VW-Aktionäre fordern rasch kleinere E-Autos

VW-Aktionäre fordern rasch kleinere E-Autos
Greenpeace-Aktivisten demonstrieren vpr Beginn der VW-Hauptversammlung vor dem Berliner CityCube. © dpa

Die Autobranche leidet unter der Chipkrise, Teilemangel und hohen Rohstoffpreisen. Das stellt auch VW vor Probleme.

Autos könnten noch teurer werden, die Versorgung mit knappen Teilen dürfte sich aber selbst bei einem längeren Krieg in der Ukraine etwas entspannen. Diese Erwartungen der VW-Spitze an den Jahresverlauf wurden auf der Hauptversammlung am Donnerstag klar.

Insgesamt bleibt die Lage für das größte deutsche Unternehmen jedoch riskant, wie Vorstände und Aufseher bei dem aus Berlin übertragenen Online-Aktionärstreffen betonten. Neben kritischen Fragen etwa zur Klimastrategie und Kontrolle interner Regeln, zum Rohstoffeinkauf und zur Beachtung von Menschenrechten ging es auch um den Blick voraus.

Kosten steigen weiter

Die mit dem Ukraine-Konflikt verbundene Gefahr von noch teurerer Energie, größeren Zerstörungen und gekappten Lieferketten drohen die Kosten ebenso für Endkunden zu erhöhen. Vertriebsvorständin Hildegard Wortmann sagte dazu: «Wir haben Preismaßnahmen in unterschiedlichen Märkten gestartet.» Auf die Frage, ob die Volkswagen-Gruppe ihre gestiegenen Beschaffungskosten ab einem gewissen Niveau womöglich nicht mehr weitergeben könnte, meinte sie: «Es ist derzeit nicht auszuschließen, dass weitere Preisschritte nötig werden.»

In Deutschland seien die Lieferzeiten zudem gerade oft sehr lang. Ähnlich äußerte sich Finanzchef Arno Antlitz. Er wies darauf hin, dass es nötig sei, «eine wettbewerbsfähige Rendite zu bekommen».

Weniger Neufahrzeuge

Wegen der Probleme in der Chipversorgung verknappte sich die Menge der auslieferbaren Neufahrzeuge schon vor Kriegsbeginn Ende Februar. Viele Verbraucher wichen auf Gebrauchtwagen aus – was auf diesem Markt ebenfalls Preisschübe auslöste. Das Oberklasse-Geschäft läuft unterdessen auch im VW-Konzern gut, Halbleiterreserven leitete die Führung 2021 über weite Strecken überdies häufig in E-Autos um.

Im Fall ukrainischer Zulieferer geht es in erster Linie um fehlende Kabelbäume. «Wir gehen davon aus, dass sich die Versorgungssituation auch bei einem länger anhaltenden Krieg normalisieren wird», sagte Konzernchef Herbert Diess. Doch die bisher gegen Russland verhängten wirtschaftlichen Strafmaßnahmen zeigten noch nicht die geplante Wirkung: «Die Hoffnung, den Krieg mit harten Sanktionen schnell zu beenden, hat sich nicht erfüllt.» Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch sieht eine Zeitenwende nach einer langen Zeit der Annäherung.

Diess warnt vor Abschottung

Diess warnte unabhängig davon vor einer dauerhaften Abschottung der Russischen Föderation oder anderer Länder: «Der frühzeitige Abgesang auf das Modell „Wandel durch Handel“ greift zu kurz. Blockbildung kann nicht unsere Antwort sein.» Zu den Kabelbäumen, derentwegen mehrere VW-Werke nach Corona gleich in den nächsten Leerlauf fielen, meinte er: «Die Produktionsausfälle in Europa konnten wir weitgehend ausgleichen.» Volkswagen erweiterte dafür unter anderem die Fertigung in Südamerika und China – das ist aber keine Langfrist-Lösung.

Kritiker werfen VW immer wieder vor, zu lange an Verbrennungsmotoren festzuhalten und trotz hoher Investitionen in neue E-Modelle und emissionsärmere Fabriken bisher nicht genug für die CO2-Reduktion zu tun. Diess verwies auf die gute Nachfrage nach Elektrofahrzeugen – und die «Klimakatastrophe» lasse sich nur global lösen. Aktivisten von Greenpeace demonstrierten vor dem Sendestudio. Sie wollten damit auch auf einen Prozess einstimmen, den ein Landwirt und eine Klimaschützerin demnächst am Landgericht Detmold gegen VW führen.

Angebot an E-Autos ausbauen

Das Angebot an vollelektrischen Autos und die Umrüstung weiterer Standorte wie Emden, Hannover oder Chattanooga (USA) will VW weiter ausbauen. Das verlaufe «nach Plan», sagte Diess. Die Wagen könnten bald vergleichbar profitabel sein wie Verbrenner. Mehrere Aktionäre forderten aber, nach Kompaktmodellen, SUVs und Limousinen rascher auch kleinere Modelle wie einen ID.1 oder ID.2 anzugehen. Letzterer soll Polo-Größe haben und wird schon für Europa entwickelt.

Sorgen macht der Autobranche die Situation in China, wo neue Corona-Lockdowns Metropolen wie Shanghai und den Schiffsverkehr treffen – mit erheblichen Folgen für den Welthandel. Der bisherige VW-Kernmarken-Chef Ralf Brandstätter, der im Sommer als Vorstand für den Gesamtkonzern in die Volksrepublik wechselt, hält die Schwäche der Wolfsburger dort inzwischen für überwunden. Zum Beispiel hatten Kunden bestimmte Software-Features vermisst. Er betonte: «Wir sind weiter Marktführer dort.» Im Jahresverlauf werde man auch den Produktionsrückstand in China voraussichtlich aufholen können.

Dieselkrise bleibt Thema

Ganz los ließ die Anteilseigner auch diesmal das Erbe der Dieselkrise nicht. Irritationen gab es bei einigen nach wie vor darüber, dass mit Ex-Konzernchef Martin Winterkorn und weiteren Ex-Managern 2021 ein interner, teils als intransparent empfundener Vergleich über Schadenersatz geschlossen wurde. Die Gesamtkosten von «Dieselgate» liegen seit dem Bekanntwerden des Skandals im September 2015 jetzt bei über 33 Milliarden Euro. Ein Sonderausschuss des Aufsichtsrats wurde Ende 2021 aufgelöst. Nach Angaben von Rechtsvorstand Manfred Döss gibt es weltweit rund 60 000 einzelne Diesel-Zivilverfahren.

Die stimmberechtigten Stammaktionäre nahmen letztlich sämtliche Punkte auf der Tagesordnung an – beispielsweise zu den Gehältern der Top-Führungskräfte oder zur Dividende für die Stammpapiere (7,50 Euro) und Vorzugspapiere (7,56 Euro). Mit großer Mehrheit beschlossen wurde zudem eine Personalie im Aufsichtsrat: Das Golf-Emirat Katar entsendet als drittwichtigster Eigner der VW-Gruppe den Chef seines Staatsfonds (QIA), Mansur bin Ibrahim Al-Mahmud, in das Gremium. Die Arbeitnehmer hatten bereits im April drei neue Vertreter benannt. (dpa)

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