Auch die VW-Tochter Seat war von der IT-Panne beim Mutterkonzern betroffen. Im Interview spricht Vorstandschef Wayne Griffths über Cyber Security, die Zukunft von Seat und die Absatzerwartungen an Cupra.
Den Autobauer Seat wird es auch nach dem Jahr 2030 geben. «Seat wird es als Institution und als Firmenamen weitergeben. Und dieses Unternehmen hat zwei Marken: Seat und Cupra», sagte Seat-Chef Wayne Griffiths im Interview mit der Autogazette. Am Rande der IAA Mobility im September hatte es zuletzt Irritationen um die Zukunft des spanischen Herstellers gegeben. Es hieß, dass es die Marke ab 2030 nur noch als Mobilitätsdienstleister geben wird.
Wie Griffiths sagte, müsse man natürlich Prioritäten setzen. Deshalb habe man sich auch entschieden «zunächst die Marke Cupra zu elektrifizieren. Wir freuen uns, dass wir angesichts der veränderten Rahmenbedingungen in Europa auch Seat mit seinen Plug-in-Hybrid- und kraftstoffsparenden Fahrzeugen anzubieten haben. Wir fahren gut mit zwei Marken: eine in der Elektro-Welt, eine andere in der Verbrenner-Welt. Das schließt aber nicht aus, dass man auch Seat in Zukunft elektrifizieren könnte», so Griffiths.
«Seat ist die Marke für junge Menschen»
Allerdings müsse es jede Marke schaffen, sich zu transformieren. «Wenn man das nicht schafft und alles so macht, wie in den vergangenen 70 Jahren, wird es eine Marke nicht mehr geben. Seat ist die Marke für junge Menschen in der Stadt; deren Mobilitätsbedürfnisse ändern sich. Seat wird auf diese verändernden Mobilitätsbedürfnisse reagieren – und es wird auch weiter Autos von Seat geben», sagte Griffiths.
Dass man derzeit seine Prioritäten auf Cupra setze, heiße indes nicht, dass man die Marke Seat vernachlässigen würde. Mit Blick auf kleinere Elektro-Autos könnte auch Seat in der Zukunft eine wichtige Rolle zukommen. «Ich schließe nicht aus, dass es ein reines E-Auto von Seat geben wird. Das wird dann der Fall sein, wenn wir es uns leisten können; wenn die Autoindustrie es sich leisten kann, ein E-Auto im A/0-Segment oder A/00-Segment zu bauen.»
«Auch wir waren von IT-Panne betroffen»
Autogazette: Herr Griffiths, wegen einer IT-Panne lag in einigen VW-Werken die Produktion lahm. Waren auch Sie wie die Tochter Audi betroffen?
Wayne Griffiths: Auch wir waren von der IT-Panne in unserem Werk in Martorell betroffen. Konnten aber wie auch die Kollegen in Wolfsburg die Produktion nach einigen Stunden wieder hochfahren.
Autogazette: Kann man sagen, wie viele Autos Sie wegen dieser Panne nicht bauen konnten?
Griffiths: Nein, das ist noch nicht ausgewertet und zudem schlecht zu sagen, da wir nach der Panne Autos fertigstellen werden.
Autogazette: Welche Konsequenzen ziehen Sie aus dieser IT-Panne? Haben Sie eine Überprüfung Ihrer IT in Auftrag gegeben.
Griffiths: Hier lag das Problem für den IT-Ausfall ja nicht an unserem Netzwerk, sondern dem des Konzerns. Doch es ist richtig, dass man den Fokus noch stärker auf das Thema IT und Cyber Security legen muss – und das nicht nur im Unternehmen, sondern auch in den Fahrzeugen. Doch das tun wir auch sehr intensiv.
Autogazette: Auch wenn derzeit ausgeschlossen wird, dass es eine Cyber-Attacke war: Sehen Sie die Autobranche als eine der Schlüsseltechnologien in Europa als gefährdet?
Griffiths: Die EU gibt uns mit ihrer Gesetzgebung vor, welche Anforderungen wir zu erfüllen haben – und diesen Vorgaben an die gestiegene Cyber Security kommen wir in unseren kommenden Fahrzeugen auch nach, auch wenn das für uns eine Herausforderung ist.
Autogazette: Die Fahrzeugsicherheit ist das eine, die Produktion das andere. Eine eigene Überprüfung in ihrem Netzwerk wird es nicht geben?
Griffiths: Natürlich werden wir diesen Vorfall analysieren und uns auch unsere IT-Sicherheit anschauen. Insbesondere werden wir der Frage nachgehen, warum es einen Tag gedauert hat, die Produktion wieder hochzufahren. Da muss man schneller werden.
«Wir fahren gut mit zwei Marken»
Autogazette: Am Rande der IAA Mobility in München gab es Irritationen um die Zukunft von Seat. Es hieß, die Marke solle ab 2030 nur noch als Mobilitätsdienstleiser weiterbestehen.
Griffiths: Seat wird es als Institution und als Firmenamen weitergeben. Und dieses Unternehmen hat zwei Marken: Seat und Cupra. Aber auch wir müssen Prioritäten setzen – und deshalb haben wir uns entschlossen, zunächst die Marke Cupra zu elektrifizieren. Wir freuen uns, dass wir angesichts der veränderten Rahmenbedingungen in Europa auch Seat mit seinen Plug-in-Hybrid- und kraftstoffsparende Fahrzeuge anzubieten haben. Wir fahren gut mit zwei Marken: eine in der Elektro-Welt, eine andere in der Verbrenner-Welt. Das schließt aber nicht aus, dass man auch Seat in Zukunft elektrifizieren könnte.
Autogazette: Sie sehen für Seat also nicht nur eine Zukunft als Mobilitätsdienstleister, sondern als Autobauer nach 2030?
Griffiths: Man kann nicht in der Vergangenheit bleiben. Man kann nicht sagen, dass alles so bleibt. Jede Marke muss es schaffen, sich zu transformieren. Wenn man das nicht schafft und alles so macht, wie in den vergangenen 70 Jahren, wird es eine Marke nicht mehr geben. Seat ist die Marke für junge Menschen in der Stadt; deren Mobilitätsbedürfnisse ändern sich. Seat wird auf diese verändernden Mobilitätsbedürfnisse reagieren – und es wird auch weiter Autos von Seat geben.
«Wir setzen unsere Prioritäten auf Cupra»
Autogazette: Das hört sich aber nicht so an, dass der Autobauer Seat ab 2030 im Vordergrund steht?
Griffiths: 2030 ist noch sehr weit weg, das ist eine Fahrzeuggeneration. Wir setzen unsere Prioritäten auf Cupra, aber das heißt nicht, dass das zu Lasten von Seat geht.
Autogazette: Ursprünglich sollte der Cupra Born als Seat auf den Markt kommen. War das nicht der erste Indikator dafür, auf welcher Marke der Fokus liegt?
Griffiths: Es geht hier nicht um Fokus. Es ist doch kein Zufall, dass die ersten elektrischen Fahrzeuge zumeist von Premiumherstellern auf den Markt gebracht worden sind. Das liegt daran, dass die E-Mobilität nach wie vor teuer ist. Damit gehen hohe Investitionen einher. Das muss rentabel sein für ein Unternehmen. Deswegen haben wir uns entschieden, mit Cupra anzufangen. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass es auch in Zukunft kleinere Elektroautos geben wird. Da könnte auch Seat eine Rolle spielen.
Autogazette: Ab wann ist denn ein E-Auto von Seat zu erwarten?
Griffiths: Es gibt ja schon elektrifizierte Autos von Seat. Rein elektrisch ist ein solches Modell ab dem Zeitpunkt vorstellbar, wo wir keine Seats mehr verkaufen können, die einen Verbrenner haben.
Autogazette: Also ab 2035…
Griffiths: …vor 2030 nicht. Ich schließe nicht aus, dass es ein reines E-Auto von Seat geben wird. Das wird dann der Fall sein, wenn wir es uns leisten können; wenn die Autoindustrie es sich leisten kann, ein E-Auto im A/0-Segment oder A/00-Segment zu bauen.
«Dieses Jahr wird ein gutes Jahr für Seat»
Autogazette: Die Markengruppe Volumen von VW schwächelt, allen voran die Kernmarke VW. Bedeutet das nicht, dass man sich auf die Marken konzentrieren muss, die den meisten Ertrag erwirtschaften – und das ist Cupra? Ist die Zukunft von Seat Cupra?
Griffiths: Die Zukunft von Seat ist langfristig elektrisch. Cupra wird eine wesentliche Rolle spielen, warum Seat eine profitable Marke wird. Unser Unternehmen ist enorm ertragsstark. Wir haben ein Rekordhalbjahresergebnis mit einer Umsatzrendite von 5 Prozent und einem Betriebsgewinn von 371 Millionen Euro. Das hatten wir noch nie in unserer Geschichte. Das zweite Halbjahr sieht auch sehr gut aus. Dieses Jahr wird ein gutes Jahr für Seat.
Autogazette: Was bedeutet die Schwäche der Kernmarke VW für Sie? Müssen sie sparen?
Griffiths: Wir müssen schlicht mehr Geld verdienen, wir müssen rentabler werden. Wir sind nicht zufrieden mit fünf Prozent Umsatzrendite. Ich würde gerne irgendwann einmal 10 Prozent Umsatzrendite haben. Ich denke, dass wir das mit Seat und Cupra zusammen auch schaffen, wenn wir die richtigen Voraussetzungen dafür schaffen. Mit meinen Kollegen im Vorstand sind wir einen ersten Schritt gegangen, jetzt wollen wir das ausbauen.
Autogazette: Sie müssen bei Seat/Cupra den Gürtel also nicht enger schnallen?
Griffiths: Doch, wir haben unsere Fixkosten in den zurückliegenden Jahren um 30 Prozent reduziert, Wir wollen agiler, wettbewerbsfähiger werden. Wir machen viel auf der Kostenseite, machen aber auch viel auf der Ertragsseite.
«Wir haben nach wie vor eine hohe Nachfrage»
Autogazette: Cupra konnte im vergangenen Jahr rund 153.000 Fahrzeuge absetzen. Das ist ein Plus von 93 Prozent gegenüber 2021. Wo wollen Sie mit Cupra denn in 2025 stehen?
Griffiths: Wenn dann alle neuen Cupra-Modelle der neuen Generation – also Tavascan, Terramar und Raval – verfügbar sind, wollen wir in Richtung 500.000 Fahrzeuge kommen. Doch der Cupra Raval wird 2025 noch nicht komplett im Markt sein, dass wird erst 2026 der Fall sein. Wenn die Modellanläufe wie jetzt geplant stattfinden und der Cupra Raval das erste volle Jahr im Markt ist, sind diese 500.000 Einheiten mein Ziel.
Autogazette: Wie schauen die Ziele für dieses Jahr aus?
Griffiths: Cupra ist im ersten Halbjahr um 60 Prozent gewachsen – und das wollen wir bis Ende des Jahres halten. Wir haben nach wie vor eine hohe Nachfrage. Das Positive ist, dass auch Seat um 20 Prozent gewachsen ist. Am Ende geht es für mich aber nicht um den Absatz, sondern um Rentabilität.
Autogazette: Die Kollegen von VW Pkw klagen über eine Nachfrageschwäche bei den E-Autos. Trifft das auch auf den Born zu?
Griffiths: Der Absatz des Born hat sich im ersten Halbjahr verdoppelt. Doch wir alle haben uns in diesem Jahr auf eine schwierige Marktlage einzustellen – und das liegt auch am Wegfall bzw.der Reduzierung der Subventionen auf den verschiedenen Märkten. Zudem steigt der Wettbewerb auf allen Seiten, sei es aus China, den USA oder Korea und Japan. Von daher wird der Elektromarkt schwierig bleiben und hart umkämpft.
«Wir setzen unsere Prioritäten auf Cupra»
Autogazette: Bereitet es Ihnen Bauchschmerzen, wenn Sie sehen, mit welcher Vehemenz die Chinesen auf den europäischen Markt drängen? In China wurde VW ja bereits von BYD als Marktführer verdrängt…
Griffiths: Es ist nur ein Zeichen dafür, dass Europa seine Hausaufgaben machen und wettbewerbsfähiger werden muss – und nicht nur China gegenüber. Ich verweise auf den Inflation Reduction Act in den USA und die Vorteile, die er für die heimische Industrie bietet. Ich bin zugleich auch Präsident des Spanischen Automobilverbandes und in dieser Funktion setze ich mich bei der Regierung dafür ein, dass es darauf eine spanische Antwort gibt. Aber letztlich muss es angesichts solcher Förderungen wie IRA eine europäische Antwort geben – dazu gehört auch, dass wir erneuerbare Energie zu wettbewerbsfähigen Preisen anbieten.
Autogazette: EU-Kommissions-Präsident Ursula von der Leyen hat angekündigt, die Subventionen Chinas für E-Autos prüfen zu lassen. Droht hier ein Handelskrieg?
Griffiths: Diese Untersuchung bleibt abzuwarten. Es ist sicherzustellen, dass es fairen Wettbewerb auf beiden Seiten gibt. Es sollte nicht um Barrieren gehen und darum, Hindernisse aufzubauen.
«Die Hausaufgaben haben wir gemacht»
Autogazette: Haben Sie denn bei Seat/Cupra die Hausaufgaben gemacht? Bisher haben Sie mit dem Born gerade einmal ein E-Auto im Angebot? Ein Committment in die E-Mobilität sieht doch anders aus…
Griffiths: …diese Hausaufgaben zu machen haben mich in den zurückliegenden zwei Jahren, in denen ich Präsident von Seat bin, viele schlaflose Nächte gekostet. Ich musste mit der spanischen Regierung ein historisches Invest von zehn Milliarden Euro in die E-Mobilität in Spanien verhandeln. Wir werden Martorell und Pamplona elektrifizieren und entwickeln für den VW-Konzern den Small BEV. Zeitgleich bauen wir eine Zellfabrik in Valencia. Ich bin ziemlich stolz auf das, was meine Mannschaft da hinbekommen hat. Die Hausaufgaben haben wir gemacht.
Autogazette: Wie wichtig ist der Bau der Batteriefabrik für die Kosten und dafür, sich unabhängiger von Asien zu machen?
Griffiths: Es geht nicht nur um diese Aspekte, es geht auch darum, bei der Sustainability glaubwürdig zu sein. Wir haben in Spanien bei den erneuerbaren Energien den Vorteil, dass bei uns jeden Tag die Sonne scheint. Entsprechend haben wir einen hohen Anteil erneuerbarer Energien – und wenn wir die zu wettbewerbsfähigen Kosten in den Markt bringen können, haben wir eine riesige Chance im Wettbewerb. Wenn Du E-Autos in einem Land wie Spanien baust, wo erneuerbare Energien die Basis auch für die Batteriefabrik ist, die Basis für die Produktion sind, dann hast du einen kleinen CO2-Fußabdruck. Es macht auch keinen Sinn, E-Autos auf die Straße zu bringen, wenn diese mit Atomstrom oder fossilen Energien geladen werden. Spanien macht hier seine Hausaufgaben.
«Wir arbeiten daran, dass vorzuziehen»
Autogazette: Ab wann wird es von Ihnen bezahlbare E-Autos geben? Der Raval, der Ende 2025kommt, wird ja mehr als 25.000 Euro kosten.
Griffiths: Das Preisniveau für das meistverkaufte Modell in Spanienlag bei 25.000 Euro. Zwischenzeitlich gab es auch eine Inflation. 25.000 Euro ist in der Regel das Preisniveau für die meistverkauften Autos in den verschiedenen Märkten. Die Erreichbarkeit bei den Small BEV-Fahrzeugen stellen VW und Skoda sicher, Cupra ist darüber positioniert.
Autogazette: Sie haben jetzt mehrmals Nachhaltigkeit genannt. Doch zur Klimaneutralität wollen sie erst 2050 kommen. Sehr ambitioniert ist das nicht, da das dem Pariser Klimaschutzabkommen entspricht.
Griffiths: Wir arbeiten daran, dass bei uns vorzuziehen. Ein genaues Datum nenne ich nicht. Die Neutralität im eigenen Haus zu schaffen, das ist schneller hinzubekommen, doch wir müssen das in der ganzen Lieferkette hinbekommen. Ich gebe Ihnen absolut recht: dieses Ziel muss deutlich vor 2050 erreicht werden.
Das Interview mit Wayne Griffiths führte Frank Mertens