Audi setzt bei den alternativen Antrieben seine Priorität auf den Plug-in-Hybrid. Im Interview mit der Autogazette spricht Entwicklungsvorstand Wolfgang Dürheimer über Elektromobilität, Grenzen der Physik und CO2-Grenzwerte.
Der Autobauer Audi wird zukünftig mit Blick auf alternative Antriebe seine Prioritäten statt auf den rein batterieelektrischen Antrieb auf den Plug-in-Hybrid setzen. «Es gibt heute noch keine Batterietechnologie, die von der Energiedichte und vom Gewicht her eine Reichweite ermöglicht, die uneingeschränkte Alltagstauglichkeit bietet. Insofern setzt Audi auf die Hybridisierung», sagte Audi-Entwicklungsvorstand Wolfgang Dürheimer im Interview mit der Autogazette.
Audi A3 e-tron bietet volle «Alltagstauglichkeit»
Wie Dürheimer sagte, sei man sicher, mit dem Audi A3 e-tron mit Plug-in-Hybrid eine Technologie anzubieten, «die unseren Kunden einen höheren Mehrwert und volle Alltagstauglichkeit bietet. Sie erschließt die Vorteile von Elektromobilität und verbrennungsmotorischem Antrieb, ohne jedoch die jeweiligen Nachteile zu übernehmen». Dürheimer zeigte sich jedoch überzeugt davon, dass sich die Elektromobilität durchsetzen werde, «doch noch können wir keine Zeitspanne nennen, wann es soweit sein wird».
«An Mut hat es Audi nicht gefehlt»
Autogazette: Herr Dürheimer, sind Sie derzeit eigentlich sehr neidisch auf Ihre Kollegen von Daimler?
Wolfgang Dürheimer: Weswegen sollte ich das sein?
Autogazette: Weil Mercedes im Gegensatz zu Ihnen den Mut hat, einen elektrisch angetriebenen Supersportwagen wie den SLS AMG Electric Drive auf den Markt zu bringen.
Dürheimer: An Mut hat es bei Audi in der Vergangenheit nicht gefehlt, schauen Sie sich nur die aktuelle Produktpalette an. Wie Sie wissen, haben wir mit dem Audi R8 e-tron einen vollelektrischen Hochleistungssportwagen bis zur Serienreife entwickelt. Bei uns stehen zehn Fahrzeuge zum Test bereit, aber wir haben uns aus wirtschaftlichen Gründen aktuell gegen eine Serienfertigung entschieden.
Autogazette: Das Projekt Audi R8 e-tron soll bei Ihnen aber weiter auf dem Prüfstand stehen. Wird es ein derartiges Fahrzeug von Ihnen noch geben?
Dürheimer: Mit dem Bau der zehn Autos, die nun ein erweitertes Erprobungsprogramm durchlaufen, ist die Entwicklung weitestgehend abgeschlossen. Entsprechend hätten auch wir in die Serienfertigung gehen können, wenn wir es gewollt hätten. Viele der im R8 e-tron verwendeten Technologien werden Sie demnächst in zukünftigen Fahrzeugen von Audi sehen.
«Unser Weg in die E-Mobilität ist ein anderer»
Autogazette: Wäre ein Fahrzeug wie der Audi R8 e-tron für eine Marke mit dem Markenclaim «Vorsprung durch Technik» nicht ein Muss gewesen?
Dürheimer: Als Entwicklungs-Vorstand bin ich nicht nur der Technologie verpflichtet, sondern auch dem wirtschaftlichen Erfolg des Audi-Konzerns. Mit Blick auf den R8 e-tron ist die Ansage klar: Für Hochleistungssportwagen mit rein elektrischem Antrieb ist die Zeit noch nicht reif...
Autogazette: ...was Ihre Kollegen in Stuttgart offenkundig anders sehen...
Dürheimer: ...wir wünschen dem Projekt von Dr. Weber sehr viel Glück und verfolgen es mit Interesse. Unser Weg in die E-Mobilität ist jedoch ein anderer. Wir sind sicher, dass wir mit dem Audi A3 e-tron mit Plug-in-Hybrid auf eine Technologie setzen, die unseren Kunden einen höheren Mehrwert und volle Alltagstauglichkeit bietet. Sie erschließt die Vorteile von Elektromobilität und verbrennungsmotorischem Antrieb, ohne jedoch die jeweiligen Nachteile zu übernehmen. Mit dem Audi A3 e-tron kommt Elektromobilität im Leben der Audi-Fahrer tatsächlich an.
Autogazette: Wann kommt der A3 e-tron genau auf den Markt?
Dürheimer: Sie werden die ersten Autos Ende 2013 auf den Straßen der Welt sehen, bevor wir mit der Serienfertigung zu Beginn des Jahres 2014 starten.
Autogazette: Ihr Kollege Thomas Weber von Daimler ließ bei Fahrtests mit dem SLS AMG Electric Drive wissen, dass Daimler dort weitermache, wo andere aufhören und das so für ihn Vorsprung für Technik aussehe. Ärgert Sie das?
Dürheimer: Der R8 e-tron hält mit 8:09 Minuten auf der Nordschleife den Rundenrekord für elektrisch angetriebene Fahrzeuge. Das Auto ist serienreif und bietet eine unglaubliche Performance. Aber so ein Projekt muss sich rechnen. Als Technologieträger hat uns der R8 e-tron gewaltig geholfen und tut es noch jetzt bei der Entwicklung der E-Mobilität von Audi.
«BMW haben wir fest im Visier»
Autogazette: Genießen für Sie reine Batteriefahrzeuge keine Priorität?
Dürheimer: Mir wird fälschlicherweise häufig zugeschrieben, dass ich kein Freund der Elektromobilität sei. Als Porsche-Entwicklungsvorstand war ich die treibende Kraft hinter der Entwicklung des ersten 911ers mit Hybridantrieb für den Rennsport. Mir war klar, dass diese Technologie Zukunft hat. Wenn es mit Hybridsystemen im Rennsport gelingt, die Rundenzeit zu verbessern und gleichzeitig die Reichweite zu verlängern – also effizienter zu fahren – dann steht dem Durchbruch in Serie nichts im Weg. Mit dem Audi A3 e-tron gehen wir den nächsten konsequenten Schritt in Richtung Plug-in Hybridtechnologie.
Autogazette: BMW wird den i3 Ende des Jahres auf den Markt bringen, Daimler ist bereits mit dem Elektro-Smart auf dem Markt. Sie haben hier nichts anzubieten. Läuft Audi Gefahr, nur zweiter Sieger zu werden?
Dürheimer: Audi ist bereits an Mercedes vorbeigefahren und BMW haben wir fest im Visier. Und wir haben noch einige Pfeile im Köcher, die ins Schwarze treffen werden. Doch auch für unsere Wettbewerber gelten die Grenzen der Physik: es gibt heute noch keine Batterietechnologie, die von der Energiedichte und vom Gewicht her eine Reichweite ermöglicht, die uneingeschränkte Alltagstauglichkeit bietet. Insofern setzt Audi auf die Hybridisierung.
«Elektromobilität wird sich durchsetzen»
Autogazette: Perspektivisch heißt das, dass Sie die Prioritäten auf den Plug-in-Hybrid setzen?
Dürheimer: Genauso ist es. Die Elektromobilität wird sich durchsetzen, davon bin ich überzeugt, denn die Forschung an der Batterietechnologie wird mit Nachdruck fortgeführt. Wenn sich genügend Ingenieure lange genug mit einer Technologie beschäftigen, werden sie Lösungen für die Hauptprobleme Reichweite, Gewicht und Kosten finden. Doch noch können wir keine Zeitspanne nennen, wann es soweit sein wird.
Autogazette: Der Hype um die Elektromobilität ist seit Monaten vorbei, dennoch hält die Bundesregierung an der Zielsetzung von einer Million E-Autos für 2020 fest. Müssen Sie über ein derartiges Ziel lachen?
Dürheimer: Nein. Wir sind Teil dieser Initiative der Bundesregierung. Mit Blick auf die Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie und des Hi-Tech-Wirtschaftsstandortes Deutschland wurde bei der Elektromobilität bereits viel erreicht. Insofern unterstützen wir seitens Audi diese Initiative uneingeschränkt. Doch Fortschritt lässt sich nicht erzwingen.
Autogazette: Beschönigen Sie die Situation nicht? Selbst die Nationale Plattform Elektromobilität geht nur noch von 600.000 Fahrzeugen aus, wobei selbst das von einigen Experten als zu hoch eingeschätzt wird.
Dürheimer: Wir bei Audi leisten unseren Beitrag, dieses Ziel zu erreichen. Wir sind in der Entwicklung nicht vom Gas gegangen. Die derzeit im Markt befindlichen Elektrofahrzeuge haben aber tatsächlich noch nicht so eingeschlagen, wie viele das erwartet haben. Das liegt auch daran, dass viele Haushalte nur ein Auto haben und es für mehr als nur den innerstädtischen Verkehr nutzen. Und da kommt das reine E-Auto schnell an seine Grenzen.
Autogazette: Warum spielt das Thema Carsharing für Audi eigentlich keine Rolle? Daimler ist hier mit car2go am Start und BMW mit DriveNow erfolgreich.
Dürheimer: Carsharing-Projekte genießen im Premium-Segment nicht die höchste Priorität.
Autogazette: Gehört Carsharing für Sie nicht zur nachhaltigen Mobilität?
Dürheimer: Doch, aber es müssen Konzepte sein, die von den Kunden angenommen werden. Selbst ein Mietwagen wird nicht an die Qualitäten eines eigenen Autos insbesondere mit Blick auf Komfort oder Wohlfühlqualität heranreichen.
«Gebe mich nie mit dem Erreichten zufrieden»
Autogazette: Die EU fordert von den Herstellern bis zum Jahr 2020 einen CO2-Grenzwert von 95 g/km. Werden Sie dieses Ziel erreichen?
Dürheimer: Ja.
Autogazette: Auch ohne reine Elektroautos?
Dürheimer: Wir werden unsere Ziele erreichen. Dazu betreiben wir ein sehr konsequentes Monitoring bezüglich der erreichten CO2-Einsparungen.
Autogazette: Derzeit kommt Audi in Deutschland mit seiner Flotte auf einen CO2-Wert von 143,8 g/km. Sie liegen damit im Plan?
Dürheimer: Ja, das wurde uns auch von einem wissenschaftlichen Institut bestätigt. Nach Berechnungen des Centers of Automotive Management ist Audi bereits heute der Premiumhersteller mit der besten CO2-Bilanz auf dem deutschen Markt. Mit dem Audi A3 e-tron und dem Audi A3 g-tron haben wir Modelle im Angebot, die uns in diesem Punkt noch einmal ein großes Stück voranbringen.
Autogazette: Sie sagten bereits, dass auch ein Dreizylindermotor für Sie kein Tabu darstellt. Gibt es da schon eine Entscheidung?
Dürheimer: Fakt ist, dass es bei uns bereits Prototypen gibt, die mit einem Dreizylinder ausgestattet sind.
Autogazette: Welche Rolle kommt neben Leichtbaumaßnahmen und innermotorischen Maßnahmen für Sie der Aerodynamik zu, hat man dieses Thema bei Ihnen etwas vernachlässigt?
Dürheimer: Das Thema Luftwiderstandsbeiwert und Querschnittsfläche leistet ebenso wie geringere Rollwiderstände und niedrige innere Reibung einen wesentlichen Beitrag zur Energieeffizienz. An all diesen Dingen arbeiten wir mit Hochdruck.
Autogazette: Der Mercedes CLA kommt auf einen cW-Wert von 0,22. Sind Sie mit den Werten zufrieden, die die Audi-Modelle aufweisen?
Dürheimer: Ich gebe mich grundsätzlich nie mit dem Erreichten zufrieden und suche ständig nach noch besseren Lösungen. Das gilt auch für das Thema Luftwiderstand. Unsere Windkanäle sind im Dauereinsatz. In meiner Vision arbeiten Designer zukünftig direkt neben und mit ihren Kollegen aus dem Windkanal.
Das Interview mit Wolfgang Dürheimer führte Frank Mertens