Kampfansage an VW

Fiat MultiAir

Fiat will mit einer Neuentwicklung im Motormanagement bis zu 25 Prozent Kraftstoffverbrauch einsparen. Der MultiAir-Zweizylinder-Benziner könnte damit zum sparsamsten Aggregat überhaupt aufsteigen.

Von Stefan Voswinkel

Revolutionen gab es im Motorenbau bisher nur wenige. Der Wankelmotor ist stets ein Exot geblieben. Beim Stirlingmotor wissen selbst Kenner oft nicht, was gemeint ist. Stattdessen haben in der Vergangenheit meist Weiterentwicklungen von Otto- und Dieselmotor Erfolg garantiert. Doch jetzt kündigt der italienische Autobauer Fiat vollmundig eine Revolution im Motorenbau an: MultiAir heißt das System, mit dem sich bis zu 25 Prozent Kraftstoff sparen lassen sollen - bei gleichzeitig gestiegener Leistung und Drehmoment.

Verzicht auf eine Nockenwelle

«In der Praxis werden es wohl zehn bis 15 Prozent Ersparnis je nach Fahrprofil werden», schätzt Michael Bargende. Der promovierte Ingenieur ist Professor für Verbrennungsmotoren an der Technischen Universität Stuttgart. Aber auch das sei eine bemerkenswerte Leistung, denn bisher brauchte man für eine solche Ersparnis verschiedene Systeme wie eine Start-Stopp-Automatik und Bremsenergierückgewinnung. Fiat geht jedoch technisch neue Wege: Die Italiener verzichten künftig auf die Nockenwelle zur Steuerung der Einlassventile. Über die Nockenwelle der Auslass-Seite wird hydraulischer Druck aufgebaut und gespeichert. Damit ist es dank einer komplexen elektronischen Steuerung möglich, die Ventile der Einlass-Seite nahezu zu jedem Zeitpunkt zu öffnen und zu schließen. Das war bisher nicht möglich. Zwar haben bereits BMW (Valvetronic), Porsche (VarioCam) und andere Hersteller mit der Verstellung der Nockenwelle experimentiert - stufenlos wie bei Fiat ging es bisher aber nicht.

Ein Steuergerät managt die komplexe MultiAir-Mechatronik, also das Zusammenspiel von Mechanik und Elektronik - in Sekundenbruchteilen wird so die Ventilstellung angepasst. Die Folge: Der Motor arbeitet in praktisch jeder Fahrsituation mit einem optimalen Wirkungsgrad. «Von der technischen Bedeutung ist die Einführung von MultiAir mit dem Debüt der Common-Rail-Einspritzung vergleichbar», sagt Alfa Romeo-Sprecher Malte Dringenberg.

Zwei Probleme gelöst

Und auch Michael Bargende ist sich sicher, dass MultiAir seinen Niederschlag in den Geschichtsbüchern finden wird. «Fiat scheint konstruktiv zwei Probleme gelöst zu haben. Zum einen ist das System preisgünstig in der Großserie herzustellen. Und zum anderen weist es eine hohe Haltbarkeit und Robustheit auf», sagt er. Fiat sei der erste Hersteller, dem das gelungen sei. Und das sei die eigentliche Leistung der Italiener, denn nahezu alle anderen Hersteller arbeiten bereits seit zehn Jahren auch an einer ähnlichen Lösung.

Wie revolutionär das System in der Praxis ist, sollen die angestrebten Verbrauchswerte beim Alfa Romeo Mito zeigen. Braucht der 1.4 TB mit 88 kW/120 PS zurzeit noch 6,1 Liter auf 100 Kilometer, kann er dank MultiAir einen Verbrauch von rund fünf Litern erreichen - bei gleichzeitig gestiegener Leistung. Noch in diesem Sommer soll der Mito mit diesem System auf den Markt kommen.

Kampfansage an VW

«Interessant ist, dass Fiat das System in einem solchen Volumenmodell auf den Markt bringt, und nicht in kleinen Stückzahlen wie etwa bei Ferrari oder Maserati», sagt Bargende. Andere Hersteller wie Daimler beim CLS 350 CGI mit Benzindirekteinspritzung der zweiten Generation nutzten zunächst eine Baureihe mit kleiner Stückzahl, um daraus für eine Großserie zu lernen. «Bei Daimler kann die Direkteinspritzung pro Motor durchaus 500 bis 600 Euro mehr kosten als eine konventionelle Saugrohreinspritzung», sagt Bargende. Ein Aufpreis, der bei der Einführung der Technologie im Mito nicht darstellbar sei. Alfa Romeo schweigt sich zum Aufpreis für MultiAir zurzeit noch aus. Ein Mito 1.4 TB mit herkömmlichem Motor kostet 16.600 Euro - rund 400 Euro Aufpreis scheinen da realistisch.

Durch die neue Technik im Mito könnte auch der neue VW Polo BlueMotion in Bedrängnis geraten. Der Kleinwagen der Wolfsburger war einer der Stars auf dem diesjährigen Genfer Autosalon. Mit neuem Dreizylinder und den üblichen Sparmaßnahmen soll er auf 3,3 Liter Verbrauch je 100 Kilometer und 87 Gramm
CO2 pro Kilometer kommen - allerdings erst 2010. Fiat kontert im gleichen Jahr mit einem komplett neuen MultiAir-Zweizylinder-Benziner mit einem Hubraum von 0,9 Liter. Von diesem Triebwerk sind eine Sauger- und zwei Turboversionen vorgesehen, eine davon für den Betrieb mit Benzin und Erdgas (CNG). So will Fiat im fünfsitzigen Panda Aria einen CO2-Ausstoß von nur 80 g/km realisieren.

Kleine Revolution

Selbst der bisherige CO2-Weltmeister Smart stößt mit 88 Gramm deutlich mehr aus. «Man muss Fiat technisch wieder mehr als ernst nehmen. Die Italiener könnten sich mit MultiAir zum Vorreiter aufschwingen», sagt Bargende. Es scheint also, als habe Fiat eine kleine Revolution im Motorenbau geschafft - vielleicht fragt man künftig beim Autokauf nicht nur nach einem Diesel- oder Ottomotor, sondern auch, ob das neue Auto bereits MultiAir hat. (mid)

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