Ein EU-Kommissar fordert eine jährliche Hauptuntersuchung für ältere Autos. Die Verkehrsclubs sehen darin keinen Sinn.
Autofahrern droht zusätzlicher Aufwand: EU-Verkehrskommissar Siim Kallas will eine jährliche «TÜV»-Untersuchung für ältere Autos in Europa zur Pflicht machen. In Deutschland und anderswo müssen Autofahrer bisher nur alle zwei Jahre den Test absolvieren. Ein vertraulicher Entwurf aus Kallas' Haus für eine neue EU-Verordnung sehe für Fahrzeuge ab dem siebten Jahr oder ab einem bestimmten Kilometerstand eine jährliche Hauptuntersuchung - umgangssprachlich «TÜV» genannt - vor, berichten die «Financial Times Deutschland» («FTD») online und das Magazin «Focus».
Technische Defekte kaum Unfallursachen
In Deutschland wären laut «FTD» mehr als die Hälfte der rund 43 Millionen Pkw betroffen. In Kreisen des Europaparlaments wird nach dpa-Informationen damit gerechnet, dass der Vorschlag noch vor Sommerpause kommt, die Ende Juli beginnt. Die EU strebt dem «Focus» zufolge an, bis 2015 die Prüfpraxis in ihren Mitgliedstaaten zu vereinheitlichen.
«Die Forderung ist nichts Neues, jetzt kommt sie eben von der EU. Damit ist aber nicht gesagt, dass die Zahl der Unfälle reduziert wird», sagte eine Sprecherin des Automobilclubs ADAC der dpa am Samstag. Technische Defekte seien weder bei neuen noch bei alten Modellen eine häufige Unfallursache. Die Fahrer älterer Fahrzeuge würden durch die Pläne aber sehr stark zur Kasse gebeten - die Mehrkosten summieren sich ADAC-Berechnungen zufolge bei einer Prüfgebühr von 60 Euro auf mehr als eine Milliarde Euro pro Jahr.
Vorwurf der Lobbyarbeit
Gleich Lobbyarbeit bescheinigt der Auto Club Europa (ACE) dem EU-Verkehrskommissar. So sei der Vorstoß vor allem dem Interesse der Prüforganisationen geschuldet, so ACE-Sprecher Rainer Hillgärtner: «Der Brüsseler Verkehrskommissar erweckt den Eindruck, er habe auf dem Schoß von TÜV-Lobbyisten Platz genommen. Wir fordern von der Bundesregierung, dass sie im Interesse der Verbraucher den Brüsseler Plänen eine Absage erteilt.»
Auch der ACE sieht wie der ADAC technische Mängel nicht als Hauptursache für Unfälle.
160.000 KIlometer als Grenzpunkt
Der Entwurf des estnischen EU-Kommissars sieht laut «FTD» vor, dass bei neuen Pkw spätestens vier Jahre nach der Erstzulassung eine Hauptuntersuchung durchgeführt werden muss. In Deutschland sind dies derzeit drei Jahre. Danach soll es die nächste Prüfung nach spätestens zwei Jahren geben, anschließend soll sie jährlich Pflicht sein. Zur Begründung heißt es dem Bericht zufolge, dass ältere Autos häufiger technische Mängel aufwiesen. Für Fahrzeuge, die bei der ersten Untersuchung 160.000 Kilometer oder mehr auf dem Tacho haben, soll die jährliche Pflicht gleich greifen.
Bislang schrieben die EU-Vorgaben nach der ersten Prüfung nur alle zwei Jahre eine Hauptuntersuchung vor. Die neuen Vorgaben sollen anscheinend für alle Fahrzeuge bis zu einem Gewicht von 3,5 Tonnen gültig sein. Außerdem sieht Kallas' Entwurf der «FTD» zufolge vor, dass die jährliche TÜV-Pflicht künftig auch für ältere Motorräder gilt.