Als Mercedes noch Flossen hatte

Episode in der Modellgeschichte

Vor einem halben Jahrhundert gab es eine Mode, die aus Amerika herüberschwappte: Heckflossen. Sogar bei Mercedes ließ man sich anstecken, allerdings als die Mode schon wieder abebbte.

Mode und Mercedes - das passte über viele Jahrzehnte nicht zusammen. Vielmehr legte der Autobauer traditionell Wert auf eine schwer zu definierende Zeitlosigkeit. Eine Ausnahme leistete man sich während der späten 50er Jahre. Diese Zeit stand in Amerika für regelrechte Karosseriegebirge mit flügelähnlichen Auswüchsen am Heck. Diese Blechskulpturen waren stilbildend für die Automode jener Jahre.

Peilstege fürs Parken

Auch Mercedes wollte da nicht abseits stehen, mochte aber von der eher sachlichen Unternehmensphilosophie nicht lassen. Hier ging es um mehr als schicke Blech-Verschwendung: die Heckflossen galten als «Peilstege» - die Erhöhungen am Heck sollten Hilfen für gezieltes Einparken sein.
Doch eigentlich war das nur ein kleines Detail jener Modellreihe, die 1959 ihre Premiere feierte. Zwar wird auch heute noch einfach nur vom Heckflossen-Mercedes jener Jahre gesprochen. Oft vergessen wird jedoch, dass gerade diese Generation der Stern-Mobile als wegweisend für die Sicherheit war.

Ovale Scheinwerfer

Der Mercedes 220b Foto: dpa

Grundsätzlich unterteilt wird die Heckflossen-Generation in die Baureihen W 110, 111 und 112. Aber so einfach war es nicht. Zunächst gab es 1959 die Baureihe 111 - unterteilt in die Typen 220, 220 S und 220 SE. Dabei handelte es sich um neu konstruierte Modelle, mit denen die bisherige Sechszylinder-Generation abgelöst wurde. Optische Kennzeichen waren aufrecht stehende, ovale Scheinwerfer. Die Baureihe 110 folgte 1961 und stellte sozusagen das Basismodell dar. Die technische Basis und auch die Karosserie waren größtenteils identisch. Die 110er-Typen 190 und 190 D mussten jedoch auf die großen Scheinwerfer verzichten, wurden stattdessen mit kreisrunder Standardware bestückt - und im Motorraum gab es nur vier Zylinder.

Verschwenderischer Chromschmuck

Die Mode innen Foto: dpa

Als Krönung der Palette erschien ebenfalls im August 1961 der 300 SE. Ab Werk gab es eine Automatik, Luftfederung, zahlreiche weitere Extras und einen Motor mit 3,0 Litern Hubraum und immerhin 170 PS. Äußerlich zeigte der 300er seinen Spitzenstatus durch geradezu verschwenderische Verwendung von Chromschmuck. Die wahre Genialität aber verbarg sich unterm Blech. Denn was heute als selbstverständlich gilt, erlebte seinen ersten Serieneinsatz in den Baureihen 110 bis 112: die vom Konstrukteur Béla Barényi erfundene «gestaltfeste Fahrgastzelle» mit Knautschzonen an Front und Heck. Als weitere Sicherheitsextras gab es ein gepolstertes Armaturenbrett und ein Lenkrad mit einer Polsterplatte.

Das Ende der Heckflosse

Dennoch war die Heckflosse bei Mercedes nur eine Episode. Schon 1965 kamen die Nachfolgemodelle, die sich - wie gewohnt - durch den Verzicht auszeichneten. Lediglich die kleine Ausführung W 110 und ein Modell 230 wurden noch leicht aufgefrischt bis 1968 weitergebaut. Mit der Folge, dass die Heckflossen von Mercedes schon bald nach ihrer Ausmusterung den Status als ungewöhnlich und sogar exotisch bekamen - und sich heute als zeitlos modische Erscheinungen in der Oldtimerszene präsentieren. (dpa/gms)

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