«Unsinn im Quadrat»

Umweltschützer kritisieren Elektromobilität

Die Umweltschutzverbände warnen vor einer Euphorie bei der Elektromobilität. Vor allem deshalb, weil ein Elektroauto nicht die Vorteile für die Umwelt bringt, die in Aussicht gestellt werden.

Von Thomas Flehmer

Die Elektromobilität ist vor dem bevorstehenden Elektrogipfel am 3. Mai im Kanzleramt in aller Munde. Doch während die von Bundeskanzlerin geladenen Vertreter aus der Industrie hoffen, einen selbst erarbeiteten Weg in die Zukunft der Elektromobilität zu gehen, hegen Verbrauchervertreter und Umweltschutzverbände «allergrößte Zweifel am Ansatz», wie Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), am Donnerstag auf einer von fünf Umweltschutzverbänden organisierten Pressekonferenz in Berlin sagte.

Knackpunkt erneuerbare Energien

Nicht, dass die Verbände eine Förderung von Elektrofahrzeugen per se ablehnen würden - es ist der Weg, der möglicherweise beschritten wird, der Zweifel am Sinn aufkommen lässt. «Es reicht nicht, den Motor einfach auszutauschen. Dann bringt das Elektroauto keinen angemessenen Beitrag zur für das Klima», sagt Dietmar Oeliger vom Naturschutzbund Deutschland (NABU). Denn nur mit Strom aus erneuerbaren Energien würde die CO2-Emission der Elektrofahrzeuge gesenkt werden können.

Gerade da liegt der Knackpunkt, der laut den Verbänden einen sinnvollen Weg in die elektromobile Zukunft versperrt. Derzeit werden rund 16 Prozent des gesamten Stroms in Deutschland durch regenerative Energien erzeugt, «bis 2020 – also dann, wenn eine Million Elektrofahrzeuge auf den Straßen fahren, werden es 30 Prozent nach Vorstellung der Bundesregierung mindestens 30 Prozent sein. Die Branche geht sogar von 47 Prozent aus», sagt Daniel Kluge, Pressesprecher vom Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) . Beim Stromerzeuger RWE sind es zum Beispiel derzeit gerade mal fünf Prozent. «Wenn jemand behauptet, die Elektroautos würden mit 'grünem Strom' fahren, ist das Unsinn im Quadrat, das sind einfach Lügen», sagt Wolfgang Lohbeck von Greenpeace Deutschland, «hier sollen Claims abgesteckt werden.»

Abstecken von Claims

Claims, die der Industrie viel Geld versprechen, aber am Verbraucher vorbeiziehen, wie ADAC-Präsident Peter Meyer schon im Interview mit der Autogazette befürchtet hatte. Während den Herstellern daran gelegen ist,
zumindest in den ersten Jahren teure E-Autos zu verkaufen, sollte laut Axel Friedrich, dem ehemaligen Abteilungsleiter beim Umweltbundesamt (UBA) in Dessau, Geld in die Speicher-Forschung gesteckt werden. «Denn wenn wir nicht ein völlig neues Speichersystem finden, hat die Elektromobilität keine Chance.»

Ähnlich sehen das die Verbände, die sich deshalb für eine breit angelegte Förderung aussprechen. «Die Förderung sollte für alle Autos gelten, die effizient sind», so Oeliger. Alle anderen Fahrzeuge sollten einem Malus-System unterworfen werden, wie es in Frankreich seit einigen Jahren praktiziert wird. Alle Fahrzeuge, die einen gewissen CO2-Wert überschreiten, werden mit einer Strafsteuer belegt. Erste Erfolge hat das Nachbarland vorzuweisen, dort ist der durchschnittliche CO2-Ausstoß bereits gesunken.

«Klimaschutzpläne konterkariert»

Zudem seien die Hersteller aufgerufen, Verbesserungen an den Otto- und Dieselmotoren herbeizuführen, mit dem Ziel, bei einem CO2-Ausstoß zwischen 60 und 70 Gramm pro Kilometer zu landen. Angesichts der derzeitigen niedrigsten Ausstöße eines Smart oder Toyota Prius, die knapp unter 90 Gramm liegen, scheint dieses Ziel sehr ambitioniert zu sein. Doch laut Friedrich seien die Entwickler der Hersteller bereits soweit, müssten sich jedoch den politischen Anforderungen des jeweiligen Unternehmens beugen. «Die Bundesregierung muss klima- und ressourcenschonende Mobilität in einem Gesamtkonzept fördern und nicht alles auf die Karte einer einzigen Technik setzen», sagt Gerd Lottsiepen, verkehrspolitischer Sprecher des Verkehrsclubs Deutschland (VCD).

Es mutet komisch an, wenn gerade Umweltschutzverbände sich so um die Zukunft des Verbrennungsmotors sorgen. Doch der Weg in die eine Richtung der Elektromobilität kann auch dazu führen, was alle Verbände vermeiden wollen. Schließlich wird für die Elektrofahrzeuge auch mehr Strom erforderlich sein, aber «wir müssen den Stromverbrauch deutlich reduzieren», sagt Thomas Becker vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), «um aus der Atomindustrie aussteigen zu können. Es werden also die Klimaschutzpläne konterkariert.» Und so sehen alle mit Bangen dem kommenden Montag entgegen, dass Angela Merkel nach der «großen Show mit 300 bis 500 Gästen» (Lottsiepen) die Verlängerung der Atomkraftwerke ausruft. «Diese Gefahr besteht», sagt Kluge.

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Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

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