«Für mich ist Klimaneutralität kein Buzzword»

Škoda-Beschaffungsvorstand Karsten Schnake

«Für mich ist Klimaneutralität kein Buzzword»
Karsten Schnake ist bei Skoda Vorstand für Beschaffung. © Mertens

Karsten Schnake ist bei der VW-Tochter Škoda Vorstand für Beschaffung. Damit sorgt der Manager beim tschechischen Autobauer mit dafür, den CO2-Fußabdruck des Unternehmens zu reduzieren.

Karsten Schnake lebt das Thema Nachhaltigkeit. Es ist eine seiner Leidenschaften, wie er immer wieder betont. Davon profitiert auch die VW-Tochter beispielsweise durch einen geringeren CO2-Fußabdruck.

«Als Autohersteller können wir einen großen Beitrag leisten, den Material- und Energieverbrauch nachhaltig zu reduzieren. Daraus erwächst für mich als Vorstand für Beschaffung eines weltweit tätigen Unternehmens eine große Verpflichtung», sagte Schnake in einem gemeinsamen Interview mit der Autogazette und dem Magazin electrified.

Nachhaltiges Denken als Innovationsfaktor

Schnake zeigt sich in dem Gespräch davon überzeugt, dass die Autos von Škoda von den Kundinnen und Kunden nur dann angenommen werden, wenn diese auch den gesellschaftlichen Anforderungen an Nachhaltigkeit entsprechen.

«Nachhaltiges Denken und Wirtschaften sind für mich außerdem wichtige Innovationsfaktoren der europäischen Gesellschaft und für unsere Industrie eine große Chance. » Damit könne man zugleich auch der «Nachwelt etwas Positives hinterlassen».

«Material- und Energieverbrauch nachhaltig reduzieren»

Autogazette: Herr Schnake, Sie betonen immer wieder, dass Sie das Thema Nachhaltigkeit leidenschaftlich verfolgen. Woher rührt diese Leidenschaft?

Karsten Schnake: Als Autohersteller können wir einen großen Beitrag leisten, den Material- und Energieverbrauch nachhaltig zu reduzieren. Daraus erwächst für mich als Vorstand für Beschaffung eines weltweit tätigen Unternehmens eine große Verpflichtung. Ich bin davon überzeugt, dass unsere Produkte nur dann angenommen werden, wenn sie den gesellschaftlichen Anforderungen an Nachhaltigkeit entsprechen. Nachhaltiges Denken und Wirtschaften sind für mich außerdem wichtige Innovationsfaktoren der europäischen Gesellschaft und für unsere Industrie eine große Chance. Dadurch können wir der Nachwelt etwas Positives hinterlassen.

Autogazette: Sie sprechen die Nachwelt und damit die jüngere Generation an. Seit Wochen blockieren Aktivisten der „Letzten Generation“ den Verkehr in Berlin. Reagieren Sie auf die Aktionen der Klimakleber auch mit Unverständnis?

Schnake: Natürlich verstehe ich den Unmut der Autofahrer wegen dieser Aktionen. Diesen Unmut muss man respektieren. Ich respektiere aber auch, dass sich Menschen Sorgen um die Zukunft machen und diese Sorgen auf diese Weise zum Ausdruck bringen. Das muss man nicht nur respektieren, sondern auch wertschätzen.

Autogazette: Der Verkehr gehört zu den Sektoren, der seit 1990 seine Emissionen bis heute nicht reduzieren konnte. Dennoch will die Regierung die Sektorenziele aufweichen. Befördert so etwas nicht die Proteste?

Schnake: Das kann man unterschiedlich sehen. Wenn sie ein Ziel zu weich setzen, erzielen sie keine Veränderung. Setzen sie es zu hart, überfordern sie den, der das Ziel erreichen soll. Beispiel Elektromobilität: Wenn Sie hier die Ziele zu hoch ansetzen, dann lässt sich das irgendwann nicht mehr finanzieren.

«Am Ende darf ich den Kunden nicht überfordern»

Skoda-Beschaffungsvorstand Karsten Schnake beim Greentech Festival in Berlin. Foto: Skoda/Thomas Starck

Autogazette: Nimmt die Politik die Zukunftssorgen der jungen Menschen denn ernst genug?

Schnake: Ich glaube, dass deutlich zu wenig gesellschaftlicher Dialog stattfindet. Es wird zwar besser, aber nach wie vor tun sich die verschiedenen Interessengruppen schwer, miteinander ins Gespräch zu kommen. Es geht darum, Ziele offen und fair miteinander abzustimmen.

Autogazette: Ist der Kunde eigentlich bereit, mehr Geld für Nachhaltigkeit auszugeben?

Schnake: Es geht immer um einen vertretbaren Rahmen. Wir stellen einen Wandel in der Gesellschaft fest: es gibt die klare Bereitschaft bei den Kunden, Nachhaltigkeit und damit Klimaschutz zu unterstützen. Doch die Frage ist, wie viel Belastung sie dem Einzelnen, einem Haushalt oder einer Familie zumuten. Am Ende darf ich den Kunden nicht überfordern, der mein Produkt kaufen soll.

Autogazette: Kann man sagen, was der Einsatz von Recyclingmaterialien Sie am Beispiel des Enyaq iV kostet? Oder führt es sogar zu Einsparungen?

Schnake: Bei kommenden Fahrzeugen wie dem Škoda Elroq oder der Serienversion unserer Siebensitzer-Studie erarbeiten wir derzeit mit unseren Lieferanten für jedes Bauteil wie beispielsweise Sitze, Scheinwerfer oder die Schalttafel den maximal möglichen Nachhaltigkeits-Impact. Gleichzeitig ermitteln wir damit, wie hoch Preis und CO2-Fußabdruck sind. Wir tun dies, um den maximal möglichen Nachhaltigkeitseffekt zu erzielen. Mit dieser Entscheidung gehen wir zugleich an die technische Leistungsgrenze unserer Partner…

Autogazette: …wieso Leistungsgrenze?

Schnake: …weil wir dadurch einen Eindruck bekommen, wozu sie bereits in der Lage sind. Die ersten Rückmeldungen sind sehr positiv und durch die entsprechende Kreislaufwirtschaft ergeben sich weitere positive Effekte. Wir etablieren gerade neue Einkaufsfunktionen für recycelte Materialien, dazu gehört auch die Gewinnung von gesammeltem Plastik in Weltmeeren. Ich sehe hier durchaus eine Chance für uns.

«Machen nur Zusagen, die wir einhalten können»

Für die Klimaschutzziele braucht es eine CO2-Reduzierung. Foto: dpa
Für die Erreichung der Klimaschutzziele braucht es eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen. Foto: dpa

Autogazette: Das Thema Klimaneutralität ist zu einem Buzzword in der Industrie geworden. Woher kommt es, dass die Autoindustrie auf einmal ein grünes Gewissen hat?

Schnake: Für mich ist Klimaneutralität kein Buzzword. Ich empfinde es als Antriebselement für die Industrie – ein Treiber für Technologie und Fortschritt. Für uns ergibt sich daraus eine riesige Chance, unsere Industrie noch nachhaltiger aufzustellen. Und das gehen wir bei Škoda auch konsequent an.

Autogazette: Richtig ambitioniert sind Sie bei der Klimaneutralität aber nicht. Wie der gesamte VW-Konzern will Škoda erst 2050 zur Klimaneutralität kommen.

Schnake: Wir machen nur Zusagen, die wir einhalten können. Selbstverständlich schauen wir auch auf die Aussagen unserer Wettbewerber und anderer Industriezweige. Klar ist, dass wir uns alle in einem extremen Lernprozess befinden. Wir haben bei Škoda allerdings auch schon einiges auf den Weg gebracht.

Autogazette: Wie sehen Škodas Zwischenschritte auf dem Weg zur Klimaneutralität aus? Was wollen Sie bis 2030 erreicht haben?

Schnake: Bis 2030 wollen wir europaweit über 70 Prozent E-Autos absetzen. Aber auch unsere Produktion selbst stellen wir konsequent nachhaltiger auf. Wir planen bis 2030 in unseren tschechischen und indischen Werken CO2-neutral zu produzieren. Auch die Flottenemissionen sollen um mehr als 50 Prozent im Vergleich zu 2020 sinken.

«Es ist ein gesellschaftlicher Impuls»

Autogazette: Ist die Transformation der Autoindustrie intrinsisch getrieben oder liegt es eher an den CO2-Vorgaben der EU und dem beschlossenem Verbrenner-Aus 2035?

Schnake: Es ist ein gesellschaftlicher Impuls. Dieser Transformationswille ist nicht nur bei den Herstellern gegeben, sondern auch bei Tausenden von Zulieferern. Wenn sie die besuchen und sich mit einem 25- oder 30-Jährigen unterhalten, dann schöpft er aus diesen Veränderungen Sinnhaftigkeit für sein Arbeitsleben. Ich sehe Menschen, die diesbezüglich mit großer Motivation auch an vielen Kleinigkeiten arbeiten.

Autogazette: Wo liegt für Sie für die Erreichung der Reduktionsziele die größte Herausforderung, ist es die Lieferkette?

Schnake: Die Lieferketten machen ungefähr 12 Prozent der Gesamtbilanz aus. Damit sind sie zugleich unsere größte Herausforderung. Die Lieferketten sind zudem nicht homogen, da sie völlig unterschiedliche Strukturen haben. Wir haben Zulieferer mit unterschiedlichen Unternehmensgrößen, wir haben unterschiedliche Produkte etc. Das zu managen ist für jemanden, der wie ich in der Beschaffung arbeitet, extrem spannend und macht Spaß.

Autogazette: Welche Nachhaltigkeitsvorgaben machen Sie ihren Zulieferern, beispielsweise die ausschließliche Verwendung von Grünstrom?

Schnake: Das machen wir nicht erst ab 2025, sondern bereits seit Jahren, weil wir beispielsweise einen sehr hohen Energieimpact in der Zellherstellung haben. So ist es grundlegend, dass unsere Zulieferer über Grünstrom und einen Bahnanschluss verfügen, denn die Transportkette ist ein wichtiger Punkt für nachhaltige Gestaltung unserer Produkte.

«Wollen unseren fossilen Fußabdruck weiter senken»

Der Skoda Enyaq RS iV hat eine Leistung von 299 PS. Foto: Skoda

Autogazette: Ist der Enyaq iV schon zu 100 Prozent mit Grünstrom produziert worden?

Schnake: Der Enyaq iV noch nicht, aber wir planen, bis Ende dieses Jahrzehnts alle unsere Produkte mit 100 Prozent Grünstrom zu fertigen. Zurzeit implementieren wir Maßnahmen, um dieses Ziel zu erreichen. Weitere Maßnahmen starten wir bei unseren Lieferanten, die auch mit ihren CO2-Emissionen zu unserem CO2-Fußabdruck beitragen.

Autogazette: Bis spätestens 2025 werden alle Zulieferer mit Grünstrom produzieren?

Schnake: Das ist das Ziel.

Autogazette: Wie sieht die Grünstrom-Versorgung derzeit in Ihren Werken aus?

Schnake: Sämtliche tschechische Werke beziehen ihren Strom aus erneuerbaren Energiequellen. So ist unser Werk in Vrchlabi bereits seit 2020 bilanziell-CO2-neutral. Neben der Verwendung von Grünstrom, achten wir u.a. auf die konsequente Reduzierung von Energie- und Wasserverbrauch sowie Abfall und flüchtige organische Stoffe, um unseren Einfluss auf die Umwelt zu verringern.

Autogazette: Setzen sie in Mladá Boleslav bei der Energieversorgung vor allem Solaranlagen?

Schnake: Es ist ein Mix aus solarer Energie, Wind und Recycling-Pellets. Škoda hat sich bereits vor Jahren auch an dem Energieversorger Ško-Energo beteiligt. Damit wollen wir unseren fossilen Ressourcenverbrauch weiter senken.

«Prüfen Umstieg auf grünen Stahl»

Skoda-Vorstand Karsten Schnake (l.) im Gespräch mit Autogazette-Redakteur Frank Mertens. Foto: Skoda/Thomas Starck

Autogazette: Alu und Stahl sind die größten Emittenten in der Autoproduktion. Ab wann werden Sie auf Grünen Stahl und grünes Aluminium umstellen?

Schnake: Wir sind bereits im Austausch mit unseren Lieferanten zu den Möglichkeiten, und prüfen einen Umstieg auf grünen Stahl und grünes Aluminium in den nächsten zwei bis drei Jahren.

Autogazette: Mercedes hat gerade angekündigt, noch in dieser Dekade 200.000 Tonnen grünen Stahl von Partnern aus Europa zu beziehen. Warum dauert das alles so lange, hat die Stahlindustrie zu spät auf Grün-Stahl gesetzt?

Schnake: Diesen Engpass bei Versorgungsthemen finden Sie auch bei Granulat oder anderen nachhaltigen Werkstoffen. Wir stellen aber fest, dass sich aufgrund der steigenden Nachfrage der Wandel in diesen Industrien beschleunigt. Wir haben momentan enorm viele Angebote von Stahlproduzenten, die mit uns grünen Stahl in Serie bringen wollen. Wir erleben gerade mit Blick auf das nachhaltige Wirtschaften eine Dynamisierung in allen Industriezweigen.

Autogazette: Hat der Green Deal der EU hier für eine Beschleunigung gesorgt?

Schnake: Auf jeden Fall. Wir bekommen für neue, nachhaltigere Investitionen mittlerweile viel schneller eine Finanzierung.

Autogazette: Der Green Deal ist also ein Innovationstreiber?

Schnake: Absolut. Ich freue mich riesig, dass das funktioniert.

«Wir setzen stattdessen auf Module»

Autogazette: Wieviel Tonnen grünen Stahl haben Sie denn schon geordert?

Schnake: ArcelorMittal beliefert uns mit XCarb-zertifiziertem Stahl. Dadurch haben wir 2022 mehr als 5.000 Tonnen grünen Stahl eingesetzt und damit mehr als 11.000 Tonnen CO2 eingespart.

Autogazette: In ein paar Jahren wird das Batterierecycling der E-Autos eine Rolle spielen. Wie gehen Sie hier mit der Aufbereitung bzw. dem Second Life der Batterien um?

Schnake: Es gibt Hersteller, die verbauen eine festverklebte Batterie im Auto. Doch falls irgendwann ein Zellmodul ausfallen sollte, muss die gesamte Batterie entfernt werden. Das ist dann schwer recycelbar. Wir setzen stattdessen auf Module. Das ist kundenorientiert und nachhaltiger. Ein Modul kann in diesem Fall ausgetauscht werden, wenn es defekt ist.

Außerdem gehen Batterien aus den Škoda iV-Fahrzeugen nach ihrer Verwendung im Auto in einen zweiten Lebenszyklus. In stationären Energiespeichern versorgen sie Škoda-Händler mit nachhaltig produziertem Strom. Das Thema Refurbishment wird in den kommenden Jahren zudem eine immer wichtigere Rolle einnehmen. Die Technologie muss so gestaltet sein, dass sie leicht zu reparieren ist. Hier ist insbesondere der Volkswagen Konzern in verschiedenen Projekten aktiv.

Autogazette: Welche Rolle spielt die Sicherheit mit Blick auf recycelte Materialien?

Schnake: Die Sicherheit spielt eine wichtige Rolle. Deshalb fragen wir unsere Zulieferer auch an, was technisch machbar ist. Ab wann verändert sich das Verhalten meiner Stoßfänger, was bedeutet es für den Fußgängerschutz?

«Müssen Thema der Kreislaufwirtschaft heute durchdringen»

Ein Roboter verschraubt bei Skoda in der Montage die Batterie-Module. Foto: Skoda

Autogazette: Und welche Rolle nimmt die Kreislaufwirtschaft für die Erreichung der CO2-Minderunsgsziele ein?

Schnake: Auch hier: Eine sehr wichtige. Es freut mich beispielsweise, dass wir jetzt Strände von Plastik aus den Weltmeeren säubern, um diese Materialien für die Autoproduktion zu verwenden. Wir müssen das Thema der Kreislaufwirtschaft heute durchdringen, damit wir nicht in 15 Jahren anfangen, Mülldeponien umzugraben, um dort nach wiederverwendbaren Materialien zu suchen.

Autogazette: Wie halten Sie es eigentlich privat mit dem Thema Nachhaltigkeit?

Schnake: Ich kaufe schon lange keine Wegwerf-Artikel mehr, kaufe meist auf dem Markt und nicht im Supermarkt. Dabei setze ich vor allem auf regionale Produkte. Dort, wo ich kann, leiste ich auch privat einen Beitrag.

Das Interview mit Karsten Schnake führte Frank Mertens

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