«Denke, dass wir 2024 wieder durchstarten können»

Skoda-Chef Klaus Zellmer

«Denke, dass wir 2024 wieder durchstarten können»
Skoda-Chef Klaus Zellmer hinter dem Steuer eines Enyaq iV. © Skoda/Ivo Hercik

Klaus Zellmer ist seit Juli neuer Skoda-Chef. Im Interview mit der Autogazette spricht der Manager über steigende Autopreise, die E-Mobilität, China und Wachstumsmärkte wie Indien und Vietnam.

Der Autobauer Skoda setzt auf eine weitere Internationalisierung. «Zu unserer zukünftigen Internationalisierungsstrategie gehört auch Vietnam. Dort leben 100 Millionen Menschen, der Motorisierungsgrad liegt bei 34 Fahrzeugen pro 1000 Einwohnern“, sagte Skoda-Chef Klaus Zellmer. «Deshalb werden wir mit einem Joint-Venture-Partner zunächst Fahrzeuge importieren, zu einem späteren Zeitpunkt werden wir im Rahmen einer CKD-Fertigung vor Ort produzieren und die Fahrzeuge über ein Händlernetz verkaufen», fügte Zellmer hinzu

Wie er sagte, würde man von Indien aus bereits schon Fahrzeuge wie den Kushaq in den Mittleren Osten exportieren. «Als Škoda haben wir auch auf den Märkten der Südhalbkugel viel Potenzial.»

China-Geschäft wird neu bewertet

In China würde Skoda zusammen mit seinem Joint-Venture-Partner SAIC Volkswagen vor besonderen Herausforderungen stehen. «Das spiegelt sich auch in den aktuellen Absatzzahlen wider, die in der Vergangenheit schon deutlich höher lagen. Deshalb bewerten wir gerade die derzeitige Lage und entscheiden auf dieser Grundlage gemeinsam, wie der Weg in die Zukunft in China ausschaut.»

Wie Zellmer sagte, würde Skoda in anderen Teilen der Erde enorm wachsen. «Wir haben früh auf Indien gesetzt und unsere Strategie greift: Wir sind dort sehr erfolgreich. Im ersten Halbjahr 2022 haben wir auf dem indischen Markt mehr Fahrzeuge verkauft als im gesamten Jahr 2021.» Daneben komme auch Nordafrika eine wichtige Rolle zu.

«Gerade unsere Planung bis 2030 nachgeschärft»

Autogazette: Herr Zellmer, die EU hat das Verbrenner-Aus für 2035 verabschiedet. Was bedeutet das für die Transformation von Skoda?

Klaus Zellmer: Wir haben gerade unsere Planung bis 2030 nachgeschärft. Bis dahin wollen wir beim Absatz in Europa auf einen Anteil von 70 Prozent plus bei den Elektromodellen kommen. Vormals waren es 50 Prozent plus. Wir müssen deutlich schneller sein – und sind es auch.

Autogazette: Dazu haben Sie auch Ihre Investitionen in die E-Mobilität erhöht…

Zellmer: Ja, wir investieren bis 2026 nun 5,6 Milliarden Euro in die E-Mobilität. Das ist eine Erhöhung von fast 80 Prozent zu den bisherigen Planungen. Zusätzlich fließen bis dahin 700 Millionen Euro in die weitere Digitalisierung unseres Unternehmens. 2026 werden wir drei weitere E-Modelle auf den Markt bringen.

«Dieses Ziel ist ambitioniert»

Der Vision 7 S fährt als erstes Modell nicht mehr unter dem alten Markenlogo mit dem Pfeil. Foto: Mertens

Autogazette: Wie ambitioniert ist diese Zahl von drei E-Fahrzeugen bis 2026?

Zellmer: Dieses Ziel ist ambitioniert, aber erreichbar – und ambitioniert müssen wir in diesem Wettbewerbsumfeld auch sein. Mit der Studie Vision 7S werden wir unser Portfolio nach oben abrunden. Die Vision 7S ist ein Fahrzeug, auf das wir uns riesig freuen. Daneben bringen wir noch zwei Fahrzeuge unterhalb des Enyaq iV. Derzeit wird die Transformation aber noch von unseren Verbrennermodellen bezahlt – und hier freuen wir uns auf neue Fahrzeuge wie im kommenden Jahr den Kodiaq und den neuen Superb mit weiter optimierten, effizienten Motoren. 2024 kommt der aufgewertete Octavia. Bei aller notwendigen Transformation müssen wir unsere Kunden im Blick behalten: Am Ende des Tages entscheiden sie, was für ein Fahrzeug sie kaufen.

«Sie müssen das gesamte Portfolio sehen»

Autogazette: Ist ein Fahrzeug wie der 7S mit einer Länge von über fünf Metern das richtige Auto mit Blick auf die Verkehrswende?

Zellmer: Sie müssen das gesamte Portfolio sehen. Skoda bietet vom Einsteigersegment und darüber hinaus das an, wonach die Kunden verlangen. Wenn wir kein A0-BEV oder weitere Modelle unterhalb des Enyaq iV anbieten würden, würde ich zustimmen. Doch dem ist nicht so.

Autogazette: Ein kleineres E-Fahrzeug wird Skoda erst 2025 anbieten. Flott sieht anders aus.

Zellmer: (lacht) Die Herausforderungen bei einer solchen Transformation sind natürlich technischer Natur, aber nicht nur. Wir müssen immer auch die Kosten – hier insbesondere die steigenden Rohstoffpreise – im Blick behalten. Sie sind bei batterie-elektrischen Fahrzeugen der größte Kostentreiber. Wir erwarten eine verbesserte Wirtschaftlichkeit jenseits von 2025. Erst in dieser Zeit werden wir in der Lage sein, batterie-elektrische Fahrzeuge günstiger anzubieten.

Autogazette: Stellen mit Blick auf die Margen vor allem kleinere E-Fahrzeuge eine Herausforderung für Sie dar?

Zellmer: Absolut. Je kleiner die Fahrzeuge sind, desto geringer sind die Margen. Die Preisbereitschaft hängt von der Größe des Fahrzeugs ab. Deshalb müssen sie die Balance zwischen einem Vision 7S und einem Einsteiger-BEV halten. Am Ende muss die Wirtschaftlichkeit stimmen, da sie unsere Arbeitsplätze und damit die Zukunft unseres Unternehmens absichert.

«Befinden uns noch am Anfang des Prozesses»

Autogazette: Ein Fahrzeug wie der VW ID.2 sollte 20.000 Euro kosten, jetzt wird er sich wohl im Bereich um die 25.000 Euro bewegen. Für Geringverdiener ist so etwas nicht erreichbar.

Zellmer: Bei E-Fahrzeugen sind Technologien mit deutlich höheren Kosten verbaut als es bei Fahrzeugen der Fall war, die wir seit Jahrzehnten mit den einhergehenden Skaleneffekten produziert haben. Das ist eine Herausforderung für die Automobilindustrie, aber auch für die Verbraucher.

Autogazette: Wird Skoda ein Fahrzeug wie den VW ID.1 und die entsprechenden Derivate für die Marken entwickeln?

Zellmer: Wir sind derzeit im Konzern mit unterschiedlichen Szenarien unterwegs, was unterhalb des von uns angekündigten Small BEV im A0-Segment noch kommen könnte. Der Konzern hat Škoda beauftragt, einen Vorschlag zu machen. Hier befinden wir uns aber noch ganz am Anfang des Prozesses.

Jedoch sollten wir mit Blick auf die Mobilität der Zukunft nicht nur auf den Verkaufspreis abzielen. Denn wir werden auch in Zukunft bedarfsgerechte Mobilität anbieten. Sie wird stunden-, tage-, wochen- oder auch monatsweise kaufbar sein. Es wird eine Mobilität sein, wo wir Lösungen für zwei, vier, sechs und acht Personen anbieten. Wenn sie beispielsweise zum Skilaufen fahren, mieten sie sich einen Allradler. Diese neuen Mobilitätslösungen entstehen gerade.

Autogazette: Ab wann wird es solche Mobilitätslösungen geben?

Zellmer: Teils gibt es sie schon, ich denke, dass wir sie in der Breite ab 2025 sehen werden. Dann wird man bedarfsgerechte Mobilität nutzen und abrechnen können.

«Das Fahrzeug ist seinen Preis wert»

Klaus Zellmer erwartet in 2023 keinen Nachfrageeinbruch bei der E-Mobilität. Foto: Skoda/Ivo Hercik

Autogazette: Dacia-Deutschlandchef Thilo Schmidt sagte gerade, dass sich viele Hersteller mit ihrem Pricing von den Kunden entfernen. Ist dem so? Der Enyaq Coupé RS iV startet beispielsweise bei über 61.000 Euro.

Zellmer: Wenn man sich über den Preis eines Fahrzeuges unterhält, dann muss man auch die Substanz sehen. Sie sind die neuste Variante des Enyaq iV selbst gefahren und haben gesehen, in welcher Klasse dieses Fahrzeug unterwegs ist. Das Fahrzeug ist seinen Preis wert. Eines ist aber klar – und daran müssen wir uns gewöhnen: Die Fahrzeugpreise werden nicht mehr auf das Niveau zurückkommen, auf dem sie noch vor ein paar Jahren waren.

Autogazette: Wie problematisch ist die Reduktion der Kaufprämie unter dem Aspekt der Erreichbarkeit von E-Mobilität?

Zellmer: Wenn Sie sich die Zulassungszahlen bei den BEVs in Europa anschauen, dann sehen sie starke Abhängigkeiten von den Subventionen. Wenn wir die Transformation als Gesellschaft schaffen wollen, wie wir uns das vorstellen, dann gibt es dafür ein Preisschild.

Autogazette: Und dieses Schild weist zunehmend einen höheren Preis auf.

Zellmer: Ja, dieses Preisschild ist derzeit so, dass es die meisten Kunden nicht zu 100 Prozent übernehmen können. Deshalb gibt es Anreize wie die Kaufprämie, die in Deutschland sehr erfolgreich war. Jetzt muss man schauen, wie sich das Thema weiterentwickelt. Als Hersteller sagen wir nicht, dass der Staat Anreize setzen muss: Wir müssen die richtigen Antworten bei den Kosteneffizienzprogrammen und bei den Mobilitätslösungen finden und vielleicht auch bei den Batteriegrößen runter gehen. Sie sind aktuell der wesentliche Kostenfaktor. Allerdings muss auch ein gesetzliches Rahmenwerk berechenbar bleiben.

«Wir verfolgen verschiedene Szenarien»

Autogazette: Ist es vorstellbar, dass die E-Variante eines Fahrzeugs wie die des Skoda Citigo wieder auflebt, auch wenn sie damit kein Geld verdient haben?

Zellmer: (lacht) Dass wir mit dem Citigo e iV kein Geld verdient haben, sagen Sie. Es ist bekanntlich schwierig, eine Fahrzeugkategorie wie die des Citigo als BEV profitabel zu vermarkten. Das trifft insbesondere dann zu, wenn man solche Ansprüche an die Qualität, die Sicherheit und die Nachhaltigkeit stellt wie wir. Wird dieses Fahrzeug also wieder aufleben? Wir verfolgen verschiedene Szenarien, darunter ein Einstiegsmodell. Schauen wir mal, was dabei herauskommt.

Autogazette: Erwarten Sie aufgrund der reduzierten Kaufprämie einen Nachfrageeinbruch bei der E-Mobilität? Derzeit zehren Sie noch von einem Auftragsbestand von 175.000 Fahrzeugen beim Enyaq.

Zellmer: Ich erwarte keinen großen Einbruch, auch wenn die Nachfrage etwas sinken wird. Ich denke, dass wir mit Blick auf die Lieferengpässe ein weiteres anspruchsvolles Jahr vor uns haben. Doch wir haben in den letzten zwei, drei Jahren viele Krisensituationen gehabt – Covid, Halbleitermangel oder fehlende Kabelbäume als eine der Auswirkungen eines schrecklichen Krieges. Wir sind in der Lage, solche Herausforderungen erfolgreich zu managen.

«Haben auf Märkten der Südhalbkugel viel Potenzial»

Autogazette-Redakteur Frank Mertens (l.) im Gespräch mit Klaus Zellmer. Foto: Skoda/Hercik

Autogazette: Dann schlägt die Krise also erst 2024 durch, wenn die Auftragsbestände abgearbeitet sind?

Zellmer: Ich sehe das anders: Ich denke, dass wir im Jahr 2024 wieder durchstarten können. Hoffentlich mit einer Befriedung unserer Gesellschaft und Europas.

Autogazette: Das Auswärtige Amt als auch das Bundeswirtschaftsministerium treten für eine neue China-Politik ein. Sie soll die Abhängigkeit von China reduzieren. Was sagen Sie dazu?

Zellmer: Als Skoda stehen wir zusammen mit unserem Joint-Venture-Partner SAIC Volkswagen auf dem chinesischen Markt vor besonderen Herausforderungen. Das spiegelt sich auch in den aktuellen Absatzzahlen wider, die in der Vergangenheit schon deutlich höher lagen. Deshalb bewerten wir gerade die derzeitige Lage und entscheiden auf dieser Grundlage gemeinsam, wie der Weg in die Zukunft in China ausschaut.

Autogazette: Das ist ein bisschen vage…

Zellmer: (lacht) Wir gehen der Frage nach, welche Bedeutung China in Zukunft für Skoda hat. Derzeit wachsen wir in anderen Teilen der Erde enorm. Wir haben früh auf Indien gesetzt und unsere Strategie greift: Wir sind dort sehr erfolgreich. Im ersten Halbjahr 2022 haben wir in auf dem indischen Markt mehr Fahrzeuge verkauft als im gesamten Jahr 2021. Zu unserer zukünftigen Internationalisierungsstrategie gehört auch Vietnam. Dort leben 100 Millionen Menschen, der Motorisierungsgrad liegt bei 34 Fahrzeugen pro 1000 Einwohnern. Deshalb werden wir mit einem Joint-Venture-Partner zunächst Fahrzeuge importieren, zu einem späteren Zeitpunkt werden wir im Rahmen einer CKD-Fertigung vor Ort produzieren und die Fahrzeuge über ein Händlernetz verkaufen. Von Indien aus exportieren wir derzeit beispielsweise schon Fahrzeuge wie den Kushaq in den Mittleren Osten. Als Škoda haben wir auch auf den Märkten der Südhalbkugel viel Potenzial.

Autogazette: Welche Rolle spielt Afrika?

Zellmer: Nordafrika nimmt eine wichtige Rolle ein. Wenn Sie sich ASEAN, Indien und Nordafrika anschauen, dann sind das Potenzialmärkte, die für Škoda immer wichtiger werden.

Das Interview mit Klaus Zellmer führte Frank Mertens

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