Ablenkung am Steuer ist ein Sicherheitsrisiko. Doch darüber sind sich viele Autofahrer nicht bewusst oder ignorieren die Gefahr, wie mehr als 10.000 ertappte Handysünder beweisen.
Was Unaufmerksamkeit bewirken kann, beweisen folgenden Zahlen: Bei Tempo 50 legt eine Auto in einer Sekunde 14 Meter zurück. Es ist eine Sekunde, in der der Fahrer blind fährt, wenn er auf seinem Mobiltelefon tippt, statt auf die Straße zu schauen.
Ein unterschätztes Risiko, mahnte der Innenminister von Sachsen-Anhalt, Holger Stahlknecht (CDU).
«Keine Nachricht dieser Welt ist es wert, dass man dafür sich und andere in große Gefahr bringt.» Das ist die Botschaft, die am Donnerstag gut 11.000 Polizisten bundesweit bei Kontrollen und Infoaktionen unter die Menschen bringen wollten.
Aktionstag Sicher. Mobil, Leben.
Zum ersten Mal organisierten die Sicherheitsbehörden mit dem amtierenden Chef der Innenministerkonferenz, Stahlknecht, und der Hochschule der Polizei den Aktionstag «Sicher. Mobil. Leben.». Insgesamt wurden am Donnerstag 137.000 Fahrzeuge kontrolliert. Dabei wurden über den Tag mehr als 10.000 Handysünder ertappt, die im Lastwagen-, Auto- und beim Radfahren ein Smartphone genutzt haben, wie Sachsen-Anhalts Innenministerium am Freitag auf der Homepage bekannt gab.
«Ich habe befürchtet, dass die Zahl so hoch sein wird», hatte Stahlknecht bei der Zwischenbilanz am Donnerstagnachmittag in Magdeburg gesagt. «Weil es sich eingebürgert hat, jederzeit erreichbar sein zu wollen.» Daher sei es richtig gewesen, den Aktionstag unter das Thema Ablenkung zu stellen. Jahrelang habe man vor Rasen und Alkohol am Steuer als Unfallrisiko gewarnt – die ebenso große Gefahr mangelnder Aufmerksamkeit aber nicht erwähnt. Die Gesamtbilanz des Aktionstages soll am Freitag bekanntgegeben werden.
Wie betrunken Autofahren
Die Erkenntnisse der Verkehrswissenschaftler sind alarmierend. Wer beim Fahren auf sein Handy statt auf die Straße guckt, agiert, als würde er mit 0,8 bis 1,0 Promille Alkohol im Blut fahren, rechnete Stahlknecht vor. Tippend am Lenkrad lege man meterlange Wege blind zurück und reagiere verzögert. Manche Infokampagne fasst es so zusammen: Tippen tötet.
Wie oft Handy, Navi und Co. zu Unfällen führen, wird in Deutschland derzeit statistisch nicht erfasst, sagte Verkehrsexperte Heinz Albert Stumpen von der Hochschule der Polizei in Münster. Niedersachsen lässt das in einer einjährigen Studie gerade untersuchen. Österreich hingegen erhebe diese Ursache seit Jahren, sagte Stumpen, dort gebe es einen rasanten Anstieg von Fällen, in denen die Ablenkung durch elektronische Geräte mitverantwortlich für Unfälle sei. Bei jedem dritten tödlichen Unfall spiele Ablenkung eine Rolle.
Ein Schwerpunktag reicht nicht
Mit nur einem Schwerpunkttag lasse sich die Entwicklung zu mehr Techniknutzung im Straßenverkehr kaum umkehren, aber das Thema komme in die Köpfe, sagte Stumpen. «Es gibt niemanden, der nicht weiß, dass man innerorts nicht schneller als 50 fahren darf, aber was man mit dem Handy machen darf, wissen viele nicht und vor allem wissen viele nicht, wie gefährlich das ist.»
Teuer ist es im Übrigen auch: Seit Herbst vorigen Jahres müssen Handysünder am Steuer deutlich mehr Bußgeld berappen: Statt 60 Euro und einem Punkt belasten 100 Euro und ein Punkt die Geldbörse und das Verkehrskonto in Flensburg. Auch Radfahrer sind nicht von Strafe frei: Sie müssen statt 25 Euro inzwischen 55 Euro hinblättern, wenn mit dem Handy auf dem Rad erwischt werden. (dpa)