weise Reichweiten von 50 bis 70 Kilometern auf. Damit sei er gegenüber einem BEV bereits wettbewerbsfähig. Damit die Attraktivität des Hybriden aber weiter steigt, hat Scheider seinen Entwicklern die Aufgabe gesetzt, die Kosten um 30 Prozent zu reduzieren. Gelingen soll das noch vor 2025.
Die von der EU auf den Weg gebrachte Verschärfung der CO2-Grenzwerte von 35 Prozent bis zum Jahr 2030 bezeichnete Scheider als „harte Regulierung“. Doch jetzt müsse man nach vorn schauen und sich dieser Herausforderung stellen. „Aber lasst der Industrie die Möglichkeit, diese Ziele mit einer Technologieoffenheit zu erreichen. Der Powertrain-Mix muss so gestaltet werden, dass die Grenzwerte erreicht werden können“, sagte Scheider, dazu gehöre für ihn auch der Diesel.
CO2-Grenzwerte beeinflussen Nachfrage
Die neuen CO2-Grenzwerte der EU werden nach Ansicht von Scheider dazu beitragen, dass sich die Nachfrage nach der Elektromobilität erhöhen wird, denn ohne sie könne man diese Ziele in Europa nicht erreichen. Bislang war ZF davon ausgegangen, dass man bis zum Jahr 2030 auf einen Anteil von 30 Prozent bei der Elektrifizierung komme. Doch nun werde man das nach oben korrigieren. „Für ZF bedeutet das, dass wir mit unseren Investitionen, die wir für die Elektromobilität angekündigt haben, richtig auf Kurs sind.“
Scheider wollte aber nicht ausschließen, dass es durch diese harte Regulierung zu einer Kaufzurückhaltung bei den Kunden kommen kann und sich dadurch der Gesamtmarkt reduziert, da elektrische Fahrzeuge nach wie vor teurer sein werden.
Nicht eine ganze Branche verteufeln
Dass die Autoindustrie angesichts der im Vergleich zum Jahr 1990 leicht gestiegenen Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor zu wenig zur Erreichung der Klimaschutzziele getan hat, will Scheider nicht akzeptieren. „Der Anstieg der Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor liegt daran, dass die Mobilität in Summe gestiegen ist. Aufs einzelne Fahrzeug bezogen ist die Klimabilanz besser geworden.“ Deshalb dürfe man nicht gleich eine ganze Branche verteufeln.
Nicht nur die Autoindustrie sei in der Verantwortung, ihren Beitrag zur Verbesserung der Klimabilanz zu leisten. Deshalb fordert er, dass auch die anderen Mobilitätslösungen wie beispielsweise die Deutsche Bahn auf Vordermann gebracht werden. „Ich fahre sehr, sehr gerne Bahn, aber in den letzten zwei Jahren nicht mehr.“