Benelli 752 S: Ein Bike für Individualisten

Benelli 752 S: Ein Bike für Individualisten
Optisch macht die Benelli 752 S durchaus was her. © fbn/SP-X

Eines kann man der Benelli 752 S bescheinigen: Sie sieht wirklich gut aus. Doch welche inneren Werte hat das Bike der Chinesen? Reichen die für eine Empfehlung?
Nachdem sich die chinesische Marke QJ als Eigentümerin der Markenrechte an Benelli bei diversen kleinen Bikes durchaus einen Namen gemacht hat, steigt man nun mit der sportlichen 752 S für 8500 Euro in die prestigeträchtige Dreiviertelliterklasse ein.

Technisch setzt die weiterhin in Pesaro/Mittelitalien ansässige Entwicklungsabteilung auf gängige Lösungen: Zweizylinder-Reihenmotor, Stahlgitterrahmen in Brückenbauweise, kräftige USD-Gabel, Zentralfederbein, radiale Brembo-Vierkolbensättel vorne mit 320 mm-Doppelscheibe, TFT-Farbdisplay, LED-Beleuchtung rundum, dazu ein unverkleidetes Hinterrad mit seitlich angeflanschter Kennzeichenhalterung sowie Edelstahl-Endschalldämpfer.

Sportliche Sitzposition

Alles normal, zudem ansehnlich verpackt, einer Ducati Monster nicht unähnlich, auch wenn die Benelli in punkto Leistung eher mit der Ducati Scrambler konkurriert. Die ist freilich deutlich leichter, aber auch 2000 Euro teurer. Ist die Benelli also ein Geheimtipp?
Für sich alleine betrachtet macht die Benelli 752 S durchaus was her: Die athletisch-muskulös wirkende Maschine verheißt kompaktes Fahrvergnügen. Die Sitzposition mit eher hoch montierten Fußrasten fällt dezent sportlich aus, spricht jüngere Leute sicher stärker an als ältere. Der Lenker ist moderat breit, alle Faktoren zusammen ermöglichen eine spürbar vorderradorientierte, aktive Sitzposition. Gut so.

Das TFT-Display ist bei direkter Sonneneinstrahlung kaum ablesbar. Foto: fbn/SP-X

Die Erwartungen an eine Geheimtip-Monster werden allerdings vom teils hakelig arbeitende Getriebe und dem auch der eher bescheidene Druck des Zweizylinders konterkariert. Dass maximal lediglich 67 Nm Drehmoment anliegen, ist ständig präsent. Das bleibt auch unterhalb dessen, was eine aktuelle Honda Hornet bietet (92 PS, 75 Nm); die wiegt aber rund 25 Kilo weniger und liegt zudem preislich 500 Euro niedriger. Optisch kann die Japanerin der Italo-Chinesin freilich nicht das Wasser reichen.

Für Freunde attraktiver Formen

Schon diese wenigen Bezüge reichen, um der Benelli einen Sonderstatus zu attestieren: Sie ist etwas für Individualisten. Und zwar solche, die primär Spaß an attraktiven Formen sowie schön gemachten Komponenten haben, die aber nicht übertrieben leistungsorientiert denken.

Man besehe sich nur den filigranen, aus gebürstetem Edelstahl gefertigten Endschalldämpfer. Oder die fein bearbeitete, stolze 5 Zentimeter starke USD-Gabel von Marzocchi. Auch die aus doppelten Stahlrohren gefertigte Schwinge ist ein schönes Stück, stellt jede profane Alu-Schwinge optisch in den Schatten. Die Kehrseite zeigen die technischen Daten: 226 Kilogramm fahrfertig sind 20 Kilo mehr als die mittlerweile ausgelaufene Ducati Monster 821 (mit immerhin 109 PS) gewogen hat, oder 15 Kilo mehr, als die aktuell 125 PS starke Kawasaki Z900 auf die Waage bringt.

Zielgenaues Fahrwerk

Doch fahren wir noch ein Weilchen. Das Fahrwerk operiert zielgenau, was sicherlich auch dem gut harmonierenden Pirelli-Reifen zu verdanken ist. Federung und Dämpfung arbeiten konzept- und klassengemäß, die üppig bemessene Bremsanlage hält, was die hochwertigen Komponenten versprechen. Das in den unteren beiden Gängen etwas lang übersetzte Sechsganggetriebe hakt, wie schon gesagt, insbesondere beim Zurückschalten gelegentlich; leider bietet es keine Option für einen Quickshifter zum kupplungslosen Schalten.

Aber mit Extras haben’s die preissensibel agierenden chinesischen Manager nicht so. Auch nicht mit optionalen Ausstattungspaketen. Dass bei nasser Straße der Fahrer auch von hinten und seitlich unten eingedreckt wird, ist unvermeidlich: Das unverkleidete Hinterrad ist nun mal eine Dreckschleuder. Ungut ist, dass das sonst gut ablesbare TFT-Display bei direkter Sonneneinstrahlung praktisch unablesbar ist. Dafür bietet die Benelli bei Dunkelheit ein abgedunkeltes „Nacht-Display“ sowie bläulich umrahmte und daher leicht zu findende Lenkerschalter. Die sind bestens angeordnet und arbeiten zudem präzise.

Freudiges Drehverhalten des Zweizylinders

Die Benelli 752 S könnte durchaus etwas mehr Leistung vertragen. Foto: fbn/SP-X

Hat man die für eine sportliche 750er eher dezente Leistungsabgabe akzeptiert, lässt sich mit dem Zweizylinder-Reihenmotor gut leben: Er dreht durchaus freudig hoch, und bietet fürs zügige Landstraßenfahren ausreichend Leistung, sofern der Fahrer entsprechend Gas gibt und höhere Drehzahlen nicht scheut. Der Sound hört sich im Leerlauf „blubberig“ an, keine Spur von Aggressivität.

Der Autor sieht das positiv, zumal die Benelli keine lästigen Lautstärken produziert. Dass der Landstraßenverbrauch teils deutlich unter dem abschreckend hohen Normverbrauch von 5,4 Litern zu liegen kam, ist erfreulich; die Autobahnwertung sparten wir uns, denn jenseits von 130 km/h ist die Benelli wegen des kräftigen Winddrucks auf den Fahrern nur Stiernackentypen zu empfehlen.

Ist sie nun ein Geheimtipp? Jein. Attraktiv ist sie bestimmt für Individualisten, denn sie ist derzeit selten auf den Straßen und bei Motorradtreffs zu sehen. Aber leistungsorientiert sollte man als Interessent nicht eingestellt sein, denn die Preis-Gewichts-Leistungswertung kann die Italo-Chinesin nicht gewinnen. Auch mit Smartphone-Konnektivität kann die Benelli nicht punkten. Dafür ist sie halt keine Dutzendware. Was ja auch was für sich hat. Und Spaß beim Fahren ist unabhängig von Konnektivität. Der kommt, ganz klar, auf der Benelli trotzdem auf. (SP-X)

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