Vorfahrt für Saab

Friction-Tester auf Flughäfen

Bevor Flugzeuge starten oder landen können, wird das Vorfeld auf den Reibungszustand überprüft. In Frankfurt sind dafür 250.000 Euro teure Saab-Fahrzeuge unterwegs.

Bei fast 1400 Starts und Landungen bringt der Frankfurter Flughafen jeden Tag rund 160.000 Passagiere auf den Weg in alle Himmelsrichtungen. Doch bevor gelandet wird, hat ein gelb-schwarzer Saab 9-5 V6 Kombi grundsätzlich Vorfahrt. Er prüft, ob auf der Landebahn nicht vielleicht alles ein wenig zu glatt geht.

Messrad im Kofferrraum

«Friction Tester», Reibungs-Prüfer, heißen im Jargon der internationalen Flughafen-Gemeinschaft jene Fahrzeuge, die mittels eines Messrads im Kofferraum die Griffigkeit, also die Reibwerte, der Landebahnen überwachen. Zwar gibt es mittlerweile auch Friction Tester anderer Hersteller, traditionell trägt aber die große Mehrheit ein Saab-Logo, was Andreas Schön bestätigen kann. «Als ich vor 22 Jahren hier angefangen habe, gab es schon einen Friction Tester», sagt der 43 Jahre alte Vorfeld-Kontrollassistent.

«Zwar arbeiten wir auch mit Mess-Hängern, den Skidometern, aber damit sind wir langsamer, können schlechter Kurven fahren und die sind auch nicht so zuverlässig. Schon damals war es ein Saab, ein 900er.»

Traditionelle Nähe zum Fluggeschäft

Messrad im Kofferrraum Foto: Saab

Die traditionsreiche nordische Kombination entwickelte sich aus der Nähe der skandinavischen Konstrukteure. Erste Messversuche fanden bereits 1946 auf dem Flughafen Oslo-Gardemoen statt, wo nach dem Krieg die großen, viermotorigen Douglas DC-4 landeten. Wo anfangs noch mit Sand und Kies beladene Lastwagen relativ vage bleibende Bremsversuche unternahmen, wurde später das System mit dem Messrad entwickelt. Als Fronttriebler ohne störende, angetriebene Hinterachse unter dem Kofferraum, boten sich die aufgrund satter Materialstärken extrem langlebigen Saab geradezu an. Die Nähe des Flugzeugbauers «Svenska Aeroplan Aktiebolaget» (SAAB) zum Flug-Geschäft dürfte ebenfalls ein Grund gewesen sein, zu Produkten aus Trollhättan zu greifen.

Als der alte Saab 900 nach über 20 Jahren in Frankfurter Diensten im letzten Jahr als Technik-Spende an den Flughafen Hahn im Hunsrück überreicht wurde, stand der Nachfolger - ein ehemals dezent silbern lackierter 9-5 Kombi mit V6-Motor und Automatik - schon vier Jahre im Dienst. Drei Saab warten rund um die Uhr in den Katakomben des riesigen Flughafen-Areals auf ihren Einsatz, ähnlich wie ihre Lenker im Schichtdienst allzeit bereit.

Bis zu 30.000 Euro Wartungskosten pro Jahr

250.000 Euro teuer Foto: Saab

Sommers wie winters, denn eine Sintflut kann jederzeit einsetzen, Eis und Schnee können aus der Landebahn eine Rutschbahn machen. «Die Autos werden hart rangenommen, dafür aber auch extrem aufwändig gewartet, weil die Technik sehr sensibel ist», sagt Schön. Regnet es draußen auf dem Vorfeld, melden Piloten nach der Landung auffällige Asphalt-Verhältnisse oder hält es die Deutsche Flugsicherung - die das Sagen auf Start- und Landebahn hat und deren Funkverkehr im Cockpit ständig mitläuft - für nötig, rücken die Friction Tester aus.

Rund 250.000 Euro kostet solch ein Spezialfahrzeug, noch einmal 20.000 bis 30.000 Euro verschlingt die Wartung im Jahr. Alles in Diensten reibungsloser Landemanöver, denn im Nassen kann jene Aufsetz-Zone, in der einige hundert Tonnen Passagier-Flugzeug bei der Landung mit rund 200 km/h Bodenkontakt herstellen, durch Gummiabrieb und Feuchtigkeit glatt wie Eis sein. Wie glatt, das messen empfindliche Sensoren an jenem kleinen Rad im Kofferraum, dessen Gummiprofil exakt jenem von Flugzeugreifen entspricht.

20 Messfahrten pro Rad

Nach 20 Messfahrten muss das Rad gewechselt werden Foto: Saab

«Für die Messfahrten ist eine Geschwindigkeit von 96 km/h optimal», weiß Schön. «Unsere Skala reicht von 99 bis 0. Die Null bedeutet, dass überhaupt kein Grip vorhanden ist, 99 meint sehr gute Bedingungen. Die Ergebnis geben wir dann direkt an den Piloten weiter, damit der sich auf die Bodenbeschaffenheit einstellen kann.» Die Griffigkeitswerte legt jedoch nicht der Flughafenbetreiber fest, sondern die International Civil Aviation Organisation (ICAO).

Sechs bis sieben Messungen können pro Stunde absolviert werden. Natürlich gibt es auch fest installierte Messstationen, doch lieber gehen die Kollegen der Vorfeldkontrolle einmal mehr raus, auch wenn’s teuer wird. Nach spätestens 20 Reibungs-Fahrten ist das Messrad am Ende und muss gewechselt werden, ein Ersatzpneu ist immer an Bord.

Auswertung vor Start

Und wenn es einmal nicht regnet, dann führt Andreas Schön zu Simulations-Zwecken 300 Liter Wasser auf der Rücksitzbank mit sich. Ein glucksendes und bei jeder Kurve und jedem sanften Bremsmanöver rauschendes Meer in einem Tank, der einen millimeterdünnen Wasserfilm vor das Rad auf den Boden legt und dem Rad den Regen vorgaukelt. 300 Liter reichen, um eine Landebahn abzufahren, dann geht es zurück zum Tanken.

Alles was hinten unter der Wartungsklappe im Kofferraum passiert, wenn sich der Führungsarm mit dem auf 40 bis 45 bar aufgepumpten «Aero»-Messrad nach unten senkt und Daten gesammelt werden, endet vorne im Cockpit. Dort spuckt ein Drucker, scheinbar einer Supermarktkasse der 70er Jahre entnommen, ein Band aus Papier mit allen Ergebnissen aus. Erst dann wird gelandet - denn der Saab hat Vorfahrt.

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