«Bezahlbarkeit steht immer im Fokus»

Dacia-Deutschlandchef Thilo Schmidt

«Bezahlbarkeit steht immer im Fokus»
Dacia-Deutschland-Chef Thilo Schmidt. © Dacia/Thilo Klein

Die Zulassungszahlen auf dem deutschen Automarkt sind rückläufig. Das trifft nicht auf Dacia zu. Die Marke legt zu. Im Interview spricht Deutschland-Chef Thilo Schmidt über bezahlbare Mobilität, den neuen Markenauftritt und das E-Modell Spring.

Die Renault-Tochter Dacia gehört in Deutschland zu den wenigen Herstellern mit einem Zulassungsplus. Das liegt vor allem auch an der Bezahlbarkeit der Modelle. „Man sieht gerade deutlich, wie sehr sich viele Hersteller mit Blick auf das Pricing von ihren Kunden entfernen. Unsere Strategie ist da ganz klar: Preis-Leistung muss stimmen“, sagte Dacia-Deutschland-Chef Thilo Schmidt im Interview mit der Autogazette.

Zulassungsplus von 46 Prozent per Oktober

Dass Dacia nach zehn Monaten ein Zulassungsplus von über 46 Prozent aufweist, hat Schmidt dabei nicht überrascht. „Denn ich wusste, welche Arbeit und Projekte in der Umsetzung waren und welche Maßnahmen von den Teams angeschoben wurden. Diese kontinuierliche Arbeit führte zum Verkaufserfolg, der sich jetzt in den Zulassungszahlen bemerkbar macht.“

Der Manager, der seit März an der Spitze von Dacia in Deutschland steht, geht davon aus, dass die Marke auch im kommenden Jahr an den Erfolg des Jahres 2022 anknüpfen kann.

«Nein, es hat mich nicht wirklich überrascht»

Auf dem Pariser Autosalon präsentierte Dacia seine Neuheiten. Foto: Dacia

Autogazette: Herr Schmidt, viele Hersteller klagen über eine Kaufzurückhaltung ihrer Kunden. Sie nicht. Gehört Dacia zu den Profiteuren der Krise?

Thilo Schmidt: Wir blicken auf ein sehr erfolgreiches Jahr 2022. Das Jahr fing für alle Hersteller mit Blick auf den Kaufeintrags-Eingang sehr stark an. In den zurückliegenden sechs Monaten ist der Auftragseingang jedoch im Gesamtmarkt um 30 Prozent rückläufig, im Oktober waren es sogar minus 40 Prozent. Dacia steigert seinen Kaufantragseingang sogar in dieser Sechs-Monatsphase. Wir sind da im positiven Sinne fast komplett resistent, auch wenn wir nicht mehr die Wachstumsraten bei den Aufträgen von plus 50 Prozent haben. Die Einführung des neuen Dacia Jogger, eine rundum erneuerte Modellpalette und ein konsequent bestes Preis-Leistungsverhältnis sind hier die starken Treiber.

Autogazette: Mit einem Neuzulassungs-Plus von 46,1 Prozent bei 45.247 Fahrzeugen war Dacia nach zehn Monaten bei den Volumenherstellern in Deutschland die wachstumsstärkste Marke. Sind Sie von dieser hohen Steigerung überrascht?

Schmidt: Nein, es hat mich nicht wirklich überrascht. Denn ich wusste, welche Arbeit und Projekte in der Umsetzung waren und welche Maßnahmen von den Teams angeschoben wurden. Diese kontinuierliche Arbeit führte zum Verkaufserfolg, der sich jetzt in den Zulassungszahlen bemerkbar macht. Was man aber nie weiß ist, in welchen Kanälen die Wettbewerber ihre Kaufanträge schreiben.

Autogazette: Sie spielen auf Eigenzulassungen an?

Schmidt: Ja, aber nicht nur. Man sieht gerade deutlich, wie sehr sich viele Hersteller mit Blick auf das Pricing von ihren Kunden entfernen. Unsere Strategie ist da ganz klar: Preis-Leistung muss stimmen. Alle Kundinnen und Kunden sollen bei uns gerne ein Auto kaufen, weil sie es sich leisten können. Der Dacia Kauf ist immer ein cleverer, nicht nur preislich. Gerade im Volumensegment kann man mit taktischen Maßnahmen den Absatz ankurbeln. Wir setzen mit Ausnahme der Probefahrt- und Werkstatt-Ersatzfahrzeuge des Handels nicht auf Eigenzulassungen. Auf diesen Bereich entfallen bei uns monatlich zirka 200 bis 300 Einheiten. Unsere Strategie geht auf. Wir sind im Privatmarkt die am stärksten wachsende Marke in Deutschland.

«Das Umfeld ist unberechenbar»

Autogazette: Gehen Sie davon aus, dass Sie das Restjahr mit einer Steigerung von über 40 Prozent beenden können?

Schmidt: Ich bin ziemlich optimistisch, dass wir die derzeitige Steigerung um die 45 Prozent halten können. Wir werden mit dem November und Dezember noch zwei starke Monate sehen. Das einzige Nadelöhr könnte die Logistik sein. Doch das ist eine Herausforderung, die die gesamte Industrie hat.

Autogazette: Das kommende Jahr wird nicht einfacher, der Wirtschaft steht eine Rezession bevor. Mit welchen Zielen gehen Sie ins nächste Jahr?

Schmidt: Das Umfeld ist unberechenbar. Doch nachdem wir in den vergangenen sechs Monaten entgegen dem Markttrend erfolgreich verkauft haben, blicke ich sehr positiv auf das neue Jahr. Wir wollen 2023 unser Volumen weiter steigern. Gerade den Privatmarktanteil wollen wir usbauen. Ich gehe von einer zweistelligen Steigerungsrate aus.

Autogazette: Der Gesamtmarkt wird dieses Jahr wohl bei 2,5 Millionen Neuzulassungen landen. Erwarten Sie in 2023 eine Erholung?

Schmidt: Persönlich gehe ich von einer Stabilisierung des Gesamtmarktes auf diesem reduzierten Niveau aus.

«Der Sandero bleibt unser wichtigstes Modell»

Der Dacia Sandero ist das wichtigste Modell der Marke. Foto: Dacia

Autogazette: Auf welchen Produkten ruhen in 2023 ihre größten Hoffnungen? Ist es der Sandero, der mit rund 15.000 Einheiten per Oktober ein Drittel des Absatzes ausmacht?

Schmidt: Der Sandero bleibt unser wichtigstes Modell, auch in Europa. Über alle Segmente hinweg befinden wir uns mit dem Sandero in den Top Ten der meistverkauften Modelle.

Autogazette: Welche Rolle wird der Dacia Spring spielen. Per Oktober kommt er mit 8247 Einheiten auf einen Anteil von 18,3 Prozent am Gesamtabsatz?

Schmidt: Eine bedeutende Rolle. Wir konnten für den Rest des Jahres noch Fahrzeugkontingente für Deutschland erhalten und werden dadurch bei den Zulassungen einen starken Jahresendspurt hinlegen.

«Es wird veränderte Spielregeln geben»

Autogazette: Erwarten Sie mit Blick auf die reduzierte Kaufprämie mit Blick auf den Spring in 2023 einen Rückgang der Nachfrage?

Schmidt: Es wird veränderte Spielregeln durch die Reduzierung der Prämie geben. Wir glauben dennoch daran, dass es vor allem zum Jahresbeginn einen Run auf E-Autos geben wird. So ist schließlich der Fördertopf limitiert und die Kaufprämie gilt für Gewerbekunden nur bis zum 1. September. Zudem wird die Prämie in 2024 auf 3.000 Euro erneut gesenkt. Für 2023 gehen wir davon aus, dass wir unser Niveau aus diesem Jahr halten werden, und über 10.000 Dacia Spring absetzen werden. Auch wenn wir auf den Privatkundenmarkt konzentriert sind, werden auch die Gewerbekunden bis September bestrebt sein, noch in den Genuss der Prämie zu kommen.

Autogazette: Haben Sie mit Blick auf den Spring ein Alleinstellungsmerkmal? Mit 22.550 Euro gehört er ja zu den günstigen E-Autos auf dem Markt.

Schmidt: Sicherlich. Mit unserer Preispositionierung haben wir ein Alleinstellungsmerkmal. Zudem hat der Spring noch einmal eine Aufwertung durch das neue Markenlogo erfahren und weiterführend wird es auch eine technische Aufwertung geben.

Autogazette: Es wird angesichts der hohen Preise für E-Autos viel von erreichbarer Mobilität für Geringverdienende gesprochen. Sind Sie die Marke, die dieser Klientel genau ein solches Angebot machen kann?

Schmidt: Preis-Leistung ist Kern unserer Marke – deshalb sind wir so erfolgreich. Wir werden diesen Kern immer konservieren. Wenn wir ein Update beim Spring bringen, wird das immer berücksichtigt. Der Wettbewerb kommt teilweise mit aggressiven Ankündigungen für günstige E-Autos, die allerdings bislang nicht umgesetzt wurden. Wir werden unseren Abstand zum Wettbewerb wahren. Das macht unsere DNA aus.

«Die 22.500 Euro sind ein unschlagbares Angebot»

Der Dacia Spring sieht durchaus peppig aus. Foto: Dacia

Autogazette: Ist denn ein Fahrzeug wie der Spring für 22.550 Euro wirklich für Geringverdiener erreichbar?

Schmidt: Die 22.550 Euro sind im Elektroumfeld ein unschlagbares Angebot. Nach Abzug der reduzierten Kaufprämie in 2023, ist das Fahrzeug für knapp über 15.000 Euro erhältlich. Dafür bekommen unsere Kunden bereits im Einstieg ein vollwertiges, fünfsitziges Fahrzeug. Deshalb können sie bei uns jedes Fahrzeug, von Spring über Sandero und Jogger bis zum Duster, für deutlich unter 200 Euro monatlich leasen.

Autogazette: Was bedeutet bezahlbare Mobilität für die weitere Elektrifizierung der Marke, auch vor dem Hintergrund des Verbrenner-Aus in 2035?

Schmidt: Wir folgen dem Markt und den Kundenerwartungen. Bezahlbarkeit steht immer im Fokus, deshalb werden wir uns sehr spät zu einer rein elektrischen Marke entwickeln. Wir konzentrieren uns daneben auf unsere Autogas-Strategie. Den Jogger bringen wir zudem als Vollhybrid, setzen also auch auf die Teilelektrifizierung, womit wir die Mobilität auch nachhaltig gestalten. Schauen Sie drei Jahre zurück: da hatte der deutsche Automarkt jährlich über 700.000 Kundinnen und Kunden mehr. Der Grund dafür ist nicht nur die Chipkrise. Es ist auch ein Preisthema. Warum ist eine Marke wie Dacia gewachsen? Weil wir einen fairen Preis anbieten.

Autogazette: Dacia hat sich einen neuen Markenauftritt verpasst. Das neue Markendesign wirkt frischer, moderner. Erreichen Sie damit jüngere Kunden?

Schmidt: Es freut mich, dass sie moderner sagen. Es ist ein großer Türöffner für ein jüngeres Klientel. Mit dem neuen Markenlogo erreichen wir sie. Derzeit haben wir einen Altersdurchschnitt von 57 Jahren – er wird mit dem neuen Markenauftritt sinken. Wir haben nicht nur das Logo geändert, sondern werden auch unsere Showroom-Konzepte erneuern.

Es kommen mittlerweile Kundinnen und Kunden zu den Händlern und fragen mit Blick auf das neue Logo: Was ist das für eine Marke? Das sind tolle Momente. Dieser neue Auftritt wird uns weiteres Wachstum bringen. Dazu wird auch der Bigster beitragen, den wir 2025 im C-SUV-Segment einführen. In diesem Segment spielt Image eine wichtige Rolle. Der neue Markenauftritt ist dafür ideal. Er wird dafür sorgen, dass wir stärker wahrgenommen werden und unseren Wachstumstrend weiter fortsetzen.

Das Interview mit Thilo Schmidt führte Frank Mertens

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