«Ich glaube nicht, dass es zu Strafzöllen kommen wird»

Smart-Europachef Dirk Adelmann

«Ich glaube nicht, dass es zu Strafzöllen kommen wird»
Smart-Europachef Dirk Adelmann. © Smart

Dirk Adelmann verantwortet das Europageschäft bei Smart. Im Interview spricht er über aktuelle und kommende Modelle, die Förderpolitik und die Erwartungen fürs kommende Jahr.

Der Autobauer Smart bringt mit dem #3 sein zweites Modell nach dem #1 auf den Markt. Es ist ein Fahrzeug mit einer Länge von 4,40 Meter. Passt so ein Fahrzeug zu einer Marke, die wie keine andere für urbane Mobilität steht?

«Ich finde, dass wir der Marke Smart auch mit den neuen Modellen treu geblieben sind. Das werden wir auch bei weiteren Modellen in der Zukunft tun», sagte Smart-Europachef Dirk Adelmann im Interview mit der Autogazette.

Entscheidung über Zweisitzer im nächsten Jahr

Wie Adelmann ergänzte, sei mit Blick auf kommende Modelle vieles vorstellbar, «sowohl nach oben als nach unten». Dazu gehört auch ein Zweisitzer. Ob ein solches Modell kommen wird, wollte Adelmann indes nicht bestätigen. «Ich kann aber sagen, dass wir an einem solchen Auto arbeiten. Die ersten Fingerübungen unseres Designteams um Kai Sieber haben wir schon vor zwei Jahren gesehen», so Adelmann.

Die Entscheidung über einen Zweisitzer soll in der ersten Jahreshälfte des kommenden Jahres fallen. «In Europa geht die Tendenz klar Richtung Zweisitzer, hier sehen wir ein Potenzial für ein solches Fahrzeug. »

«Es ist vieles vorstellbar, sowohl nach oben als nach unten»

Hat nichts mehr mit dem 2,69 Meter kurzen Querparker von einst zu tun: der neue Smart #1. Foto: Smart

Autogazette: Herr Adelmann, der Smart Fortwo gilt mit einer Länge von 2,69 Meter als ideales Stadtauto. Beim 4,27 Meter langen Smart #1 kann davon keine Rede mehr sein. Ist es angesichts immer voller werdender Städte nicht ein Fehler, sich von seiner Marken-DNA zu verabschieden?

Dirk Adelmann: Bei urbaner Mobilität geht es uns um lokal emissionsfreies fahren und – wie beim Ur-Smart – um die bestmögliche Ausnutzung des verbrauchten Platzes. Das haben wir mit dem Smart #1 und jetzt mit dem #3 gut hinbekommen. Beim #1 gibt es einige Elemente, wie die verschiebbare Rückbank und den langen Radstand, die dazu beitragen, dass die Passagiere viel Platz haben. Ich finde, dass wir der Marke Smart auch mit den neuen Modellen treu geblieben sind. Das werden wir auch bei weiteren Modellen in der Zukunft tun.

Autogazette: Es wird also einen Nachfolger des Smart Fortwo geben, den #2?

Adelmann: Es ist vieles vorstellbar, sowohl nach oben als nach unten. Ob ein Nachfolger des Zweisitzers wirklich kommen wird, kann ich noch nicht bestätigen: Ich kann aber sagen, dass wir an einem solchen Auto arbeiten. Die ersten Fingerübungen unseres Designteams um Kai Sieber haben wir schon vor zwei Jahren gesehen.

„In Europa geht die Entscheidung klar Richtung Zweisitzer“

Den Smart Fortwo galt als ideales Fahrzeug für die Start mit einer Länge von 2,69 Meter. Foto; Smart

Autogazette: Sollte eine Entscheidung für den Zweisitzer fallen, wird es ein Auto in der Größe des Smart Fortwo sein?

Adelmann: Wenn wir in einen Zweisitzer gehen und dabei die DNA von Smart nicht verraten möchten, sollte man dafür das Raumkonzept, dass wir mit dem #1 und #3 vorleben, auch bei diesem Fahrzeug umsetzen. 2,69 Meter ist für uns zugleich die unterste Größe für ein solches Fahrzeug. Bei allen Ausgangsüberlegungen sind die heutigen Anforderungen an den Fußgängerschutz und für die Erreichung von fünf Sternen beim EuroNCAP zu berücksichtigen.

Autogazette: Und, wann ist mit der Entscheidung für ein solches Fahrzeug zur rechnen?

Adelmann: Wir planen eine interne Entscheidung über den Bau eines solchen Autos in der ersten Jahreshälfte des nächsten Jahres. In Europa geht die Tendenz klar Richtung Zweisitzer, hier sehen wir ein Potenzial für ein solches Fahrzeug.

Autogazette: Verliert das Auto angesichts immer voller werdender Städte und der Diskussion um eine Verkehrswende in den Metropolen nicht zunehmend an Bedeutung?

Adelmann: Wir glauben fest daran, dass das Auto auch in Großstädten weiter eine wichtige Rolle spielen wird. Dann allerdings muss es zu einer besseren Nutzung des Fahrzeugs kommen. Dazu bieten wir schon heute digitale Keys an. Damit haben sie die Möglichkeit, dass sich bis zu fünf Personen das Fahrzeug teilen können.

«Ich denke, dass wir urban anders definieren müssen»

Von der Coupé-Variante #3 verspricht sich Smart mit Blick auf den Absatz einiges. Foto: Smart

Autogazette: Der #1 hat eine Länge von 4,27 Meter, der #3 ist nochmals 13 Zentimeter länger. Sind das damit wirklich noch Modelle für die urbane Mobilität?

Adelmann: Ich denke, dass wir urban anders definieren müssen als es nur in den Kontext der Stadt zu setzen. Es geht auch um die Menschen im Speckgürtel, sie wollen auch elektrisch fahren, haben zudem ein starkes Interesse an urbanen Trends.

Autogazette: Nach dem SUV #1 bringen Sie mit dem #3 nun eine Coupé-Variante. Auf welchen Anteil soll das Coupé am Absatz kommen?

Adelmann: Wir erwarten einen Anteil von 50:50.

Autogazette: Woher rührt diese Zuversicht?

Adelmann: Wir haben bereits in 2020 bei einer Car Clinic, die Kundinnen und Kunden nach den Fahrzeugen befragt. Da wurde der #1 als Zweitwagen gesehen, der #3 indes als Erstwagen. Entsprechend erreichen wir mit ihm neue Zielgruppen.

„Mit dem Zuwachs sind wir aktuell zufrieden“

Autogazette: Smart konnte in Deutschland im Oktober zwar ein Plus von 35 Prozent bei den Neuzulassungen erzielen, doch das entspricht gerade einmal 887 Fahrzeugen. Kumuliert steht die Marke mit 14.316 Neuzulassungen bei einem Plus von über 62 Prozent. Sind Sie damit zufrieden?

Adelmann: Mit dem Zuwachs sind wir aktuell zufrieden. Deutschland befindet sich im Vorlauf zu anderen europäischen Märkten. Von den 9000 Smart #1, die wir in Europa bis Ende November verkauft haben, entfielen allein 6000 auf Deutschland. Zudem haben wir uns im ersten Jahr aufs B2C- und Small Medium Enterprises fokussiert.

Autogazette: Das klassische Flottengeschäft spielt für Sie keine Rolle?

Adelmann: Ursprünglich wollten wir gar nicht im Rental-Geschäft vertreten sein, haben uns dann aber doch für einen Piloten mit OK Mobility entschieden. Es ist europaweit aktuell der einzige Vermieter, mit dem wir zusammenarbeiten; er ist bereits in einigen unsere Märkte, wie Spanien, Frankreich, Italien und Portugal vertreten. Wir werden uns weiterhin auf das B2C-Geschäft, kleine Firmen und Endkunden fokussieren.

«Uns liegen bereits 1300 Auftragseingänge vor»

Das Cockpit des Smart #3 ist ansprechend gestaletet. Foto: Smart

Autogazette: Seit dem 19. Oktober bieten Sie in Deutschland auch den Smart #1 mit der 49 kWh großen Batterie an. Sie kostet mit 37.490 Euro rund 5.000 Euro weniger als der #1 Pro+ mit 66 kWh-Akku. Lässt sich schon etwas zur Nachfrage sagen?

Adelmann: Ja, uns liegen bereits 1300 Auftragseingänge vor, die wir jetzt nach und nach abarbeiten werden. Wir freuen uns über das große Interesse nach der kleinen Batterie. Deshalb haben wir inzwischen auch fünf bis sechs Monate Lieferzeit für dieses Fahrzeug. Die anderen Fahrzeuge mit großer Batterie sind sofort verfügbar.

Autogazette: Wie erklären Sie sich die hohe Nachfrage? Meist verlangen die Kundinnen und Kunden ja nach E-Autos mit viel Reichweite.

Adelmann: Für einige Kunden ist der #1 mit kleiner Batterie ein klassischer Zweitwagen, die Preisersparnis von 5.000 Euro zum Pro spielt auch eine wichtige Rolle. Dadurch können wir das Auto derzeit für einen Leasingpreis von 249 Euro anbieten. Bei einem solchen Preis fragen sich dann viele, ob sie wirklich die größere Batterie brauchen und dafür monatlich 379 Euro zahlen.

«Ich denke, dass wir urban anders definieren müssen»

Autogazette: Glauben Sie, dass Sie mit einem Auto für einen Preis von 37.490 Euro breite Bevölkerungsschichten zum Umstieg auf die E-Mobilität bewegen können?

Adelmann: In Deutschland auf jeden Fall, in Südeuropa ist es noch ein weiterer Weg. In Deutschland sieht es mit einem Anteil von über 17 Prozent gut aus, auch Frankreich holt auf, und Belgien ist nicht zu unterschätzen. Wir haben also Märkte, die das kleinere Volumen aus Südeuropa ausgleichen. Ich erinnere daran, dass Italien für Smart einmal der größte Markt war.

Autogazette: Citroen hat gerade den e-C3 vorgestellt. Einen Kleinwagen mit einer Reichweite von 320 Kilometer für einen Preis von 23.300 Euro. Waren Sie überrascht, dass ein solches Auto von einem französischen und nicht chinesischen Hersteller kommt?

Adelmann: Überrascht hat es uns nicht, da wir mit diversen europäischen Herstellern im Gespräch sind. Das ist eine erfreuliche Richtung, die dort mit dem Preis für ein solches Fahrzeug eingeschlagen wird.

Autogazette: Und, wann wird es ein solches Auto von einem chinesischen Hersteller geben?

Adelmann: Ich bin selbst gespannt, ob die chinesischen Hersteller bald mit einem derart günstigen Auto kommen. Ich habe da insbesondere einen Hersteller im Blick…

Autogazette: …BYD…

Adelmann: Ja, da bin ich sehr gespannt. Wenn wir uns MG anschauen, dann sind die gerade in Südeuropa mit absoluten Kampfpreisen unterwegs und dass auch nicht unerfolgreich. Es sind auch schon jetzt chinesische Hersteller, die gerade von unten den Markt ein Stück weit aufmischen. Doch MG ist ganz anders positioniert als wir: Wir sind Premium – und Premiumqualität ermöglicht andere Preise.

«Was wir brauchen ist Stabilität und Planungssicherheit»

Der Smart #3 ist das zweite Modell des deutsch-cheinesischen Herstellers. nach dem #1. Foto: Smart

Autogazette: Muss man mit Blick auf bezahlbare Mobilität die Wahrnehmung eigentlich stärker aufs Leasing als den Verkaufspreis richten? Der Citroen e-C3 wird ja für 99 Euro monatlich offeriert. Ein Preis, der auch für sie möglich wäre?

Adelmann: So etwas würde ich keineswegs für uns ausschließen. Es hängt auch von der weiteren Zinsentwicklung und unserer Restwert-Entwicklung ab.

Autogazette: Was halten Sie von der Prüfung der EU wegen der Subventionierung des chinesischen Staates für die heimischen Hersteller? Ist es eine Wettbewerbsverzerrung?

Adelmann: Das versucht die EU ja gerade herauszubekommen. Wir beteiligen uns kooperativ und haben alle offiziellen Formblätter eingereicht. Das haben wir sowohl als Smart getan, als auch mit Mercedes-Benz und Geely für maximale Transparenz. Dazu noch eine Anmerkung: Ja, auch in China fließen Subventionen genauso wie in Europa, genauso wie in den USA.

Autogazette: Würden mögliche Strafzölle zu einem Handelskrieg führen?

Adelmann: Ich glaube nicht, dass es zu Strafzöllen kommen wird.

Autogazette: In Deutschland wird mit Blick auf die E-Mobilität von einem Nachfrageeinbruch gesprochen. Ist es klug in der Markthochlaufphase die Förderung zu kürzen?

Adelmann: Nein. Was wir brauchen und was auch der Kunde fordert, ist Stabilität und Planungssicherheit – und das sowohl im privaten als auch im gewerblichen Bereich. Was wir im August mit dem Auslaufen der Prämie für Gewerbekunden erlebt haben, war dramatisch: Wir haben einen Wahnsinns-Vorzieheffekt erlebt, doch jetzt werden wir dort so gut wie nichts mehr machen. Das hat auch Auswirkungen auf Gebrauchtfahrzeuge. Diese Fahrzeuge, die durch gewerbliche Zulassungen gekommen sind, wird es dann auch nicht mehr geben. So mache ich Elektromobilität nicht erreichbar für die Massen.

Autogazette: Wie schaut Ihre Absatzerwartung für 2024 aus?

Adelmann: Mit 20.000 Autos von Smart #1 und #3 in Europa wären wir im kommenden Jahr nicht unglücklich.

Das Interview mit Dirk Adelmann führte Frank Mertens

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