«Es gibt nicht das eine Auto der Zukunft»

Magna-Manager Jörg Grotendorst

«Es gibt nicht das eine Auto der Zukunft»
Jörg Grotendorst auf der IAA Mobility mit Uwe Geissinger (r.), Europa-Präsident von Magna. © Magna

Jörg Grotendorst verantwortet beim Zulieferer Magna als Senior Vice President das „Car of the Future“. Dabei kommt dem Umweltweltaspekt eine entscheidende Rolle zu.

„Mit Blick auf den Klimawandel war klar, dass das Auto der Zukunft nicht auf fossilen Energieträgern basieren kann. Es muss mit sauberer Energie betrieben werden“, sagt Jörg Grotendorst. Und, wie wird der Antrieb ausschauen? Wird er elektrisch sein oder über eine Brennstoffzelle verfügen?

Grotendorst muss nicht lange überlegen. „Das Auto der Zukunft wird elektrisch unterwegs sein.“ Die Brennstoffzelle spiele dabei im Pkw-Bereich aber keine Rolle, fügt der Manager hinzu. Wie viele seiner Kollegen in der Autobranche spricht sich aber auch Grotendorst für Technologieoffenheit aus. Natürlich spiele die Brennstoffzelle mit grünem Wasserstoff eine wichtige Rolle, aber eben nicht bei den Pkws. „Da gibt es bessere Anwendungsbeispiele wie beispielsweise Schiffe oder Flugzeuge.“ Auch bei Langstrecken-Lkws spielt die Brennstoffzelle perspektivisch eine Rolle.

Unterschiedliche Länderanforderungen berücksichtigen

Technologieoffenheit sei auch deshalb wichtig, weil man nicht für alle Länder weltweit den gleichen Antrieb ohne Probleme anbieten könne. So verweist Grotendorst unter anderem auf die Ladeinfrastruktur für Elektroautos, die längst noch nicht überall gleich gut ausgebaut ist. Allein in Europa gibt es gewaltige Unterschiede; als Beispiel nennt Grotendorst Italien, „wo sie an öffentlichen Ladepunkten nicht dreiphasig laden können“. Mit Blick auf das, was man als Zulieferer anbietet, muss man immer die Gegebenheiten auf den Weltmärkten im Blick haben, so der Magna-Manager. „Nicht in jeder Ecke der Welt macht E-Mobilität Sinn.“

Für Jörg Grotendorst spielen E-Fuels im Pkw keine Rolle. Foto. dpa

Spielen dann also auch synthetische Kraftstoffe, so genannte E-Fuels, in seinen Ausgangsüberlegungen für das „Auto der Zukunft“ eine Rolle? „Nein“, sagt Grotendorst ohne lange nachdenken zu müssen. Allerdings verteufelt er sie wegen ihrer schlechten Energiebilanz auch nicht. Stand heute machen E-Fuels in Europa keinen Sinn, aber es gibt Regionen in der Welt, „die nicht wissen, was sie mit ihrer Sonnenenergie anfangen sollen“. Von daher erachtet er es als durchaus sinnvoll, dieses Potenzial in Regionen mit viel Sonne zu nutzen und dort Projektanlagen für E-Fuels zu bauen. „Wir sollten die Möglichkeiten von E-Fuels diskutieren, das Thema nicht von vornherein abschreiben.“

Technologievorgaben nicht wünschenswert

Von Technologievorgaben seitens der Regierung hält er nichts, wenngleich Grotendorst einräumt, dass es Innovationen ohne Regularien bzw. Vorschriften seitens der Politik nicht gegeben hätte Er verweist beispielsweise auf den Airbag oder den Katalysator. Auch die scharfen CO2-Vorgaben der EU hätten die Transformation der Branche Richtung E-Mobilität befördert.

Und, wie genau wird das „Auto der Zukunft“ ausschauen?  „Es wird elektrisch, es wird vernetzt sein und es wird automatisiert fahren.“ Doch eines ist auch klar, ergänzt Grotendorst: „Es gibt nicht das eine Auto der Zukunft.“ Seine Arbeit und die seiner Kollegen konzentriert sich deshalb nicht nur auf den elektrischen und autonom fahrenden Pkw. Magna will mit seiner Arbeit die gesamte Bandbreite der Mobilität abdecken. So kann das Auto der Zukunft beispielsweise ein „autonomes Shuttle sein, ein emissionsfreier Lkw, ein Kleinstwagen für den Stadtverkehr, ein elektrischen Superauto oder ein städtisches Lufttaxi – oder von jedem etwas.“

Grotendorst und sein Team denken groß, denn als Zulieferer muss man seiner Kundschaft ein breites Spektrum an Lösungen anbieten, insbesondere dann, wenn man wie Magna eine wichtige Rolle als Anbieter für Mobilitätslösungen für die Zukunft spielen will. Auch wenn die Anwendungsfälle derart unterschiedlich sind, bleibt diesen Mobilitätslösungen eines gemein: das „Auto der Zukunft“ wird immer elektrisch sein und von der Software definiert und bestimmt sein. Zugleich wird es über verschiedene Autonomiestufen verfügen. Mit dem Know how von Magna, so ist Grotendorst sicher, könne man dazu beitragen, die Mobilität der Zukunft mitzugestalten.

Noch ein weiter Weg bis Autonomie-Level 5

Danke des Drive Pilot kann sich der Fahrer eiines Mercedes bereits vom Verkehr abwenden. Foto: Mercedes

Doch was meint Autonomie genau? Ab wann fahren wir autonom auf Level 5? Derzeit fahren die meisten Autos auf deutschen Straßen mit Level 2, Hersteller wie Mercedes bieten für den EQS oder die S-Klasse mit Einschränkungen bereits Level 3 an. „Ich gehe davon aus, dass in dieser Dekade der überwiegende Teil der Fahrzeuge auf Level 2+ unterwegs sein wird“, ist Grotendorst überzeugt. Bis Level 5 sei es aber noch ein weiter Weg, so der Magna-Manager.

Damit meint er nicht nur den Preis und die technische Entwicklung, sondern vor allem auch die regulatorischen Rahmenbedingungen für das autonome Fahren, „hier spielt auch die Haftungsfrage eine wichtige Rolle“. Bei Mercedes beispielsweise müssen Kundinnen und Kunden, die auf Level 3 fahren wollen, einen Mehrpreis von über 7000 Euro für diese Innovation zahlen. Doch eines ist auch klar – die Technik wird zunehmend günstiger.

Nachhaltigkeit im Lastenheft festgeschrieben

Magna-Manager Jörg Grotendorst veranwtortet beim Zuliefer das Auto der Zukunft. Foto: Magna

Bei allen Ausgangsüberlegungen für das „Auto der Zukunft“ komme dem Klimaaspekt eine entscheidende Rolle zu, merkt Grotendorst an. Magna will „Öko-Innovationen“ schaffen, die zu besonderen Fahrerlebnissen beitragen und damit auch die Umwelt schützen. Ein Beispiel dafür ist die Energy & Motion Control Technology des Zulieferers. Diese Softwareplattform kombiniert Antriebsstrang, Elektronik und andere Fahrzeugfunktionen. Sie stellt dabei nicht nur vorausschauende Funktionen wie für die Fahrzeugtraktion auf verschiedenen Fahrbahnoberflächen zur Verfügung, sondern steuert auch den Energiefluss und optimiert damit bei E-Autos die Reichweite.

Dass die Reduktion des CO2-Fußabdrucks mit Blick auf das Erreichen der Klimaneutralität nicht einfach ist, räumt Grotendorst ein, denn auch Magna sei von den Lieferketten abhängig. „Deshalb schreiben wir die Nachhaltigkeitsanforderungen in unserem Lastenheft fest, daran haben sich alle unsere eigenen Zulieferer zu halten.“

Technologien müssen jetzt verfügbar sein

Bei den Ausgangsüberlegungen für das „Auto der Zukunft“ sei es zudem wichtig, dass die verwendeten Technologien am Markt verfügbar sind und auch für die Kunden bezahlbar sind. Im Fokus dabei steht natürlich auch, dass viele recycelte und ressourcenschonende Materialien zum Einsatz kommen. So verweist Grotendorst beispielsweise darauf, dass man auch recylingfähigen Sitzschaum verwendet und in Zukunft der Anteil von recyceltem Aluminium und grünem Stahl im Fahrzeug steigen muss. Bei allen Überlegungen spiele die Kreislaufwirtschaft eine wichtige Rolle.

Polestar will ein klimaneutrales Auto bauen. Foto: Polestar

Wie Magnas Visionen für das „Auto der Zukunft“ genau ausschaut, will der Zulieferer im kommenden Jahr präsentieren. „Dann werden wir erste Konzepte vorstellen.“ Doch es ist nur ein erster Aufschlag von Grotendorst und seinem Team. „Danach werden wir fortlaufend solche Konzepte präsentieren. Schließlich entwickelt sich die Technologie ständig fort.“ Es bleibt also spannend – auch deshalb, weil beispielsweise der Elektroautobauer Polestar an einem CO2-freien Auto arbeitet. Um diese Vision umzusetzen, hat sich die Geely-Tochter mit einer Vielzahl von Technologiefirmen zusammen getan. Darunter sind auch eine Vielzahl kleiner und großer Zulieferer wie beispielsweise ZF. Den Friedrichshafener Technologiekonzern kennt Grotendorst übrigens nicht nur als Wettbewerber. Der Manager war dort selbst jahrelang in einer Führungsposition tätig.

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